Feedback: Trigger-Warnung - eine Bevormundung?

Erst einmal vielen Dank für euren Beitrag zum Thema Kindesmissbrauch in der aktuellen Lage.

Dieses Feedback bezieht sich lediglich auf die eingangs präsente Trigger Warnung.
Den Impuls zur Warnung vor sensiblen Inhalten halte ich für löblich, gerade die Trigger Warnung ist jedoch ein Phänomen, mit dem man sich kritisch beschäftigen sollte.
Als Mensch, der selbst Gewalttraumata erlebt hat, muss ich doch gelegentlich schmunzeln wenn ich eine solche Trigger Warnung sehe. Es hat ein bevormundendes Geschmäckle mir nicht zuzutrauen, mich ungewarnt mit der Welt zu konfrontieren, in der ich tagtäglich lebe. Der Wunsch einen sicheren Raum zu erschaffen ist sicherlich lobenswert, aber vor einen Podcast (dem ich mich sowieso jederzeit entziehen kann) eine Triggerwarnung zu stellen, geht mir dann doch einen Schritt zu weit. Das überschätzt das Retraumatisierungspotential eines solchen (doch sehr milden) Beitrags immens und ist meiner Meinung nach auch eine grobe Trivialisierung des Traumabegriffs und real existierender Gewalt.
Jede gutgemeinte Warnung ist doch zugleich auch eine Anmaßung: „Du musst gewarnt werden, denn du bist besonders gefährdet“. Sie sagt: „Du bist dein Trauma“.
Womöglich muss man nicht jedem gutgemeinten Impuls folgen, auch wenn er noch so sympatisch scheint oder sich scheinbar etabliert hat. Denn auch deren gewünschte Wirksamkeit hat sich bisher nicht wissenschaftlich nachweisen lassen: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/2167702620921341

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Ich wollte nur kurz eine Gegenposition beziehen - ich fand die Trigger-Warnung sehr angenehm. Es gibt mir einfach Zeit kurz drüber nachzudenken: Aha, jetzt wollen sie über sowas reden, fühle ich mich gerade oder allgemein imstande, mir das anzuhören, was davon interessiert mich, wo möchte ich lieber abschalten? Besser als: Wir beschäftigen uns nun mit Kindesmissbrauch und haben ein Interview, erste Frage, wie funktioniert eigentlich der Tausch von Missbrauchsabbildungen? Und zack, habe ich Informationen, die ich gar nicht haben möchte, bevor ich realisiert habe, worum es eigentlich geht.
Also ich kann deinen Beitrag nachvollziehen, Corne, und ich glaube, das ist etwas, was jede/r individuell empfindet.

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„Ich nehme die Hand schon von der Herdplatte, wenn mir auffällt dass sie heiß ist. Kein Grund für diese roten Lämpchen.“
Der Sinn dieser Warnungen ist ja gerade dich vorher wissen zu lassen, dass da was Belastendes warten könnte.

Das kostet wenige Sekunden und erspart manchen Menschen eine gute Portion Leid. Findest du nicht, dass es das wert ist? Ich fand auch als Unvorbelasteter die Passage schon happig.

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die frage ist ob die vermeidung von ungewollten input tatsächlich ein wünschenswerter sachverhalt ist?

danke für dein kommentar, der mir geholfen hat das auch für mich etwas zu präzisieren.

ich würde dir zustimmen, aber der vergleich passt meiner meinung nach nicht ganz. eine warnlampe am herd gilt für jede person gleich, denn jede wird sich verbrennen. darum existiert sie.

Eine trigger warnung richtet sich dagegen definitionsgemäß an eine spezifische menschengruppe, deren traumaerfahrung durch den jeweiligen Inhalt womöglich reaktiviert wird (so zumindest die theorie, nachweisen ließ sich bisher kein positiver effekt). und das macht den entscheidenden Unterschied. es ist etwas anderes zu sagen „wir sprechen nun über kindesmissbrauch“ oder „triggerwarnung: wir sprechen nun über kindesmissbrauch“. das eine ist eine simple ankündigung, die jeder mensch für sich bewerten kann. das andere ist eine warnung und eine betonung der angenommenen schwäche eines menschen.

