Hallo zusammen.
Ich genieße eure fundierte Journalistik und bin sehr glücklich, diesen Podcast gefunden zu haben.
Bezüglich der FDP Kritik finde ich, dass der eigentliche Skandal doch noch nicht zur Sprache gekommen ist:
Die FDP hat, und da ist sie leider nicht alleine, durch ihr Verhalten durchblicken lassen, dass ihr eine konstruktive Politik (in der Koakition) weniger wert ist als das Schärfen ihres eigenen Profils.
Selbst wenn man die Klientelpolitik für Reiche, die sowieso schon ein gewisses Maß an Rücksichtslosigkeit erkennen lässt, mal ausser Acht lässt:
Wir brauchen in Deutschland und nicht nur bei uns zur Bewältigung der zukünftigen Herausforderung konsensorientierte Politik zum Wohle aller.
Wenn eine Partei deutlich erkennen lässt, dass sie das nicht verfolgt, dann verdient sie nichts Besseres als von jeglicher politischen Berichterstattung kritisiert, wenn nicht sogar zerrissen zu werden.
Es lohnt sich, diesen eigentlichen, selbstverständlichen Gedanken des Grundgesetzes, zum Leitbild für Politik und Presse zu erklären. Das ist der Weg raus aus dem europaweiten und weltweiten Rechtsruck.
Sehr deutlich wird das, wenn sie nun den vorher verbissen erkämpften Ausgleich der kalten Progression aus wahltaktischen Erwägungen ablehnt. Also wenn sogar angebliche Herzensthemen der eigenen Partei lieber blockiert, als zu riskieren, dass das nicht aufs eigene Konto einzahlt…
Lindner argumentiert, dass in dem Gesetzespacket zur kalten Progression noch andere Sachen drin stehen würden, denen er jetzt nicht mehr zustimmen könnte. Was genau in dem Packet drin steht hab ich bis jetzt aber leider noch nicht gelesen. Und er sagt man wolle die kalte Progression nach der Wahl rückwirkend anpassen
Auf der anderen Seite könnte man natürlich auch Fragen, warum die SPD plötzlich die kalte Progression gefühlt als das wichtigste Thema darstellt, das unbedingt noch vor der Wahl gelöst werden muss?
Ja klar. Wenn es eines gibt, was man der FDP über die Regierungszeit hinweg wirklich nicht unterstellen kann, dann Zuverlässigkeit ihrer Zusagen und Versprechen. Wenn man Ausreden und Versprechen glauben will, kann man immer was finden. Aber hat diese Partei so einen Vertrauensvorschuss noch verdient? Wenn die FDP die Kalte Progression vorher so dringend wollte, dass sie bestimmte Kompromisse machen wollte, dann doch hoffentlich nicht einfach nur, um in der Regierung zu bleiben, sondern weil es ihr in der Abwägung gut für das Land erschien. Dann ist das Ende der Regierung kein Grund, das nun nicht mehr mitzutragen. Oder es ging der Partei, die jetzt ernsthaft verkaufen will, dass sie ja bereit war, für ihre Überzeugungen aus der Regierung auszutreten, am Ende doch um anderes.
Dass die Regierungsparteien versuchen, noch möglichst viel Programm durchzubringen, finde ich nicht fragwürdig. Natürlich ist es gemein für die FDP, weil sie da vorgeführt wird, aber wie man sich bettet, so liegt man.
So Teufelszeug wie Erhöhung des Kindergeldes, eine privilegierte Abschreibung für E-Autos und eine degressive Abschreibung zur Investitionsförderung von Unternehmen allgemein.
Die FDP will jetzt nur noch die Teile umsetzen, die sie gut findet - und zwar am liebsten noch vor der Wahl.
Edit:
Am 15.11. schreibt der Spiegel und zitiert Lindner:
Wenn das so ist müsste man die Gegenfrage stellen, ob SPD und Grüne aus taktischen Gründen der FDP den schwarzen Peter zuschieben statt nur die kalte Progression einzubringen.
Wenn man das Problem der kalten Progression ernsthaft angehen will, kann man vor dem Einbringen in den Bundestag bei den anderen Parteien anklopfen und statt gesamter Pakete auch nur Ausschnitte daraus einbringen. Und dem Teilaspekt würde die FDP zustimmen. Also wenn die SPD und Grüne diesen Weg nicht mitgehen, sind sie mindestens genauso destruktiv nach dem Ampelende wie die FDP - bezogen auf Umsetzung von Gesetzen.
