Fachkräftemangel wegen Unvereinbarkeit von Familie und Beruf

Ich habe gerade folgenden sehr treffenden Kommentar gelesen:

Leider trifft es der Kommentar sehr gut. Man bekommt Kinder obwohl man in Deutschland konsequent benachteiligt wird. Meine Frau und ich waren dabei auch noch so naiv, die Elternzeit gleichberechtigt aufzuteilen. Wir wollten eben beide nicht nur Mama und Papa sein, sondern auch beide berufliche Vorbilder sein. Hierbei wird einem schon bürokratisch das Leben schwer gemacht.

  1. Elterngeld
    Der Antrag ist für nicht Muttersprachler und ohne akademische Vorkenntnisse nicht auszufüllen. Hinzu kommt, dass es nur vom Netto berechnet und trotzdem nochmal mit der Steuererklärung nachversteuert wird.

  2. Aufteilung der Rentenpunkte
    Wir haben beide einen höheren Wirtschaftsabschluss und sind kläglich gescheitert. Wir mussten im Ministerium anrufen und selbst dort konnte nur ein sehr kleiner Teil diesen Antrag ausfüllen. Um den anschließenden Bescheid zu verstehen mussten wir erneut anrufen.

Nun kommt der Punkt Fachkräftemangel. Durch diese Hürden und die gesellschaftliche Reaktion ist es extrem schwer Beruf und Familie zu verbinden, besonders als Frau. Meine Frau musste sich schon während der Schwangerschaft zig mal rechtfertigen weil sie ja ihr Kind „verlassen“ würde. Dies kam besonders von anderen Frauen sehr sehr oft. Ihr Arbeitgeber kam überhaupt nicht damit klar, dass sie direkt nach dem Mutterschutz arbeiten wollte. Nun soll unser kleiner in eine U2 Betreuung, was wohl für viele bedeutet wir wollen unser Kind los werden. Wir versuchen jetzt mit unseren Arbeitgebern rauszuhandeln, dass wir beide um 10 Stunden auf 30 Stunden an nächsten Jahr reduzieren. Wir wollen eben beide unsere beruflichen Aufstiege nicht einfach hergeben, was schon allein finanziell nicht geht.

Leider trifft dies meistens die Frauen, da nicht jeder wie wir denkt, besonders Männer. Natürlich spielt da auch der Gehalts Gap rein. So drängen wir Frauen durch rückständige konservative Ansichten aus der Arbeitswelt. Leider passiert hier zu wenig. Ich hoffe ihr könnt das Thema einmal angehen.

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Da ich beruflich viel mit Behörden und deren Formularen, mit Ausschreibungen und Förderanträgen zu tun habe, und neben dem Uni-Abschluß noch Amtsdeutsch als zweite Fremdsprache gelernt habe, kann ich zu dem beiden Punkten Anträge und Rentenpunkte nur sagen: Stimmt.
Oft gehörte Begründung von Behördenseite: Alle Anträge, Verordnungen und ähnliches müssen so rechtssicher formuliert sein, das man der Behörde juristisch nicht ans Bein urinieren kann. Folge: Aufgrund der kreativen Optionen der deutschen Sprache versteht das geschriebene Wort kaum einer - selbst die Behörden nicht.

Zum Fachkräftemangel: aufgrund der zumeist noch sehr starren und „konservativen“ Arbeitsregeln vieler Betriebe (Arbeitszeit, Präsenz vs Homeoffice, Gehälter, etc) machen sich viele Arbeitgeber einerseits nicht allzu attraktiv für Bewerber, machen es andererseits schwer, interessierten Frauen, Alleinerziehenden oder Teilzeit-Interessierten den Einstieg zu ermöglichen.
Es wandelt sich da durchaus viel, aber langsam und sehr branchen- und unternehmensabhängig. Doch der deutsche Hang zur fehlerlosen Perfektion macht es nicht einfach.

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Was es dann natürlich absurd macht eine Rente mit 70 und höhere Arbeitszeiten zu fordern.

Und auf Grund der viel zu hohen Zahl an Juristen in der Politik wird es nicht besser. Man könnte meinen die wollen sich Arbeit sichern für die Zeit nach der Politik.