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Die Frage ist, ob man damit tatsächlich Leid erspart.
Da ist sich die Psychologie mWn noch nicht einig.

Mich störte nur die Länge der Triggerwarnung.
Bei 3:09 beginnt ihr die Triggerwarnungserklärung.
Bei 3:52 beginnt nach meiner Auffassung frühestens die Besprechung des Themas - man könnte sogar sagen die Besprechung beginnt noch später.

43 Sekunden Warnung ist einfach zu lang.
Nehmt euch doch da bitte ein Beispiel an den Triggerwarnungen der NY Times (The Daily Podcast). Diese sind 10 Sek. kurz. Wer weiss dass ein Thema triggert hat hier genug Zeit abzuschalten.
Menschen wie @Corne wissen vermutlich sehr viel schneller ob ein bestimmtes Thema traumatisch ist - also reitet doch bitte nicht so sehr darauf herum.
Die euch schon vorgeworfene Arroganz wird euch hier nicht nur von Betroffenen sondern auch von besser informierten mit der Hoffnung auf Besserung nahegelegt. Redet über eure Themen - aber macht euch und die Themen bitte nicht gewichtiger als sie es sind.

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Für mich ja. Ich bin eine Person ohne Traumata (vielleicht richtet sich die Trigger-Warnung deshalb ja gar nicht an mich, aber ich hätte gedacht, sie richtet sich an alle die möchten), aber ich möchte aus anderen Gründen zum Beispiel nicht wissen, wie man genau an Missbrauchsabbildungen rankommt. Deshalb fand ich an dieser Stelle die Vermeidung von ungewolltem Input tatsächlich als wünschenswert.
Ich antworte mal ein kleines bisschen auf deine Antwort an BrewSwillis: Ich finde es interessant, dass du die Triggerwarnung so sehr auf die Schwäche von Menschen projizierst. Klar kann man sich schlecht brüsten mit einem Trauma, aber eine Triggerwarnung richtet sich ja an den formalen Teil eines Traumas, nicht an den emotionalen. Präziser: Wenn ich „Triggerwarnung“ sagen würde, dann meine ich „Alle, die für sich selbst die Auffassung vertreten, an ebendiesem Thema nicht teilhaben zu wollen, die müssten jetzt mal bitte kurz nicht zuhören.“ Ich sage weder „Echt schade, dass ihr ein Trauma habt, und das tut mir auch persönlich leid, aber hey, hört mal kurz nicht zu.“ noch „Denkt mal bitte alle darüber nach, ob es euch gut tun könnte, etwas über dieses Thema zu hören.“. Ich weiß von mir selbst, dass es Dinge gibt, die ich nicht hören möchte. Und wenn mir jemand die Möglichkeit gibt, nicht wegrennen zu müssen, sondern freundlich das vorher ankündigt, damit ich die Chance habe, langsam wegzugehen, dann freue ich mich darüber. Also: Ich verstehe das nicht als Schwäche, sondern als neutrale Eigenschaft. Manche Menschen haben entschieden, mit manchen Themen nichts zu tun haben zu wollen.

PS: Ich bleibe trotzdem bei der Auffassung, dass jede/r einen anderen Eindruck von einer Triggerwarnung haben wird - und das finde ich vernünftig und wichtig.

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Da läuft es mir eiskalt den Rücken herunter bei deinem Satz. Du fühlst dich von eine Triggerwarnung belästigt, obwohl sie gar keine Relevanz für dich hast und gehst sogar so weit für andere entscheiden zu wollen, ob sie solchen Input vermeiden dürfen?

Ich habe eine kPTBS mit Erfahrungen von sexualisierter Gewalt im ersten Drittel meines Lebens. Diese lange Zeit hat so tiefe Wunden hinterlassen, die keine Therapie ungeschehen machen kann. Ein verantwortlicher Umgang mit der Krankheit ist daher in der Tat Trigger zu vermeiden, die Flashbacks auslösen, diese wirken über Wochen und beeinträchtigen mein Leben massiv.

