Europawahl - junge Wähler

Betrachtet man es aus Sicht der jungen Menschen, kann (!)man es auch wie folgt sehen:

Man wird volljährig in Deutschland und soll/darf nun arbeiten und wählen.

Die Politik ist geprägt von alten/älteren Menschen, die mit Blick auf eine vorwiegend ältere Wählerschaft Entscheidungen treffen.
Also zumeist Entscheidungen die eher auf Erhalt des Status Quo setzen und wenig (auch notwendige) Veränderung zulassen.

Nun sieht man als junger Mensch ein Deutschland mit vielen von den älteren Generationen hinterlassenen Baustellen. Klimawandel, Fachkräftemangel, bröselige Infrastruktur, ein Rentensystem was wohl nur noch für aktuelle Rentner noch funktioniert, zähe Bürokratie, ein marodes unterfinanziertes Bildungssystem, usw.

Dann hört man als junger Mensch die älteren Generationen: „Ihr seid faul und undankbar, ihr müsst mehr arbeiten, Vollzeit, möglichst dazu auf Kinder verzichten, ihr müsst mehr für unseren (die Älteren) Wohlstand tun.“

Dann hört man aus der Politik „Jugend muss ein Pflichtjahr machen, wir brauchen die Wehrpflicht (für junge Menschen), wir müssen sparen (für die jungen Leute?), wir brauchen mehr Leistung, (in Corona) sollten die Jungen zum Schutz der vulnerablen Älteren auf viel Freiheit verzichten,…“

Diese jungen Menschen haben vieles akzeptiert und mitgemacht.
Nehmen nun subjektiv wahr,das trotz Grünen an der Regierung der Klimaschutz kaum mehr ein Thema ist, das die Fortschrittspartei FDP den Stillstand propagiert, die Opposition wie CDU eher den Rückschritt, und die SPD immer noch nicht weiß, für wen sie eigentlich regieren will.

Das alles in Zeiten von Krieg in der Welt, Waldbränden und Hochwasser, Ausländerfeindlichkeit, Umweltverschmutzung, Energiekrise und vielen mehr.

Deswegen wählt man natürlich keine rechtsextremen Parteien wie AfD.

Doch was soll die Jugend heute wählen, um sich und ihre Zukunft gut vertreten zu fühlen?

Schon nicht einfach……

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Hätten die Journalisten Volt nicht derart unterschätzt, hätten sie bei der Nachwahlbefragung nicht nur nach der Sonstige-Partei BSW gefragt und wir hätten noch einen Balken Volt - und könnten nun ganz andere Diskussionen über die Jugend führen.

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Die Situation in Deutschland ist Folge von 75 Jahren Demokratie. Und die war geprägt von überwiegend rechter und konservativer Politik. Wenn man meint, dass Deutschland so schlecht ist, müsste man konsequenterweise von einem Bürgerversagen sprechen.
Ich sehe an vielen Stellen in unserer Gesellschaft Verbesserungspotential, auch was die Einkommens-, Vermögenverteilung und Chancengleicheit angeht. Aber ich halte es für wichtig auch die guten Seiten zu beachten.
Wir haben eine ausgeprägtes Sozialversicherungssystem, es gibt ein Existenzminimum (im Gegensatz zu anderen Ländern). Arbeitnehmer sind geschützt. Es gibt ein Bildungssystem. Wir dürfen unsere Meinung frei sagen. Und (noch) lieben, wen wir wollen. Wir können politisch Einfluss nehmen usw.
Deutschland ist in vieler Hinsicht ein reiches Land, u.a. ist das kleine Deutschland die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Die Schlechtrederei ist ein Problem. Unzufriedenheit wird geschürt - Menschen wählen Extermisten.
Es gibt dazu ein massives Desinformations- und Diskreditierungsgeschehen. Rechte, die fossile Industrie und andere Länder wollen unsere Demokratie destabilisieren. Da wird viel Geld investiert. Man braucht sich nur mal die Fake-Videos auf Youtube anschauen. Beispiel ist das sogenannte EIKE-Institut. Kaum anders ist zu erklären, dass knapp 60 % bei der Europawahl dem Anti-Klimaschutz-Bündnis (als Maßstab meiner Einschätzung dienen die staatlichen Ziele zum Klimaschutz) von CDU, FDP, AFD und BSW ihre Stimme gegeben haben.
Und: Junge Wähler sind nicht anfälliger für Fakes. Leider sind sie genau so anfällig, wie die anderen Wähler. Sie haben allerdings Parteien gewählt, die für ihre Interessen (zumindest laut Experten aus den Bereichen Wirtschaft und Umwelt) wahrscheinlich schädlicher sind, als für ältere Menschen.

Prognosen sahen Volt in Deutschland bei 3%. Geworden sind es 2,6%. So gesehen wurde die Partei zunächst eher über- als unterschätzt. Gleichzeitig finde ich, dass Volt mehr in den Medien vorkommen könnte angesichts der Tatsache, dass sie nur 0,1 Prozentpunkte von der Linken und den freien Wählern trennt.

Bei einer Prognose die ohne Nachkommsstelle auskommt würde ich hier nicht von überschätzen sprechen sondern eher von einer Sehr treffenden Prognose. Gerade bei niedrigen Werten ist die statistische Ungenauigkeit ja sehr groß.

