Feigheit als Lunte, an der der Populismus seine Nebelkerzen abbrennt

Was mir vorhin im Presseclub der ARD noch einmal besonders aufgefallen ist, aber schon seit Längerem immer wieder in Sendungen (v. a. solche mit Publikumsbeteiligung), ist, dass kruden Thesen und emotionalisierten Äußerungen schon gar nicht mehr widersprochen wird.

Das nenne ich Feigheit.

Daher meine Hypothese: Wer immer bloß (verhetzten) Menschen nach dem Munde redet und Verständnis zeigt, ohne inhaltlich mit Sachargumenten zu widersprechen, befördert massiv ein populismusdominiertes Meinungsklima.

Die Tendenz der bzw. bestimmter Medien, Sachauseinandersetzungen zu vermeiden und stattdessen über Stilfragen zu diskutieren, begünstigt das zusätzlich.

Wir sind längst auf mindestens halbem Wege zur Gefühlokratie.


Ich gebe mal ein konkretes Beispiel aus einer Deutschlandfunk-Kultur-Sendung:

Dort äußerte ein Soziologe zum Thema Besetzung von Spitzenpositionen mit Westdeutschen im Osten sinngemäß, dass sich daran absehbar auch nichts ändern könne, weil die Positionen damals mit sehr jungen Menschen besetzt worden seien, mit Menschen, die auch das nötige Know-how schon mitbrachten. Es werden sich also innerhalb von 30 Jahren keine großen Veränderungen ergeben können.

Das mal so klar auszusprechen, auch wenn Personen, die diesbezüglich Kritik äußern, hören wollen, dass sich das jetzt ganz zügig ändern werde, ist der nötige sachliche/faktenbasierte Widerspruch, den ich meine.

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Sogar der Presseclub war dieses Mal leider - wie so viele Male auch in den öffentlich-rechtlichen Medien, man denke nur an Lanz, Maischberger & Co - ziemlich rechts besetzt und inhaltlich geprägt. Mittlerweile ist das richtig, richtig schlimm.
Fast nie kommt jemand zu Wort, der von Rechts bedroht ist oder eine Gegenmeinung vertritt. Die reden alle der AfD nach dem Mund und berufen sich anschließend wie Herr Weimer auf die Umfragewerte in der Bevölkerung, die sie selbst hervorgerufen haben.

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Nein, es ist einfach kein Wunder, wenn Medien und Politik kein anderes Thema mehr kennen und wenn für alle Probleme - wirklich alle Probleme - in Deutschland immer nur der Sündenbock Migrant herhalten muss.
Das ist so einfach und so naiv und so menschenfeindlich, dass es kaum zu glauben ist.

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Ich verstehe die Empörung und auch die Kritik, finde aber subjektive Bewertungen wie „schlimm“ oder eine relativ grobe politische Kategorisierung wie „rechts“ nur bedingt hilfreich für die Diskussion. Zumal ja auch weite Teile von SPD und Grünen eine sehr restriktive Flüchtlingspolitik mittragen.
Zielführender fände ich es, um bei dem konkreten Fall Presseclub zu bleiben, zu sagen, welche „kruden Thesen“ und emotionalsierenden Aussagen es gab, was daran faktisch falsch war (wo also hätte widersprochen werden sollen) und wo es um Einschätzungen geht, die legitim sind, die man aber nicht teilt.

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Hast du Evidenz dafür, dass dieses Thema nur durch Medien und Politik so hochgehalten wird? Und falls ja - würde das in einer repräsentativen Demokratie etwas ändern?

Und würdest du eine ähnliche Argumentation auch für das Rentenproblem oder den Klimawandel zulassen?

Das „nur“ kommt hier ausschließlich von Dir. Und Belege dafür, dass Medien und Politik das Thema Migration seit Jahren hochziehen, gibt es zuhauf - hier im Forum, in der Lage und auch darüber hinaus.

