Hallo, ich nehme an, das Thema FDP D-Day war sowieso auf eurer Agenda.
Mich würde im Speziellen interessieren, was FDP-Wähler und die FDP-Basis davon halten, genauer gesagt: Warum jetzt noch oder gerade deswegen FDP wählen?
Ihr hattet ja damals auch so eine an FDP-Wähler gerichtete informelle Umfrage gestartet, vielleicht könnt ihr das noch mal machen?
Ich denke was in der Kette der Indizien und Beweise noch fehlt ist der direkte Bezug zu Lindner. Wenn der geht, wäre das eine echte Chance für die Partei sich neu aufzustellen und vielleicht etwas konstruktivere liberale Iiberale Politik zu machen.
Aus Sicht der FDP-Basis ist Lindner der „Held der Partei“, der die FDP eigenhändig nach ihrem Rausflug aus dem Bundestag 2013 wieder 2017 in den Bundestag zurück gebracht hat. Mit seiner neoliberalen Politik.
Es ist daher sehr schwer vorstellbar, dass die FDP auf Lindner verzichtet oder Lindner gar selbst zurück tritt. Und wie solle diese Neuausrichtung der Partei aussehen? Ich sehe keine Nische, die eine „neuausgerichtete FDP“ füllen könnte. So sehr ich die Programmatik der FDP auch ablehne, aber ihre Nische sind leider die Typischen A-Berufe (Arzt, Architekt, Apotheker, Anwalt…), daher die Vielverdiener, die einen „schwachen Staat“ wollen, damit sie wenig Steuern zahlen müssen. Diese Nische wird die FDP nicht aufgeben, denn diese Nische ist in der Tat groß genug, um die FDP relativ konstant über 5% zu halten. Deshalb wird die FDP vermutlich nun eher noch stärker in diese Richtung gehen, um diese Wähler von der Union zurück zu erobern… Eine Neuausrichtung im Sinne von einer „Wiederbelebung des bürgerrechtsliberalen Flügels“ fände ich natürlich politisch wünschenswert, halte sie aber für nicht sehr erfolgversprechend… das wird daher wohl kaum passieren.
Anekdote: Auf LinkedIn schreiben sehr viele FDP-Fans. In deren Bekennerschreiben gilt der D-Day als Heldentat von aufrechten Demokraten, die nur das Beste für unser Land im Sinn hatten.
Das Bild suggeriert Betroffenheit bei den Verantwortlichen, ich würde aber behaupten es ist eher beleidigt sein, dass das Ganze so raus gekommen ist und dass die Verantwortlichen das Heft des Handelns und das Setzen des Diskurses verloren haben. Ich habe, wenn ich die Aussagen der FDP Führung so höre und lese, keine Scham für das Vorgefallene erkennen können. Kein „da sind wir aber zu weit gegangen, das war inhaltlich falsch“ sondern eher ein „blöd dass unsere internen Absprachen so öffentlich wurden“.
Auf der einen Seite gebe ich dir Recht, dass die FDP wenig Alternativen zu Lindner hat. Auf der anderen Seite - falls sich in den nächsten Tagen klar beweisen lässt, dass Lindner federführend die Öffentlichkeit vorsätzlich getäuscht hat - wie soll er dann noch haltbar sein. Zumindest scheint ein Rücktritt auch unter Experten inzwischen nicht mehr ausgeschlossen [1].
Meine Prognose wäre, dass sich diese Nische auftun wird, wenn die CDU in die nächste Regierung geht. Um die auszufüllen, tut sich die FDP natürlich leichter, wenn sie es in den nächsten Bundestag schafft. Gerade bei jungen Menschen kommt der aktuelle Kurs der FDP meines Wissens weniger gut an. Und entsprechend haben die JuLis sich ja auch nicht gerade begeistert zum aktuellen Skandal geäußert [2]
Die Nische wäre: Sozialliberaler Fortschritt. Effizienter Staat, Digitalisierung, Bürgerrechte, Bürokratieabbau, einfache marktwirtschaftliche Mechanismen statt Regulierung. Also genau das, wofür sie laut Lage Analyse von jungen gewählt wurde.
Problem ist, dass die FDP in der Regierung für nichts davon stand. (Und wenn sie es tat, war es destruktiv. )
@ThomasAnderson
Genau das waren meine Hoffnungen in die FDP, leider wurden die nur zu einem marginalen Bruchteil erfüllt. Leider gehen wie in der Lage schon berichtet durch den Bruch der Koalition jetzt viele Vorhaben die die Digitalisierung betreffen mit großer Wahrscheinlichkeit erstmal in die Ablage und eventuell sogar in den Papierkob.
Generell finde ich es auch nicht verwerflich wenn eine Partei zum Entschluss kommt, dass sie nicht mehr in dieser Koalition weiter regieren kann. Jedoch gehört dann auch der Mut dazu, dass man sich mit seinen Partnern an den Tisch setzt und das offen ehrlich und geordnet kommuniziert und die Koalition dann beendet.