Es ging aber ja nicht um diese Prognose sondern um die Nachwahlbefragung wo nach der Linken gefragt wurde, nicht aber nach Volt.

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Keine Frage, wir leben in Deutschland schon extrem privilegiert.
Die 75 Jahre Demokratie waren durchaus auch aufgrund der wählenden Generationen und des Zeitgeistes von einer eher konservativen Politik geprägt. Mit all ihren Höhen und Tiefen.

Allerdings gibt’s da auch negative Folgen, welche die junge Generation voll erwischen wird, die ältere Generation eher weniger.
Darum können viele junge Menschen mit der Prämisse „Es ist doch im Moment noch alles gut, drum lassen wir alles so, damit insbesondere die stark richtungsweisende ältere Generationen sich keinen großen Veränderungen mehr stellen muss.

Ich verstehe beide Seiten. Nur für die heute jungen Menschen sind das keine Antworten auf deren Zukunftsfragen.

Nun suchen diese nach Antworten, welche die etablierten Parteien offenbar nicht bieten können.
Da fällt auch der Medienaffine Youngster auch auf Fake und „einfache Lösungen“ herein.
Aber sind die jungen Erwachsenen selbst schuld oder rechtsextrem oder trotzig deswegen?
Oder haben wir älteren da ggf bei Erziehung und Bildung Defizite weitergegeben?

Will nur sagen, es ist etwas zu einfach, den jungen Menschen den schwarzen Peter zu zu schieben.

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Das Abschneiden der Parteien bei den Wählern unter 25 Jahren ist noch einmal aktualisiert worden:


Demnach liegt die rechtsextreme AfD genau im Durchschnitt aller Wähler, genauso das konservative BSW. Die Partei Die Linke hat dabei erstaunlicherweise - trotz der Abspaltung des Wagenknecht-Flügels - in der Altersgruppe ‚nur‘ zwei Prozentpunkte gegenüber vorausgehenden Europawahlen eingebüßt.

Speziell Bündnis’90/Die Grünen, die in dieser Altergruppe so eingebrochen sind, haben in allen anderen Altersgruppen weniger als halb so viel an Prozentpunkten eingebüßt:


Nun befinden sich diejenigen, die 2019 die Grünen gewählt hatten, aber auch schon in der nächstälteren Alterskohorte.

Auffällig ist jedenfalls, dass die Grünen nicht mehr bei den jüngsten Wahlberechtigten den größten Zuspruch erhielten.

„Die größte Überraschung abseits der etablierten Parteien liefert Volt , eine linksliberale Pro-Europa-Partei: Sie kommt auf neun Prozent, der höchste Wert unter den kleinen Parteien. Aus dem Stand kommt auch das junge Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auf sechs Prozent, die Linkspartei erhält sieben Prozent. Ebenfalls viel gewählt wurde die Satirepartei Die Partei mit vier Prozent und die Tierschutzpartei mit drei Prozent.“

Der Trend zu Klein(st)parteien ist m. W. auch nichts Neues bei Jung- bzw. Erstwählern.

Volt sticht dabei heraus. In der letzten Legislaturperiode gehörte Volt zur Fraktion Grüne/EFA, was schon dafür spricht, dass die Bündnisgrünen und Volt nicht sehr weit auseinanderliegen. Rechnet man Volts Prozente dazu, halbiert sich der grüne Wählerschwund. Und neben diversen Tierschutzparteien, die den Grünen Konkurrenz machen, gab es auch noch Die Klimaliste und Die Letzte Generation, wohin Abwanderungen zu verzeichnen waren.

Meine Vermutung ist daher, dass sich bei vorhandener Fünf-Prozent-Hürde wieder mehr den Bündnisgrünen zuwenden werden.

Da die Alterskohorten zahlenmäßig nach unten hin immer kleiner werden, sollte man das Thema Jungwähler ohnehin weniger dramatisieren.

Deren Europawahlergebnis zeigt jedenfalls, dass - wie der Rechtsschwenk eines Teils der jungen Wähler zeigt - auch junge Menschen durchaus milieuspezifisch wählen (vgl. Sinus-Milieus) und nicht unbedingt aufgeklärter sind als die Älteren.

Die Wahlergebnisse der Unter-25-Jährigen zeichnen ein differenziertes Bild. Übertriebene Besorgnis ist aber m. E. unangebracht.

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Dazu mal aus Sicht eines „jungen Wählers“:

Ein Punkt ist schon, das junge Wähler nicht so ernst genommen werden.

Oft steht der Satz im Raum „Leistet erst mal ganz viel für uns Alte, die euch doch perfekte Rahmenbedingungen geschaffen haben, und werdet älter, dann dürft ihr mitreden!“

Das hier die Jugend andere Ziele hat und auch nicht wirklich perfekte Bedingungen, sondern auch viele Baustellen und Scherbenhaufen vorfindet, ist nicht von der Hand zu weisen.

Und die jeweilige Jugend ist irgendwo auch das Ergebnis der Elterngeneration.
Vielleicht hätten wir das mit den Wahlen und der Demokratie vorher besser erklären sollen ….