Ich habe dank der Triggerwarnung das Thema nicht alleine, sondern mit meinem Mann gehört (mir ist das Thema sehr wichtig und wir kommen beide aus der IT) trotzdem hatte ich letzte Nacht wirklich schlimme Alpträume. Bitte lass Betroffenen die Chance nicht plötzlich völlig dissoziert und in Panik zu sein, da hilft das Ausschalten des Podcast dann auch Null.

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Kann das Thema überhaupt nicht verstehen. Bentzt doch einen Player, bei dem man in Schritten vorspringen kann (15s, 30s). Vielleicht kann man da auch noch eine eigene Kapitelmarke setzen für di Zukunft. Aber 50 Sekunden seines Lebens kann man doch bitte auch eine Triggerwarnung aushalten, die einen selbst nicht betrifft (bei einer Gesamtlänge des Podcasts von oft mehr als 90 Minuten).

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Auch wenn ich nicht direkt betroffen bin: ich höre Podcast vornehmlich beim Autofahren und meine Bluetooth Verbindung hat 10sec Nachlauf.

Schon alleine den Podcast während der Fahrt abzuschalten dauert länger als 10sec, der Nachlauf bedeutet dann auch noch, dass das Thema bereits los gegangen ist.

Sind ja schließlich nicht alle die beim Podcast hören das Mobiltelefon in der Hand haben um direkt abschalten zu können.

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@Corne Sehr interessantes Thema. Ich hatte persönlich zu Trigger-Warnungen bisher keine richtige Meinung. Da sie aber für bestimmte Personen sehr wichtig sind, akzeptiere ich sie aber gerne, im Zweifel möchte ja jeder, dass seine individuelle Situation berücksichtigt wird, um es mal ganz allgemein zu formulieren.

Das du schreibst, dass du Trigger-Warnungen als eine Form von Bevormundung empfindest ist, kam für mich eher unerwartet. Ein sehr interessanter Gedanke, den ich in diesem Zusammenhang noch nicht hatte. Schon dafür lohnt sich dieser Thread, vielen Dank dafür.

Leider kann allerdings die Aussage zur „Vermeidung von ungewollten Input“ nicht ganz nachvollziehen. Überspitzt formuliert, erscheint mir das etwas unsolidarisch.

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Personen die wissen dass sie von Themen getriggert werden schaffen das schon in 10 Sekunden.
Du auch - Autoradio abdrehen kriegst auch du in unter 10 Sekunden hin.
Dann kannst du ja immer noch in Ruhe skippen.

Und Personen die es nicht betrifft halten auch mal 45 Sekunden aus. Die Folgen für die getriggerte Perdon die es nicht schafft sind schlimmer als das persönliche Wohlbefinden wegen 30 Sekunden längerer Wartezeit. Finde diese Einstellung sehr herablassend und weltfremd und macht nicht auch sauer. Ich kenne aus meiner Therapie nämlich Personen mit solchen Erlebnissen und für die können 30 Sekunden mehr oder weniger über einen wochenlangen Zusammenbruch entscheiden.

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Klar wäre eine Möglichkeit. Setzt aber vorraus, dass man weiß was eine Triggerwarnung bedeutet und ich persönlich habe dies heute (hab erst heute angefangen zu hören) das erste mal überhaupt gehört.

Kommt halt davon, wenn man nicht dauernd in irgendwelchen „sozialen Netzwerken“ aktiv ist und jeden neuen Trend oder Hashtag mitbekommt.

Um genau zu sein bin ich ausschließlich bei WhatsApp und auch das nur mit familiären Kontakten alles andere meide ich konsequent.

Aber gut, Erklärungen für alles was du bereits kennst können die beiden ja dann in Zukunft für alle raus schneiden ^^

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Naja, die Studie ist schwierig: Mal abgesehen davon, dass die Befunde auf den meisten Maßen weder Evidenz für noch gegen eine Wirkung gezeigt haben, haben die ja erhoben, wie sich die Menschen fühlen, wenn sie die Triggerwarnung bekommen und den Inhalt dann dennoch rezipiert haben. Ich verstehe ja den Nutzen von Triggerwarnungen dahingehend, dass man dann eben abschalten kann, wenn man weiß, dass bestimmte Inhalte belastend sind.

