Fehlinvestitionen der Privatwirtschaft

Ich hatte mal gelesen, dass in der Schweiz der zweitbilligste Anbieter zum Zuge kommt.

Das würde nicht wirklich was helfen, dafür hat man dann Game Theory, die einem die die besten Preise berechnen kann, um den Zuschlag zu bekommen (also Zweiter werden)

Laut einem Bekannten mit großer Dachdeckerfirma: Viele Ausschreibungen von Kommunen weisen wohl schon deutliche Schwachstellen auf. Diese werden dann gezielt ausgenutzt indem Firmen die darauf spezialisiert sind diese Lücken einfach gar nicht mit kalkulieren und dann teure Nachträge in Rechnung stellen. Firmen die solche Lücken normal kalkulieren kommen daher nicht zum Zug, wären aber rückblickend günstiger gewesen.

Gerade große Projekte sind in kleineren Kommunen so selten, dass da logischerweise kaum Erfahrung vorhanden ist. Ich glaube hier könnte eine zentrale Stelle die konkret die Ausschreibungen finalisiert schon helfen.

Bei den bundesweit bekannten Großprojekten ist die Situation aber oft eine andere. Da wird oft von Anfang an zu knapp kalkuliert weil man bei realistischen Summen zu viel Gegenwind befürchtet und daher lieber explodierende Kosten in Kauf nimmt.

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Beim BER haben auch ständige neue Sonderwünsche aus der Politik den Bau verteuert. Solche Agentur kann auch bei Großprojekten helfen, ehrlicher zu kalkulieren, denn jemand schaut noch einmal drüber. Wir sollten akzeptieren, dass Wahrzeichen exzentrischer sind und manchmal mehr kosten, aber auf die Zeit die Kosten wieder einspielen. Wie gesagt, BER und Stuttgart 21 sind weit entfernt, Touristenmagneten zu werden, da kann es ruhig etwas weniger sein.

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Wenn alle Firmen diese Theorie kennen, verstehe ich noch nicht, wie dann eine verlässlich den Zuschlag bekommt.

Tatsächlich bin ich vor kurzem jemandem begegnet, der den Tiefbahnhof jetzt an Ostern besichtigen durfte und die Optik für spektakulär hielt. Konzeptionell halte ich S21 nach wie vor für unsinnig und viel zu teuer, aber vielleicht zieht er ja wenigstens Massen an.

Nicht jede Firma wird, um eine Ausschreibung zu gewinnen, ihr Angebot maxmal künstlich klein rechnen, damit sie den Zuschlag bekommt. Genausowenig wird jede Firma die Spieltheorie nutzen, um bei der Ausschreibung Zweiter zu werden. Ich befürchte nur, es weren dieselben Firmen sein, die den Zuschlag bekommen.

Schade ist bei solchen Debatten aber leider das selten Hinterfragt wird warum der Staat bei solchen Projekten immer drauf zahlt. Sicher ist bei einigen Projekten auch Missmanagement und Fehlplanung im Spiel, aber ein Großer Faktor dürfte auch das deutschte und europäische Vergaberecht sein. Zudem kommt noch die Jährigkeit in vielen Fällen.
Komischerweise wird hierzu nie berichtet.

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Also gerade in diesem Thread wurde es durchaus angesprochen. Ich glaube, es herrscht in diesem Punkt auch parteiübergreifend Einigkeit, dass das System nicht ideal ist. Gerade das europäische Vergaberecht ist ein typisches Produkt der EU: Ein Kompromiss zwischen vielen verschiedenen Interessen vieler verschiedener Akteure, sowohl Staaten als auch große Wirtschaftslobbies.

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Die Architektur sah auf den Abbildungen gut aus, aber es bleibt ein Bahnhof. Niemand reist nach Stuttgart, um sich ein Bahnhof anzuschauen.

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Niemand würde ich nicht sagen, ich kenne einige Bahn-Fans, denen ich das zutraue. Aber ja, mit Hamburgs Philharmonie wird es nicht konkurrieren wegen des Gebäudes. Bei den Nutzerzahlen schon (ich habe seinerzeit gegen S21 gestimmt auch wegen der Kosten und des geringen Nutzens)

Weil das Thema hier nach wie vor präsent ist, und der Thread hier immer noch offen, erweitere ich meine Liste von oben noch mal. Auch hier sind (mWn) keine Fälle dabei, die auf die Finanzkrise 2008, Corona, den Krieg gegen die Ukraine oder gezielte, kriminelle Handlungen zu Ungunsten der Firma zurückzuführen sind.

