Fehlerkultur in der Politik

Beinahe weniger ein Themenvorschlag als ein ausdrückliches Lob bzgl. eures Tones bei Giffey (Plagiats-Diss) und jüngst mutmaßlichem Abrechnungsbetrug durch Testzentren:

Ihr habt im Gegensatz zu vielen anderen Medien nicht die Forderung aufgestellt, dass nun „Köpfe rollen“ müssten. Das bringt mich zum Gedanken, ob ihr nicht eure Einschätzung teilen könntet, wie die Fehlerkultur in der Politik mit medialer Berichterstattung und öffentlicher Meinungsbildung zusammen hängen.

My two cents:

Gerne wird beklagt, dass Politiker:innen keine Fehler einräumen (auch hier im Forum: Mangelnde Fehlerkultur und Kritik in der Politik).
Das würde ich mir auch wünschen, keine Frage.
Was es aber dafür braucht ist (i) Medien, die nicht jeden Schluckauf zum Skandal hochjazzen (gibt da ja in alle Richtungen etliche Beispiele: #BAMF-„Skandal“; nun bspw. „Einladung“ zum Testabrechnungsbetrug) und (ii) eine Öffentlichkeit, die auch Verzeihen kann.

Wenn Medien immer auf der Suche nach der nächsten Skandalstory sind und die Öffentlichkeit sobald eine solche erscheint „Köpfe rollen“ sehen will, kann ich Politiker:innen sogar etwas verstehen, wenn sie - aus Schutz - wie ein Kleinkind erstmal alles abstreiten (denn sonst rollt ihr Kopf ja).

Was hieran problematisch ist: Wenn zig „Skandale“ dazu führen, dass zig „Köpfe rollen“ müssten, aber jede Politiker:in die Verantwortung weit von sich schiebt, wird es schwer in diesem Wirrwarr noch die wirklich großen Fehler anhaltend genug bennennen und darauf beharren zu können und bei Grenzüberschreitungen auch einen Rücktritt zu fordern. Es wird der Anschein erweckt, es gäbe überall Skandale und niemanden, der Verantwortung tragen will. Politikverdrossenheit ist vorprogrammiert.

Vielleicht habe ich mich etwas unklar ausgedrückt. Worum es mir geht: Der Kreislauf aus

  1. (überschaubare) Fehlleistung wird zum Skandal hochgejazzed, 2. Rücktrittsforderungen werden laut, 3. Niemand tritt zurück, 4. Alle sind frustriert << sollte durchbrochen werden und in diesen Fällen hin kommen zu:
  2. (überschaubare) Fehlleistung wird benannt, 2. Poltiker sieht Fehler ein, entschuldigt sich, guckt wie es besser geht, 3. Öffentlichkeit guckt, ob das genügt <<
    Was nicht ausschließt, dass bei krassen Fehlleistungen (erst recht bei unmittelbar persönlicher Verwicklung) auch der Rücktritt von Politiker:innen angezeigt ist.
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