Ich glaube, dass viele AG einen großen Teil dazu beitragen, dass das Arbeiten in ihrem Unternehmen unattraktiv ist. Viele Arbeitgeber glauben immer noch, sie sitzen am längeren Hebel (zumindest die deutschen AG).
Allerdings grenzen viele Forderungen der AN an einem Realitätsverlust. 25-Stunden-Woche, Anspruch auf 100% HomeOffice natürlich auch im Ausland, Firmenwagen…bei gleichem Lohn (sind nur einige Dinge, die ich in den letzten Monaten erlebt habe).
Natürlich kann man deutlich bessere/längere Möglichkeiten zur Elternzeit einführen. Das kostet aber Geld. Das zahlen dann die Anderen (meist Besserverdiener). Und dann kommen wir zum Braindrain, dem mMn deutlich größerem Problem in Deutschland.

Das ist natürlich sehr komplexes Thema, zumal die emotionale Seite der Eltern Kinder zu bekommen gegen rationale finanzielle Zwänge abgewogen werden muss.
Wir haben uns gegen Kinder entschieden, vorrangig nicht aus monetären Gründen, sehen aber gerade vor allem jetzt in den schwierigen Zeiten, wie viel leichter wir es haben.
Im Artikel wurden ja auch Punkte angesprochen, die sich in den letzten Jahren verbessert haben, auch wenn sie wie die bürokratischen Beispiel von dir im Handling noch nicht gut sind, es verbessert sich doch einiges.
Auch wenn es keine Rechtfertigung sein kann, dass es noch genug Punkte gibt die vorrangig Frauen immer noch gesellschaftlich benachteiligen, im internationalen Vergleich gibt es viele Länder wo Frauen immer noch so gut wie keine Rechte haben und wenn wir einen historischen Vergleich mit der Generation unserer Eltern & Großeltern anstellt, liegen da Welten dazwischen - z.B. bis 1977 durften Frauen in D ohne Zustimmung des Ehemanns nicht arbeiten.

Die Ansätze mit längere Wochenarbeitszeit, bzw. höheres Renteneintrittsalter halte ich eher für Teil des Problems als Teil der Lösung.
Vor ein paar Tagen gab es einen Bericht über ein Handwerksbetrieb, der die 4-Tage-Woche eingeführt hat mit dem Ergebnis, mehr Umsatz und mehr Mitarbeiterzufriedenheit.

Hier fehlt es aber noch in zu vielen Betrieben an Mut, ihr Arbeitszeitmodell neu zu denken.
Wundern sich aber, das wenn sie das gleiche machen wie vor 20 Jahren dass sie für neue Mitarbeiter nicht attraktiv sind.
Ich bekomm das viel von Kunden als Feedback bei der Mitarbeitersuche, dass nach einem Vorstellungsgespräch kommt: „Ich melde mich bei Ihnen“ von Seiten des Bewerbers :wink:

Neue Arbeitszeit-Modelle haben ganz sicher die Chance, Familie & Beruf besser zu verbinden und für beide Seiten attraktiver zu gestalten.

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Danke für deine tolle Rückmeldung und die Sicht als bewusst kinderloses Paar. Ich finde das Argument mit anderen Ländern in Bezug auf Frauen und Kinder immer schwierig. Es ist das letzte Argument rückständiger, konservativer und Frauen-feindlicher Parteien wie der Union. Es darf einfach nicht mehr sein, dass Kinder ein gravierender Nachteil für Familien, besonders die Frauen sind, besonders im Hinblick auf den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel.

Was ich am schlimmsten finde, ist die Diskrminierung von Frauen untereinander. Weil meine Frau direkt wieder arbeiten war wurde ihr sehr oft von Frauen gesagt wie sie denn ihr Kind verlassen könne. Das war sehr hart und tränenreich.

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Kein Thema gern, auch wenn wir viele Problem dies bzgl nur vom hören sagen kennen, diskutieren wir oft, wie es wäre wenn wir uns anders entscheiden hätten und versuchen uns dabei in die Situation der Eltern zu versetzten.
Wir sehen das auch noch im Bekanntenkreis, dass es immer noch Frauen gibt, die sich bewusst in die finanzielle Abhängigkeit von ihrem Ehemann begeben.
Wir können beide die Motive dahinter nicht nachvollziehen, da unsere Beziehung von Anfang an auf Augenhöhe war und keiner vom anderen abhängig sein wollte, gerade für den Fall das Beziehungen zerbrechen.
Wir sehen das aber auch bei in unserem beruflichen Umfeld, dass Frauen gerne nach dem ersten Kind sich in der Mutterrolle so wieder finden, dass sie den eigentlich geplanten Wiedereinstieg in ihren Beruf verschieben.
Egal aus welchem Grund, macht es das für AG auch nicht einfacher und in Zeiten, wo sich Arbeitsumfelder heute in einem Jahr so stark verändern wie früher in 10 Jahren, macht es das für die Frauen nicht einfacher.