  1. Bremsen-Probleme 2024 bei BMW/Continental
    Verlust: 1 Mrd. Euro
    BMW brauchte zwei Jahre um Ausmaß des Bremsdefekts zu erkennen - finanzmarktwelt.de

  2. Geschlossene TDI-Anlage bei BASF 2018
    Verlust: 1 Mrd. Euro, 3 Jahre längere Bauzeit
    BASF: Lehren aus dem TDI-Debakel - DIE RHEINPFALZ

  3. Fehlgeschlagenes SAP-Projekt „Magellan“ der Deutschen Bank 2015
    Verlust: 1,6 Mrd. Euro
    Fraunhofer, Aldi - Darum scheitern IT-Projekte in Unternehmen so oft - Handelsblatt.de

  4. Qualitätsprobleme bei Siemens (Energy) Gamesa
    Verlust in 2023: ca. 2 - 4,3 Mrd. Euro
    4,6 Milliarden Euro Verlust: Was hinter dem Rekordminus steckt - wiwo.de

  5. Gescheitertes Südeuropa-Geschäft von E.ON
    Verlust bis 2015: 5,75 Mrd. Euro
    Fehlinvestitionen der Energieversorgungsunternehmen E.ON und RWE - foes.de

  6. Kauf von Rover durch BMW
    Verlust bis 2001: 8 Mrd. Euro
    BMW - Rover-Debakel ist überstanden - spiegel.de

  7. Cariad-Debakel bei VW bis 2025
    Verlust: bis zu 14 Mrd. Euro
    Volkswagens Milliardengräber – Cariad, Northvolt & Co - deraktionaer.de

Bei diesen Investitionen haben sich die Unternehmen fast alle quasi in ihrer Branche bewegt, mit Ausnahme des SAP-Projektes bei der Deutschen Bank. Und obwohl Konzerne nicht so streng an Vergabe-Bürokratie (z.B. den billigsten Preis) gebunden sind, schlagen auch in der Privatwirtschaft Investitionen und Bauprojekte fehl.

Natürlich will ich damit nicht der Politik einen Freibrief für schlampige Großprojekte geben. Aber ich finde diese Fälle zeigen, dass große, komplizierte Projekte einfach ihre Tücken und Unwägbarkeiten haben, die sich kaum vermeiden lassen und das solche Probleme mitnichten an einer generellen Schwäche der „öffentlichen Hand“ liegen.

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Wobei man die Summen ja am Ende ja im gesamten Kontext sehen muss.

Wenn eine Firma bei 5 Großprojekten eines verhaut, 3 laufen ok und eines schlägt ein, dann steht am Ende dennoch ein Gewinn.

Es ist nicht direkt vergleichbar mit der Verteuerung von Großprojekten der öffentlichen Hand.

Zudem sind die staatlichen Fehlinvestitionen reine Bauprojekte, während du hier Projekte aufführst die Produktentwicklung und weitere Faktoren zusätzlich zum Bau der Infrastruktur aufweisen.

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Niemand war übertrieben. Wahrscheinlich haben sie sich auch den vorherigen Bahnhof angeschaut. Um ehrlich zu sein, der Entwurf gefiel mir sogar.

Stimmt natürlich irgendwo. Aber machen Buden wie der Bund der Steuerzahler dem Staat auch dieses Zugeständnis?

Dieses Geschick haben aber längst nicht alle Unternehmen, wie Listen wie diese hier zeigen:
Insolvenzen: Spektakuläre Firmenpleiten in Deutschland - manager magazin

Stimmt, aber das ist ja gerade mein Argument, denn das Bauen selbst gehört eigentlich nicht zu den Kernaufgaben des Staates, dementsprechend führen das ja z.B. auch private Firmen aus. Und es wird ja auch immer wieder, vermutlich zu recht, kritisiert, dass sich Politiker zu stark in den Bauprozess einmischen (Beispiel).

