FDP - gefährliche Abhängigkeit von Parteispenden?

Hallo zusammen,

es wurde bei euch ja schon oft über die FDP gesprochen, und wie sie eine klima-progressive Politik auch ihren liberalen Wähler*Innen verkaufen könnte. Und es endete immer mit einem Rätselraten, warum sie das nicht einfach macht.

Jetzt bin ich kein Insider und versuche mir das auch nur plausibel zu machen. Ich gehe mal davon aus, dass die FDP nicht völlig inkompetent ist und a) genau weiß, dass die aktuellen Klimaschutzmaßnahmen etwa im Verkehr nicht ausreichen und b) die notwendigen Maßnahmen auch gut verkaufen könnte, wenn sie wollte. Dabei hatte man am Anfang der Legislatur kurz das Gefühl, dass sie wollten. Stichwort „Freiheitstechnologien“. Davon ist jetzt nichts mehr zu hören.

Allerdings frage ich mich, wie stark sich die FDP neben ihren Wählern auch ihren Spenderinnen verpflichtet fühlt, deren Interessen ja durchaus divergieren kann. Nach ihrer letzten Regierungsbeteiligung ist die FDP sogar knapp aus dem Bundestag geflogen. Aber bei der Höhe der Parteispenden sind sie immer recht weit oben gewesen, soweit ich mich an die jährlichen Meldungen erinnere.

Aber wie abhängig ist die FDP von diesem Einnahmen? Da ich keinen Einblick habe, versuche ich Wikipedia zu bemühen. 2013 (aktuellere Zahlen liegen dort nicht vor) [Parteienfinanzierung (Deutschland) – Wikipedia] war der Anteil an Spenden an Einnahmen bei der FDP mit 32% am größten, gefolgt von der CSU mit 30%, die anderen Parteien zum Teil weit dahinter.

Jetzt mal angenommen, ein Großteil der Spender hätte Interessen in der Energiebranche, der Automobilindustrie oder anderen Branchen, die bei der Energiewende Problem bekommen würden. Angenommen in der FDP gebe es Befürchtungen, es drohe ein Einbruch von sagen wir 30% an Spenden, falls sich dieses Klientel von der FDP nicht mehr vertreten fühlt. Wie sehr würde das die FDP bedrohen? Sie hat sich dann möglicherweise eine Strategie übelegt, dass sie die Interessen dieser Klientel so gut wie möglich vertritt und zur Rettung der Umfragewerte dann verbreitete Narrative bedient, die diese Politik stützen oder von ihr ablenken. Immerhin oft mit rhetorischer Rückendeckung einiger reichweitenstarker Medien. Diese Überlegung passt zumindest zu meinem Eindruck, dass der Diskurs aus dieser Richtung wenig von vernunftbasierten Argumenten begleitet wird.

Wie realistisch ist so eine Bedrohung? Gibt es dazu Untersuchungen? Ok, es gibt Listen von Großspenden, die bin ich nicht durchgegangen, da ich viele Namen auch gar nicht einordnen kann. Aber möglicherweise gibt es hier Menschen, die das besser beurteilen können?

Vielleicht wäre das auch unabhängig von der FDP eine Fragestellung für die Lage, wie Parteienfinanzierung in Deutschland funktioniert und wie mit dieser potentiellen Bedrohung für das demokratische System umgegangen wird. Und ob Parteien finanziell in eine Abhängigkeit kippen können, so dass sie für den demokratischen Diskurs zumindest teilweise verloren sind?

s. dazu auch

Hier mal aktuellere Daten aus 2020.

Insgesamt ist die Parteienfinanzierung bei den größeren demokratischen Parteien relativ vergleichbar.
Interessant ist, dass Mandatsträger der „linken“ Parteien (SPD, CDU, Grüne, Linke) in einem engen Korridor von 14%-19% die Parteien finanzieren.
Wenn man nun Mandatsträger und Spender in einen Topf wirft und diese als extrem eng den politischen Parteizielen verbundenen Entitäten versteht, so sind alle Parteien bei etwa 27% (plus minus vier Prozent) ihrer Einnahmen aus diesen Quellen.
Große oder gar problematische Unterschiede sind hier also nicht zu erkennen.

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Warum sollte man Spenden und Mandatsträgerbeiträge in einen Topf werfen? Die Mandatsträger haben das Mandat, weil sie von ihrer Partei entsprechend aufgestellt wurden und deshalb erhebt die Partei sozusagen ein Zwangsgeld, das zurück an die Partei fließt. Das hat ziemlich wenig mit den Parteizielen zu tun und ob man diese nach den Mandatsträgern ausrichten müsste.

Da sehe ich den großen Vorsprung der CSU schon sehr kritisch, als Bewohner des entsprechenden Bundeslands, aber das ist Off Topic.

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Das würde ich insgesamt auf den Bereich Rechts der Mitte ausweiten wollen.
Bei CDU (18%), FDP (17%), AfD (19%) und CSU (28%) haben Spenden einfach eine ganz andere Dimension als bei SPD (7%), Grünen (10%) und Linken (7%). Wir reden hier von mehr als dem doppelten Anteil.

Und das liegt leider daran, dass die Parteien rechts der Mitte eher „wirtschaftsnah“ sind. Wenn das aber, wie diese Zahlen ganz klar zeigen, zu einem massiven wirtschaftlichen Vorteil führt (ja, 15% mehr Mittel zu haben ist ein enormer Vorteil!), ist aus meiner Sicht die Chancengleichheit in Gefahr.