Ich finde solche Anmerkungen auch als nicht traumatisierte Person gut. Es gibt Inhalte, von denen ich in bestimmten Situationen nichts wissen will, und wenn ich mir das sparen kann, bin ich froh drüber. Inzwischen gibt es auch den Begriff „content warning“, der das von mir aus nicht so stark auf ein konkretes Trauma bezieht.

Naja, Du sagst es ja selbst, das war ja nicht nur die Warnung an sich, sondern sie haben für die Leute, die den Begriff noch nicht kannten, erläutert, was sich dahinter verbirgt. Die Triggerwarnung selbst war ja auch kürzer. Und bei einem Podcast von in der Regel 90 Minuten ist das nun wirklich kein Verhältnis.

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Diese Argumentation lässt mich wirklich fassungslos zurück.

Impliziert sie doch, dass eine Versehrtheit, ein Schutzbedürfnis eine Notwendigkeit ein Makel ist und eine Person tatsächlich herabwürdigt, wenn sie explizit beachtet oder nur angesprochen wird.
Krasse Sache.

Meine Wahlfreiheit ist etwas was ich nicht diskutiere. Schon gar nicht mit jemandem der sie nicht benötigt. da fühle ich mich schnell nicht mehr frei. Sondern eben mit Makel.
Sie „braucht“ ja was.

Jahrhunderte schwarze Pädagogik haben Spuren hinterlassen. Stark = Gut.
Echt jetzt ?

Wir sind so weit weg von Inklusion, Empathie und Gleichwürdigkeit.
Trotz aller PC Debatten muss immer noch jede*r cool mit allem sein. Alles können, alles schaffen, alles sein. und nur noch dies und nur noch das.
Und so ne kleine PTBS, was ist das schon. Da lass ich mich doch nicht von bervormunden.

Es gibt dafür ein Wort. Abspaltung.

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Das Problem wird besonders in meiner Disziplin, der Kommunikationswissenschaft, in letzter Zeit häufiger diskutiert. Genau wie von @Corne beschreiben, kann eine Triggerwarnung sehr bevormundend wirken, auch wenn sie gut gemeint ist.
Jedoch zeigt sich bei gerade bei Menschen mit posttraumatischen Belastungsstörungen, dass sie - auch wenn sie alle Möglichkeiten zum Ausschalten, Vorspulen, etc haben - schon von dem ersten Satz an getriggert werden können. Eine Erklärung des folgenden Inhalts scheint also recht sinnvoll zu sein, auch damit andere entscheiden können ob sie das hören möchten. Auch dieser Punkt wurde hier im Voraus ja aufgebracht.
Eine immer häufiger genutzte Alternative, die beide in der Diskussion genannten Perspektiven einbezieht, ist die Content-Notification (CN). Der Aspekt der Warnung und des Beschützens in dieser Hinsicht „schwächerer Menschen“, wenn man es so möchte, fällt also weg; es wird aber immer noch über potenziell sensible Inhalte verwiesen.
Wäre das vielleicht eine Lösung? :slight_smile:

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Der größere Teil dieser Zeit wurde verwendet, um zu erklären, was eine Triggerwarnung überhaupt ist. Ich selbst kannte den Begriff z.B. noch nicht. Die eigentliche Warnung war dann nur ca. 15 Sekunden. Ich denke also, das war nur diesmal so lange, weil es das erste Mal in der LdN war.

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Ich finde es gut, dass ihr eine solche Warnung platziert habt und finde es auch gut dass ihr erklärt habt was das ist.
Mir ist das bekannt, kann mir aber auch gut vorstellen, dass das bei einigen Hörer:innen ein nicht geläufiger Begriff ist, wie z.B. meiner Oma, die auch gern euren Podcast hört.

Ferner kann die Kritik über die Länge der Warnung null nachvollziehen. Generell schätze ich an der Lage sehr, dass Sachverhalte wirklich genau und detailliert erläutert werden, auch wenn ich das Thema vielleicht schon kenne.

Ich gehe mal davon aus, dass ihr euch nächstes Mal kürzer fassen könnt, sollte ein weiteres Thema einer solcher Warnung bedürfen.

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