Aber demgegenüber sollte das bauen von Bremsen für Continental bzw. das Steuern des Zulieferers durch BMW eigentlich quasi Tagesgeschäft sein.

Genauso bei dem Windanlagenhersteller Siemens Gamesa. Siemens selbst ist bereits 2004 ins Windenergiegeschäft eingestiegen, hat aber erst 2017 Gamesa gekauft und dann gemerkt (Quelle):

So habe man bei technischen Überprüfungen an einigen Komponenten der Windturbinen von Siemens Gamesa „deutlich erhöhte“ Ausfallraten festgestellt, räumte Siemens Energy bereits gestern ein.

Auch die erhofften Verbesserungen bei der Produktivität von Siemens Gamesa blieben hinter den Erwartungen zurück.

Mit etwa 13 Jahren Branchenerfahrung, hätte Siemens da nicht besser abschätzen können müssen, wie viel Probleme ihr Zukauf machen wird?
Bei solchen Beispielen, finde ich, kann man schon argumentieren, dass die Privatwirtschaft sich auch in ihren eigenen Kerngeschäften nicht immer auszukennen scheint.

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Ich verstehe grob auf was du hinaus willst. Fehler in der Planung von Großprojekten lassen sich nie ganz vermeiden. Und bei einer entsprechend großen Anzahl an Projekten wird es immer auch welche geben die aus dem Ruder laufen.

Die Frage bei den staatlichen Projekten muss aber schon laufen warum die Quote vermeintlich so hoch ist wo sich enorme Abweichungen ergeben. Interessant wäre hier ein Vergleich mit anderen Ländern in EU und außerhalb der EU.

Ein Teil der Mehrkosten lässt sich dadurch erklären, dass es ist wohl nicht möglich ist von Anfang an ein Budget für unerwartete Mehrkosten vorzusehen, wobei das nur mal in der Kommune so kommuniziert wurde und ich nicht sicher bin ob das auch stimmt.

Aber generell beobachte ich in meiner Heimatstadt schon wie mangelnde Planung für immense Mehrausgaben sorgt. So wurde vor 3 Jahren zur Überbrückung eine Anlage für eine Sportstätte gemietet. Angebote gab es von 70k bis 150k, wobei der für 70k deutlich unter allen anderen lag und als einzigen Nachteil eine lange Lieferzeit hatte. Die Stadt hat es aber nicht geschafft den Beschluss über die Anmietung rechtzeitig auf die Tagesordnung im Stadtrat zu bringen und deshalb musste dann eine Anlage für 120k angemietet werden. Bei einer überschuldeten Kommune die Stabilisierungshilfen bekommt eigentlich schon eine echtes No-Go.

Ich weiß nicht wie sowas Zustande kommt, es war allen bekannt und es gab keine weiteren Fragen die abgewartet werden mussten. Es war einfach ein Thema welches niemand so ernsthaft bearbeitet hat und vom Förderverein der Sportstätte wollte man sich keinen Druck machen lassen.

Der Thread kann vor allem herangezogen werden, wenn wieder jemand meint, weniger Staat und mehr Privatwirtschaft wäre gut.
14 Milliarden, das sind 4% des Gesamtumsatzes, einfach mal so von VW verbrannt. Und dann wird gejammert, dass die Bürokratie und die Lohnnebenkosten das Problem seien?

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Ich glaube hier liegt ein Missverständnis im Bezug auf Fehlerkultur vor.
Ein Prinzip in der agilen Softwareentwicklung ist es Fehler früh zu finden um sie direkt beheben und daraus lernen zukönnen. Es wird davon ausgegangen, dass Fehler unvermeidbar sind, dass aber wichtige Erkenntnisse daraus gezogen werden können.

Ich finde dieses Prinzip lässt sich auch gut auf Organisation und Unternehmen Übertragen.

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Apropos Privatisierung…

Und dieser Film ist 20 Jahre alt. Fürchte das meiste war damals schon zusehen…

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Wenn man daraus gelernt hätte, und eig dachte ich das (viele Wasserwerke wurden ja teuer zurück gekauft), dann wundert es mich, dass man aktuell in den Diskussionen immer wieder hört, dass man privates Kapital für Infrastruktur anwerben möchte/müsse.

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