Das war nicht als Rechtfertigung gedacht, sondern als Kontext zu dem wo auch wir in Deutschland vor nicht so vielen Jahren standen bzw. in welch wirklich schlechter Position Frauen sich befanden.
Die Rolle der Frau in der Gesellschaft und im Beruf kann man sicher durch gesetzliche Rahmenbedingungen verbessern, die eigentliche Veränderung muss aber in den Köpfen passieren und das braucht leider immer etwas mehr Zeit als gerade Betroffene sich wünschen.
Und auch wenn ich alles andere als ein Fan konservativer Werte & Politik bin, das Frauen per se im linksgrünen Spektrum uneingeschränkt besser dastehen, da habe ich meine Zweifel.

Das sehen wir auch. Aber auch Männer, die sich bei der Elternzeit nicht durchsetzen. Beides für uns unverständlich. Leider sind das die Subjekte, die am herablassendsten sind. Eigentlich sollten viele Frauen meiner Frau danken, dass sie diesen Kampf gerade führt.

Aber unabhängig davon müssen Familien in Deutschland besser gestellt werden. Denn der einzige (dafür enorme) Mehrwert ist das Kind, nicht die Rahmenbedingungen.

Nun ja, arbeitsmarktpolitisch und karrieretechnisch werden besonders in Deutschland Kinder als Manko betrachtet, was dszu führt, das sich auch viele Paare überlegen, ob sie sich diese „Einschränkung“ antun wollen. Nicht kritisch gemeint, sondern als bewusste Entscheidung betrachtet.
In der Presse heute morgen die Info, das bis 2036 rund 13 mio Arbeitskräfte der Boomer-Jahrgänge bis 1967 in Rente gehen und dem Arbeitsmarkt fehlen werden, da aus den jüngeren Jahrgängen deutlich weniger nachkomnt - aus oben genannten Gründen.
Reaktion der AG und Politik:" wir brauchen ausländische Fachkräfte".
Jetzt auch keine langfristig grdachte Strategie, auch in bezug auf Familienfreundlichkeit.
Zudem, wie schon genannt, gibt es teils sehr konservative Einstellungen seitens der AG („soviel wie Sie bei mir arbeiten müssen, da brauchen sie nicht viel Geld. Haben sie eh keine zeit, es auszugeben.“) Und teils selbstbewusste Forderungen junger AN. Oft nicht ganz zu unrecht, manches wird aber auch so vorgelebt.
Deutschland speziell fehlt da noch der Wille, mal pber den Tellerrand des Gestrigen zu schauen.

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Dieses Beispiel ist leider denkbar schlecht. Wir haben seit Jahren einen Handwerkermangel. Als Handwerker kann man praktisch jeden Preis aufrufen und man ist dennoch voll ausgelastet. Und wenn jemand von einem gestiegenen Umsatz spricht, bekomme ich extreme Bauchschmerzen. Es gibt zur Zeit mit Sicherheit einige Nachholeffekte und höhere Kosten für Produkte DL. Das dürften die wichtigsten Treiber für einen gestiegenen Umsatz sein.

ist das hier ein Synonym für „mehr Geld“?

Die Arbeitsbedingungen unattraktiv zu gestalten, ändert aber nichts am Fachkräftemagnet.
So wie die Mitarbeiter und Inhaber das in dem Bericht geschildert haben, kann das schon ein Modell sein, junge Menschen die noch vor der Berufswahl stehen für das Handwerk zu interessieren.
Den Handwerkermangel zu beheben, in dem das Handwerk das macht was es die letzten Jahrzehnte bzgl. des Arbeitsmodell gemacht hat, da kann man sich auch Titanic anschauen und hoffen, dass sie dieses mal nicht untergeht. :wink:

Auch als Kunde käme mir eine grundsätzlich ein 4-Tag-Modell, wo der Handwerker nach 16 Uhr auch noch Termine macht, für kleine Sachen sehr gelegen.
Aktuell sieht es durch alle Handwerker-Branchen die bei uns anfallen so aus, dass eigentlich keiner mehr nach 16 Uhr vorbei kommen will, wenn es kein Notfall ist.
Als Kunde muss man eigentlich schon fast Urlaub nehmen, wenn man einen Handwerker-Termin hat.

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Natürlich auch Lohnausgleich und höheres Kindergeld, aber eben auch bessere Betreuung.