Das Paket, das man zu dritt ausgehandelt hat, dem alle drei Partner zugestimmt hatten, nun dem einen Partner der permanent sabotiert, nicht noch mehr maßzuschneidern, als ohnehin schon, ist also genauso destruktiv, wie das Paket das man selbst ausgehandelt hat (wie dutzende andere Vereinbarungen in den letzten 3 Jahren) nun aus parteitaktischen Erwägungen doch lieber zu blockieren? Überzeugt mich eher nicht so.
Ich bin da zwiegespalten. Vor kurzem war ich in einer entfernt vergleichbaren Situation.
Als (in-house) Berater habe ich lange und gut in einem Projekt gearbeitet. Nach mehreren Jahren im Team gab es eine menschliche Differenz mit dem Hauptbeauftrager des Projekts. Er hat über mich und meinen Fachbereich bewusst Lügen erzählt, um selbst größer dazustehen. Wir haben das im Vier-Augen-Gespräch geklärt, er hat sich für seine verbalen Entgleisungen entschuldigt und erklärt, mich auch weiterhin mindestens noch ein halbes Jahr beschäftigen zu wollen. Zwei Arbeitstage später erklärte er mir, mich zu übermorgen aus dem Team zu werden weil er das Team vor unserem Konflikt schützen müsse. Im Team erzählte er Bullshit über mein Ausscheiden. Ich durfte nicht einmal selbst Stellung beziehen. Das war für mich ein ganz schöner Hammer, aber er hat das Sagen und als Berater habe ich das zu schlucken, so wie ein Handwerker wenn der Kunde ihn verflucht. Dennoch bringen mich sicher keine 10 Pferde dazu ihm noch einmal zu helfen, vor allem da er dann begann in seinem Umfeld mich noch schlecht zu machen.
Das Verhältnis Lindner und Scholz ist ähnlich, nur um Faktor 10 im Alphamännchen Quadrat höher. Lindner fühlt sich zu Unrecht von Scholz vorgeführt. Er hatte ja schließlich selbst die Auflösung der Ampel vorgeschlagen und dann verliest der Kanzler plötzlich eine vorbereitete und unprofessionelle Abrechnung über ihn?
Damit hat sich der Preis für ihn massiv geändert zu dem er den Kanzler bereit ist zu unterstützen. Das mag zwar destruktiv sein, aber ist auch menschlich. Wäre Scholz dem Vorschlag von Lindner gefolgt hätten sich vielleicht alle weiter in die Augen sehen können und die Maßnahmen wären noch umsetzbar gewesen.
Das kannn man glauben, aber alle Indizien weisen hier auf einen bewussten Sabotagekurs der FDP seit längerem hin, von daher denke ich nicht, dass Scholz hier „Bullshit“ erzählt hat, sondern mutmaßlich noch am unteren Ende dessen lag, was er hätte sagen können. Dass Lindner jetzt eben auch diesen ausverhandelten Kompromiss ob aus Parteitaktik oder persönlichem Beleidigtsein, platzen lässt, passt in das Verhalten der letzten drei Jahre, von daher denke ich nicht, dass das mit deiner persönlichen Erfahrung gut vergleichbar ist. Grade die Kommunikation der letzten Wochen lässt erahnen, mit was für Leuten SPD und Grüne sich rumschlagen mussten. Das entscheidende Problem waren mMn nie die inhaltlichen Differenzen, sondern dass Grundtugenden funktionierender Zusammenarbeit von der FDP spätestens seit Anfang 23 permanent verletzt wurden. Ich persönlich höre mir Leute aus der FDP Führung mittlerweile an, wie Vertreter Russlands: Ich gehe davon aus, dass sie lügen, bis das Gegenteil bewiesen ist.
Die Regierung muss sich für ihre Vorhaben Mehrheiten suchen - egal wie diese zustande kamen. Durch die Auflösung der Ampel ist es also nicht mehr selbstverständlich, dass Dinge durchgehen. Wenn man also vorher nicht mit anderen Parteien (CDU, FDP) spricht, bevor etwas in den Bundestag geht, muss man von einem Scheitern ausgehen. Wieso bringt man also als Politikprofi in dem Wissen um
diese Tatsache Dinge unabgestimmt ein?
Es gibt zwei plausible Erklärungen: als Statement man wolle aber der andere ziehe nicht mit.
Oder Prinzip Hoffnung - aber das wäre in dem Kontext unprofessionell.
Nun unterstelle ich SPD und den Grünen nicht Unprofessionalität - also ist es taktisch motiviert.