Ich war zwar nicht angesprochen, aber wenn der Diskurs um Klimaschutz so aussähe, dass einzelne Nutzer von Verbrenner-PKW oder Gasheizungen als Sündenböcke für das Handeln einer ganzen Gesellschaft dargestellt und entsprechend an den Pranger gestellt würden oder wenn der Diskurs um die Rentenfrage von dem Argument getragen wäre, dass es einfach zu viele alte Leute gibt, die uns nur auf der Tasche liegen und dass wir ihre Zahl dringend reduzieren müsen - ja, dann würde ich das auf ähnliche Weise kritisieren. Aber das ist nicht der Fall, insofern ist die Frage rein hypothetisch.

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Weiß ich jetzt nicht wirklich. Ich glaube, Steffen Mau hat es auch in „Triggerpunkte“ thematisiert. Es sind halt Polarisierungsunternehmer und das führt früher oder später auf jeden Fall zu einer veränderten Wahrnehmung in der Bevölkerung.
Wir haben jetzt seit mindestens einem Jahr eine extrem verstärkte Thematisierung von Migration. Das kann doch nicht ohne Auswirkung bleiben.
Das Asylrecht wurde immer wieder verschärft. Aktuell kommen nicht viele Flüchtlinge. In den ostdeutschen Bundesländern gibt es nur wenige Migranten. Aber den Populisten reicht es sowieso nie.

Der Klimawandel wird ja eher zu wenig thematisiert. Den Vergleich verstehe ich nicht. Oder meinst du, dass viele Menschen für Klimaschutz waren, solange Fridays for future stark auf der Straße war?

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Ich verweise hier mal auf die aktuelle Lagefolge 396. Julia Reuschenbach bestätigt das darin ungefähr bei Minute 53.

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Wir steuern auf etwa 260.000 Geflüchtete dieses Jahr zu. Das ist weniger als im Vorjahr, aber immer noch der zweithöchste Wert seit 2017.

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Wenn Aussagen durch Merz wie Deutschland hat am meisten Syrer und Afghanen in der ganzen Welt aufgenommen. Deutschland hat die meisten Flüchtlinge. Deutschland kann seine Grenzen schließen. Deutschland kann Asylbewerber aus anderen EU Staaten einfach zurückschicken etc gesagt werden, die faktisch und praktisch komplett falsch sind, dann erweckt das in der Bevölkerung natürlich den Eindruck, wieso sollten wir da weiter mitmachen. Ohne das es faktisch irgendwie untermauert werden würde.

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Dann würde ich mich über die Verlinkung entsprechender Arbeiten freuen. Dieses Argument ist inzwischen nämlich ein beliebtes, um Mehrheitsmeinungen zu delegitimieren, meist, wenn diese der eigenen widersprechen.

Auf mein zentrales Argument bist du leider nicht eingegangen. Demokratische Meinungen sind nämlich nicht nur dann legitim, wenn sie mit wissenschaftlichen Metaanalysen untermauert werden können. Und die Aussage „Die Wahrnehmung eurer Probleme ist doch nur von den Medien aufgebauscht“ dürfte nicht ohne Grund politischer Selbstmord sein.

Unser momentanes Asylsystem nimmt eine brutale Selektion vor - zugunsten der Stärksten, jener, die sich die teuren Schlepper nach Europa leisten können. Die schwächeren stranden auf ihrer Flucht spätestens in Casablanca. Mich persönlich wundert nicht, warum beinnahe 4 von 5 Menschen in diesem Land dieses System grundlegend verändern wollen - schon eher wundert mich, dass sich eine kleine Minderheit ob dieser Diskussion noch immer überrascht zeigt. Meine Meinung: Dieses Thema ist zu wichtig, um es den Populisten von Links und Rechts (hier v.a. der AfD) zu überlassen, daher bin ich auch froh, dass es für die Bundestagswahl 2025 das zentrale Thema sein wird.

Eine Meinung, die freilich in diesem Forum, nicht aber in der Allgemeinbevölkerung eine Minderheitenmeinung sein dürfte.