Ich habe absolut nichts gegen dieses Modell und jeder AG soll die Arbeit so anbieten, wie es passt. Ich habe nur gesagt, dass die Schlussfolgerungen nicht korrekt sind.

Und ich habe auch absolut kein Problem damit, wenn Menschen weniger arbeiten wollen:

Ich bin nur dagegen, dass die AN Menschen mehr finanzieren sollen, die sich freiwillig gegen eine erwerbstätige Arbeit entscheiden und stattdessen etwas anderes machen wollen. Die Gründe für weniger sind ja vielfältig.

Da wir allerdings dringend Kinder brauchen und es angeblich auch gewünscht ist, muss es auch entsprechenden Ausgleich geben. Es ist ja nicht nur der Lohnausfall während der Kinderbetreuung, sondern auch der Karriereknick. Das Kindergeld ist einfach zu niedrig. Hinzu kommt, dass die Lernmittelfreiheit fast komplett gestrichen ist. Ich fände auch einen höheren Kinderfreibetrag mehr als angemessen.

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Da hast du schon einen Punkt, mehr Umsatz als einzelne Aussage ist zumindest unpräzise.
Ich kann mir aber gut vorstellen, dass die Aufträge der Handwerker die beim Kunden vor Ort sind, durch die zeitliche Komprimierung der Arbeitszeit im Gesamten für das Unternehmen ertragreicher sind.
Zum eine können möglicherweise Gewerke an einem Tag beim Kunden abgeschlossen werden, wo man evtl. vorher zwei Anfahrten hatten, zum anderen reduziert der arbeitsfreie Tag grundsätzlich die Betriebskosten.
Und das erholte, motivierte Mitarbeiter in einem für sie ansprechenderen Arbeitsumfeld bessere Ergebnisse abliefern können, ist denke ich unstrittig.
Vom eigentlichen Thema führt das aber zu weit weg, bei dem Punkt das zeitgemäßere Arbeitsmodelle für Mitarbeiter und Unternehmen von Vorteil sein können, sind wir uns ja einig.

Hier ist such ein schöner Kommentar von Marcel Fratzscher zum Fachkräftemangel und dem Benachteiligen von Frauen:

https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-08/fachkraeftemangel-erwerbstaetigkeit-frauen-arbeitsmarkt-rente

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Auch eine gute podcastfolge vom Deutschlandfunk.

Das Thema Fachkräftemangel wird hier kompetent von mehreren Seiten beleuchtet, auch perspektivisch. Speziell der Drang zu Abitur und Studium, mit seinen Vor- und Nachteilen, wird thematisiert.

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Vielleicht wäre es einmal sinnvoll, wenn Ulf und Philip besprechen, ob eine pronatalistische Politik in Deutschland erforderlich und wünschenswert wäre. Momentan wird von staatlicher Seite ja lediglich versucht, die finanziellen Einbußen, die Eltern aufgrund ihrer Kinder erleiden, etwas zu begrenzen. Wir sind jedoch weit davon entfernt, das Kinderkriegen durch Anreize zu fördern, wie es z. B. in der DDR der Fall.

Wenn man bedenkt, dass uns demnächst Menschen (im erwerbsfähigen Alter) mindestens so sehr fehlen werden wie aktuell das Erdgas, wäre es höchste Zeit, dieses Thema einmal aufs Tapet zu bringen.

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Tun sie das denn? Für die Umwelt hat es nur Vorteile wenn wir weniger sind und durch die Automatisierung werden auch viele Berufe ersetzt werden. Allein bei uns kann ich beobachten, dass die Arbeit mittlerweile von 50% der früheren Belegschaft besser und schneller erledigt wird als noch vor 10 Jahren. Weniger Menschen mit besserer Qualifikation sollten fast jedes Problem lösen. Das einzige ist, unser Sozialsystem müsste entsprechend reformiert werden indem z.b nicht der Mensch sondern die Leistung in einem gewissen Rahmen besteuert wird. Aber auch das ist theoretisch kein Problem.

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Dafür muss auch unser Wertesystem geändert werden. Wer heute keiner bezahlten Arbeit nachgeht wird diffamiert und förmlich an den Pranger gestellt. Gleichzeitig bringen Arbeitgeberverbände wieder die Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf den Plan. Wie passt das alles zusammen? Mehr Automatisierung, weniger Jobs dadurch in vielen Bereichen, die meisten andere Bereiche, besonder der Bereich Soziales, schlecht bezahlt bis prekär.

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