Nun unterstelle ich SPD und den Grünen nicht Unprofessionalität - also ist es taktisch motiviert. Egal, ob das so ist, geht es ja hier um die FDP. Und deren Verhalten ist nun schon länger offensichtlich (ausschließlich) von Parteitaktik und Sabotage geprägt, was sich hier nur einmal mehr zeigt: Entweder ist man der Meinung, kalte Progression ausgleichen ist megawichtig für das Land und deswegen ist man bereit, bestimmte Dinge im Paket damit umzusetzen. Dann ändert sich daran genau nichts, nur weil man nicht mehr Teil der Regierung ist. Oder es war von Anfang an eine Shownummer, aber eigentlich egal, dann kann man das natürlich blockieren. Rot-Grün waren an dem Paket vielleicht andere Dinge wichtiger, als die Kalte Progression, aber meines Wissens haben sie es genauso eingebracht, wie die FDP es vorher zugestimmt hatte. Kann sein, dass sie die FDP damit vorführen wollten, aber sie konnten damit ja nichts zeigen, was nicht tatsächlich da ist.
Ich bin wirklich kein Fan der FDP, aber diese Sichtweise, dass der Lindner-Club als einziger auf seine eigenen Interessen fokussiert ist, während alle anderen altruistisch im Sinne des Allgemeinwohls handeln, nervt mich schon etwas. Natürlich kann man wie ein Kleinkind darauf beharren, dass das Paket ja nun mal abgestimmt war, aber es bringt halt nichts. Ich würde keine 5 cent darauf verwetten, dass SPD oder Grüne sich im umgekehrten Fall noch an eine solche Absprache gebunden fühlen würden. Es hat einen Bruch der Koalition gegeben und das führt genau zu der Konsequenz, die Christian beschrieben hat: Für jeden Gesetzentwurf müssen sich die Abgeordneten (oder meinetwegen auch die amtierende Regierung) eine Mehrheit zusammenbasteln. Dass die FDP das nicht „umsonst“ macht, sondern dafür Gegenleistungen will und vor allem daran interessiert ist, sich im Wahlkampf zu profilieren, ist doch völlig normales parteipolitisches Verhalten. Auch SPD und Grüne verfolgen ja ausschließlich noch Gesetzesvorhaben, von denen sie denken, dass sie damit am 25. Februar gut dastehen. Das mag man zurecht blöd oder kurzsichtig finden - aber ein Alleinstellungsmerkmal der FDP ist es nicht.
Man könnte ja auch sagen, dass es nun an SPD und Grünen wäre, die neue Situation so auszuspielen, dass die FDP dabei möglichst alt aussieht und im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten ist. Das gelingt aber m. E. nicht, wenn man mehr oder weniger trotzig darauf beharrt, dass sie ja nicht mehr fair mitspielen wollen, obwohl sie das mal gesagt haben.
Ehrlich gesagt ist das einzig erwartbare Vorgehen dass das in die nächste Periode geht.
Aus Sicht der FDP muss man sich aber schon fragen, ob man erwartet, dass Union/SPD oder Union/Grüne ein für FDP-Wähler besseres Paket schnüren werden als das, das die Ampel unter Federführung von Christian Lindner ausgehandelt hat.
Nicht erst durch die Auflösung der Ampel war es nicht mehr selbstverständlich was den Bundestag passiert. Schon seitdem das Bundesverfassungsgericht der Koalition die fiskalische Grundlage durch ihr Urteil genommen hat, konnte man eigentlich alles zuvor Vereinbarte in der Pfeife rauchen. Nach Ricarda Lang (ich finde leider gerade den Beitrag auf X nicht) wollte die Lindner-FDP zu diesem Zeitpunkt der Koalitionsvertrag nachverhandeln, was man jedoch ablehnte. Ich denke, dass war ein Fehler. Von Haus aus ist die FDP mit ihrer Position etwas weiter entfernt von Grünen und SPD, vllt. war auch ein wenig Trotz im Spiel aufgrund der abgelehnten Nachverhandlung, aber letztlich waren Konflikte (und Ampelende) vorprogrammiert. Der FDP jetzt 3 Jahre Blockieren, Taktieren, Sabotage und Destruktion (diese Worte liest man oft hier und in ausgewählten Medien) vorzuwerfen, halte ich, bei aller unsauberen Verwerfungen am Ende, für übertrieben.
Zunächst ist offensichtlich, dass die FDP die Ampelkoalition sabotiert hat. Es scheint Fakt sein, dass sie aus der Koalition aussteigen wollte, und dies war sicherlich ein Grund dafür, dass Lindner keine kreativen Buchhaltungstricks zur Lösung des Haushaltsdefizits finden wollte.