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Wie groß der Anteil derjenigen ist, die etwas Bestimmtes, nennen wir es B, wollen, spielt für die politische Einordnung keine Rolle. Wenn 80 % Hitler für einen großen Staatsmann halten, ist die Einschätzung deshalb nicht mittig und die Leute, die das denken, sind auch keine Mitte, sondern Nazis.

Ansonsten bitte ich doch darum, zu meinem Thema zurückzukommen.

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Aus meiner Sicht ist die Virulenz des Themas in Politik und Medien allein dadurch belegt, wie häufig, wie prominent und wie engagiert es sowohl in diversen Medien als auch von Politikern unterschiedlicher Coleur thematisiert wird. Ist das jetzt wirklich eine strittige Frage

Das Argument verstehe ich nicht. Warum soll allein die Feststellung, dass ein bestimmtes Thema sehr präsent ist und dass dabei ein bestimmter Tenor überwiegt, bestimmte Meinungen „delegitimieren“?

Nochmal: Das ist nicht meine Aussage gewesen und m. E. auch nicht die von @Margarete.

Das Argument ist ja bekannt aus der Diskussion über eine Neuregulierung des europäischen Asylrechts. Ich fand es schon damals megazynisch, die noch weitere Abschottung Europas und das Vorhaben, Schutzsuchende in irgendwelche Lager in Nordafrika zu zwingen, auch noch als Humanismus zu verkaufen.

Soll das ein Argument für irgendetwas sein oder möchtest du dich einfach als unglaublich mutig inszenieren, weil du hier eine abweichende Meinung vertrittst?

Ein Beitrag wurde in ein existierendes Thema verschoben: Landtagswahlergebnisse Sachsen und Thüringen

Ich verstehe die Frage nicht ganz. Aus meiner Sicht ist es unstrittig, dass die Befindlichkeiten in großen Teilen der Bevölkerung und die Bedeutung des Themas für Politik und Medien miteinander in einer Wechselwirkung stehen. Dabei ist es weder so, dass Politik und Medien den Menschen etwas vorsetzen, woran sie vorher noch nie gedacht haben, noch so, dass sie lediglich auf „Sorgen und Nöte“ der Bevölkerung reagieren, die ausschließlich auf eigenen Erfahrungen basieren.
Der viel interessantere Punkt ist doch, mit welcher inhaltlichen Zielsetzung diese Thematisierung stattfindet, uns das ist aus meiner Sicht zunehmen, Migration pauschal als Problem darzustellen und zu suggerieren, dass dieses vermeintliche Problem sich leicht steuern ließe, wenn man denn nur wolle.

Dieser Satz imlpiziert aus meiner Sicht erstens, dass momentan mehr Menschen Hilfe suchen/in Anspruch nehmen, als es die Begrenzung der Hilfe erlaubt und zweitens, dass diese Hilfe Menschen zuteil wird, die nicht wirklich hilsbedürftig sind. Beiden Annahmen würde ich widersprechen.

Ein sehr positives Beispiel für einen kritischen, konfrontativen und aufklärerischen Umgang mit Populismus fand ich das gestrige Interview von Caren Miosga mit Sahra Wagenknecht. Letztere wurde bei dem vehementen Nachhaken mehrfach sichtlich nervös:

Die Idee, einfach mal nachzurecherchieren, ob und wann die als faul bekannte Wagenknecht mal soziale Einrichtungen besucht hat, war richtig gut. Leider hat’s Caren Miosga im Interview etwas versemmelt, weil sie den bekannten Standardausreden der Demagogin zu wenig entgegenzusetzen hatte. Darauf vorbereitet hätte Miosga konsequenter nachhaken/-setzen können. Aber der Ansatz stimmte schon.

Zwei mit Welt-Hintergrund, Leipziger Volkszeitung und als Stimme der Vernunft Yasmine M’Barek, wenn ich die richtige Gästeliste erwischt habe. Bei einem 3:1 wird es schwierig.