Einen Rauswurf durch Verschleppung und Blockadeaktionen zu provozieren ist der falsche Weg und führt für mich zu einem klaren Schluss was die handelnden Personen in der Partei betrifft.
Die subjektive Erfahrung zeigt, dass die FDP bei jeder Wahl genau diese Nische versprochen hat und an der Macht genau diese Nische dann nicht bediente, obwohl sie es konnte.
Ich wähle schon ein paar Jahrzehnte in Deutschland mit und wäre eigentlich genau in der Zielgruppe für diese Nische, weshalb mich die FDP auch bei jeder Regierungsbeteiligung aufs Neue enttäuscht hat. Auch bei der Ampel hatte ich ehrlich geglaubt, dass diese drei Parteien ein Dream-Team für eine kraftvolle Energie- und Wirtschaftswende weg von staatlich subventionierter fossiler Energie in Deutschland sein werden. Und wer hat’s verbockt? Die FDP.
Nach meinem Erleben pflegt die FDP eine freiheitlich-liberale Maske gegenüber den Wählern, ist aber dahinter libertär (Bürokratieabbau nicht als Effizienzsteigerung, sondern als „Befreiung“ von Unternehmen zur gezielten Umverteilung von negativen sozialen, wirtschaftlichen und Umweltfolgen auf uns alle). Die FDP behauptet, Subventionen aus Prinzip abzulehnen, ist dann aber erstaunlich flexibel darin, welche Subventionen sie behalten will, wie z.B. jene für E-Fuels oder Atomkraft. In ihrer offenen Fehde gegen den Sozialstaat („Starving the Beast“) ist die FDP letztendlich menschenfeindlich.
Warum also sollten sie sich zur nächsten Wahl reformieren können, wenn sie dies seit Jahrzehnten nicht tun und damit immer wieder durchgekommen sind?
Ich glaube, im Moment versucht wohl Volt diese oben beschriebene Nische zu füllen. Die FDP kann und will das offensichtlich nicht. Da hat sich spätestens seit der Parteiwende in den 80er Jahren gezeigt, dass die FDP keineswegs so progressiv ist, wie sie sich manchmal gibt und dass ihr sozialliberaler Teil wenn überhaupt nur noch im Wahlkampf hervorgehoben wird. Auch die bekannteren sozialliberalen Einzelpersonen (Gerhard Baum, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Konstantin Kuhle, Gyde Jensen) ändern nichts daran, wie die Mehrheit der Partei aufgestellt ist.
Zunächst einmal finde ich es schade, dass die Ampelkoalition so zu Ende gegangen ist. Meiner Meinung nach war sie die beste Bundesregierung, die ich persönlich je erlebt habe – zumindest, wenn man allein die Ergebnisse betrachtet. Natürlich war sie auch eine chaotische Truppe, und leider war die FDP daran nicht selten beteiligt. Gleichzeitig muss ich aber sagen, dass Olaf Scholz als Kanzler ebenfalls vieles schuldig geblieben ist. Seine Führungsqualitäten, die er immer versprochen hat, konnte er in meinen Augen nicht unter Beweis stellen. Und wenn ich an sein Verhalten in der Cum-Ex-Affäre denke, erscheint er mir als einer der unglaubwürdigsten Kanzler, den die Bundesrepublik je hatte.
Zur aktuellen Situation der FDP:
Aus der Sicht der Parteiführung kann ich nachvollziehen, warum man sich für den jetzigen Kurs entschieden hat. Ein klar liberaler Wahlkampf könnte tatsächlich dazu führen, dass wir wieder deutlich mehr Zuspruch erhalten, als es in den letzten Jahren der Fall war. Dennoch bin ich der Meinung, dass eine sozial-liberale Kommunikation, basierend auf den Werten der FDP, schon in den letzten Jahren mehr Erfolg hätte bringen können.
… (Teil gel. - Aufzählung von Pro-FDP-Punkten aus Sicht des Autoren ähnelt zu sehr Wahlwerbung)
Neee, die Länge der Ausführungen mit pauschalen wahlwerbungsähnlichen Behauptungen ist keine wirkliche Antwort auf die Frage. Sie hätte diesen Thread gesprengt, da mehrere Diskussionsstränge entstanden wären, die die Behauptungen hinterfragt hätten.
Die im Eingangspost gestellte Frage war als Themenvorschlag an die Hosts des Podcasts gerichtet und wurde, was den betr. Beitrag betrifft, letztlich durch die ersten Absätze der Antwort bereits beantwortet. Gerne können differenzierte positive Ansätze der FDP genannt werden, aber keine unbelegten Behauptungen, die den bisherigen Erfahrungen mit dieser Partei in den letzten drei Jahren widersprechen.