Mir geht es hier weniger um die Abhängigkeit oder etwaige Bestechung, also bewusste Straftaten, sondern eher darum, dass die Unternehmen Geld dafür ausgeben, um die Parteien zu stärken, die ihre Interessen vertreten, was letztlich ein demokratiegefährdendes, plutokratisches Element darstellt.

Das macht wirklich keinen Sinn. Also Mandatsträger sind Mitglieder der Parteien, die einen Teil ihrer Bezüge als Mandatsträger an die Parteien zurückgeben. Hier gibt es daher keine Interessenkonflikte und auch keine Gefahr von Beeinflussung (also Mandatsträger beeinflussen durch ihre Beiträge nicht ihre Parteien in einem negativen Ausmaß) und es ist auch kein Problem der Chancengleichheit der Parteien (weil die Parteien es letztlich selbst in der Hand haben, wie viele Mandatsträgerbeiträge sie erwarten). Im Gegenteil, es ist eher ein Problem, dass die Parteien im linken Sektor so hohe Mandatsträgerbeiträge fordern müssen, um die Spendeneinnahmen der rechten Parteien auszugleichen und damit halbwegs Waffengleichheit im Wahlkampf herzustellen. Denn das ist ein relativ klarer Wettbewerbsnachteil der linken Parteien, weil politische Aktivität in diesen Parteien dadurch unattraktiver wird.

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Danke, das ist ein hilfreicher Link. Beim Vergleich der Parteien komme ich aber auf einen etwas anderen Schluss.

SPD 7%, Linke 7%, Grüne 10%
vs
FDP 17% CDU 18% AfD 19%

Die zweite Gruppe hat einen doppelt so hohen Anteil, wie die erste.

Die CSU mit 28% fällt da noch mal aus dem Rahmen, was möglicherweise auf die Kommunalwahl 2020 in Bayern zurückzuführen ist. Daher wäre ein Vergleich über mehrere Jahre, u.a. mit dem Bundestagswahljahr 2021 nochmal interessant. Mein Beispiel oben von 2013 war ja auch ein Wahljahr.

Die Mandatsträgerbeiträge sehe ich in dem Zusammenhang erstmal nicht als problematisch an (warum?), daher würde ich sie aus der Betrachtung rauslassen.

Weil diese Personen derselben Sphäre sich gegenseitig in ihrer jeweiligen Kontakte-App finden.
Andere Parteifinanzierungsquellenbeteiligte sind relativ weniger direkt vernetzt.

Das sind sie aber nicht wegen der Aussicht auf Spenden, sondern weil eine marktwirtschaftliche Orientierung ihren politischen Überzeugungen entspricht.

Und daher ist es auch kaum verwunderlich, dass Unternehmen eher diese Parteien finanziell unterstützen.

Parteispenden gibt es seit Jahrzehnten in Deutschland ohne dass unsere Demokratie in Gefahr geraten ist.

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Das ist leichter gesagt als bewiesen. Sicherlich ist die Demokratie als System nicht in Gefahr, aber bildet sie wirklich den Willen des Volkes ab, oder gibt es da eine Schieflage in Richtung der unternehmensfreundlichen Parteien?

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Ja, man muss wohl den Kreis der Besorgnis erregenden Parteien auf die Unionsparteien erweitern (die AfD sowieso).

Ich glaube es gibt einen Unterschied zwischen markwirtschaftlicher Orientierung, die die Stärkung der Wirtschaft im Allgemeinen als Ziel hat und einer Politik, die vor allem den Erhalt der Geschäftsmodelle etablierter, spendenkräftiger Organisationen unterstützt - andere ebenfalls die Wirtschaft stärkende Maßnahmen aber außer Acht lässt, weil die profitierenden Unternehmen nicht so einflussreich sind. Sieht man z.B. an der Vernachlässigung der Infrastruktur oder der Hinrichtung der heimischen Solarindustrie.

Wen soll man denn wählen, wenn man konservativ oder wirtschaftsliberal orientiert ist, aber keine Klientelpolitik, sonden vernünftige und zukunftsorientierte Politik möchte? Mag ein subjektiver Eindruck sein, aber ich finde in den Debatten merkt man schon, ob jemand aus marktwirtschaftlicher Überzeugung argumentiert. Fernab von politischem Alltagsgeschehen klingen Politiker oft sehr vernünftig und in sich stimmig (auch wenn es vielleicht nicht meinen Ansichten entspricht), wenn sie dann aber in Verantwortung kommen, handeln sie oft ganz anders und die Argumente klingen hohl und wie aus dem Rhetorikseminar und ich habe nicht den Eindruck, dass sie das wirklich ernst meinen. Und diesen Eindruck halte ich schon für sehr demokratiegefährdend.

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Z.B. die Grünen, oder machen die etwas gegenläufiges?

Das hat wohl auch damit zu tun, dass, wenn diese Politiker auf einmal im Fokus der Presse stehen, sie tunlichst vermeiden wollen etwas zu sagen das ihnen dann falsch ausgelegt wird. Die Kommunikation in der Öffentlichkeit ist ein Minenfeld das die wenigsten unbeschadet verlassen.