Mein Statement galt jedoch ausschließlich der endgültigen Trennung, die der Kanzler vollzogen hat, und den Folgen, die diese meiner Meinung nach mit sich bringt. Ich habe viele politische Einschätzungen zu diesem Ereignis gehört, die in Podcasts von progressiv über liberal bis konservativ reichen. Abhängig von der sozialen Stellung und dem politischen Weltbild gab es viele Bewertungen von Scholz’ Aussage, von „absolut unprofessionell“ bis „erfrischend ehrlich“. Ich habe jedoch von niemandem gehört, dass die Inhalte nicht berichtenswert seien. Vielmehr hat Scholz dargelegt, was er erlebt hat, ohne etwas zu verschweigen oder Unwahrheiten zu erzählen. Hast du für deine Vermutung zufällig eine Referenz, oder ist es nur ein Bauchgefühl?
Das Beleidigtsein beschreibt meine Position schon, denn ich sage nach meinem Erlebnis über meinen früheren Auftraggeber, „Kumpel, dir helfe ich sicher nicht nochmal um 23:30 wenn dein Arsch komplett auf Glatteis ist.“. Und das ist eben was hier möglicherweise (sind wir ehrlich, wir wissen alle nichts sicher) ein Thema ist. Die Abrechnung war ungewöhnlich. So etwas tut man einfach nicht, egal ob es inhaltlich gerechtfertigt ist oder nicht. Es war lediglich eine PR-Aktion von Scholz. Der Auftakt des Wahlkampfs:
Olaf, der Macher, hat endlich gehandelt.
Olaf, der Respektkanzler, schützt die sozial Benachteiligten vor einem neoliberalen Saboteur.
Olaf, der Kommunikationsexperte, spricht endlich Klartext.
Lindner wird es sicherlich übelnehmen, dass Scholz ihn so gezielt und berechnend (siehe vorbereitete Reden) aus wahlkampftaktischen Gründen bloßgestellt hat.
Ich kann nachvollziehen, wie es sich anfühlt, bloßgestellt zu werden, nur damit sich jemand anders als der große Held präsentieren kann, der den großen Gegner des Teams besiegt hat. Das ist unwürdig.
Hast du Lindners Stellungnahme gesehen? Er war so emotional betroffen, dass er Tränen zurückhalten musste. Seine Eitelkeit wurde stark verletzt. Für jemanden, der sich als Alphatier sieht, gibt es kaum etwas Schlimmeres. Und natürlich wird er nun den Preis für jede weitere Unterstützung des Kanzlers in die Höhe treiben.
Klar, damit muss Lindner leben. Aber die Position ist menschlich.
Egal, ob es nun Wahlkampftaktik oder verletzte Eitelkeit ist, ich stimme hier nicht zu. Angela Merkel war bspw. von der Bedeutung deutschen Klimaschutzes auch für das Land überzeugt. Und doch hat sie die nötigen Dinge aus rein rationalen Überlegungen (Wahlkampftaktik) nicht gemacht. Unsere Bundespolitiker machen meines Erachtens schon lange nicht mehr das Richtige wenn es den Falschen nutzen könnte. Die Abschaffung der kalten Progression würde vor allem Scholz helfen. Ergo wäre es rational unclever von der FDP hier zuzustimmen.
Und wenn es doch eher menschelnde Gründe sind (verletzte Eitelkeit), dann ist gleich doppelt nachvollziehbar, warum die FDP die Unterstützung zurück zieht.
Zusammengefasst halte ich die Situation einfach für komplett verfahren. Scholz hat sich verkalkuliert. Er wollte die Ampel mit einem Wahlkampfmove sprengen und dann mit einer Minderheitenregierung die nötigen Gesetze durchbringen. Dabei ging er offensichtlich davon aus, dass entweder Fritze ihn hofiert oder Lindner seiner Klientel zuliebe mitspielt. Fritze erkennt aber, dass Scholz’ Untätigkeit vor allem Scholz schadet und manches auch bis nächstes Jahr warten kann. Und Lindner ist bei der FDP trotz miserabler Umfragewerte so fest im Sattel, dass er Scholz’ Kurs für kleine Kuchenkrümel anscheinend nicht um jeden Preis unterstützen muss und vermutlich auch nicht will.
Für mich ist Lindner ein schädlicher Narzist und Scholz völlig talentlos oder extrem schlecht beraten. Ohne Habeck sähe ich Schwarz.
Warum? Wie ich schon woanders geschrieben hatte, kann man die auch später noch beschließen und im November alle Löhne nachberechnen lassen. Man kann es sogar über die Steuererklärung gerade ziehen, wenn nötig.
Es steht nichts in dem Papier, was der SDP wichtig ist. Die Grünen wollen vor allem das Kindergeld, Habeck und sein Ministerium die degressive Abschreibung. Es geht um ein paar Euro, je Großverdiener, je mehr. Keiner wird deshalb ins Existenzminimum rutschen. Wer da schon ist, profitiert von der Änderung eh nicht.