Europaarmee statt Bundeswehr

Hallo Zusammen,

es wurde ja schon viel über die neue Bedeutung der Bundeswehr und den 100 Mrd. diskutiert (z.B. hier: 100 Mrd Plus für Verteidigung und Aufrüstung?)

Was ich mich gefragt habe, ist warum diskutiert man nicht aktiver über die Schaffung einer Europaarmee? Damit meine ich jetzt nicht eine militärische Eingreiftruppe, bei dem man dann Bundeswehr Soldaten absendet, um sich mit Soldaten aus anderen Ländern zusammen zu tun, sondern dass man die Bundeswehr komplett abschafft und dafür eine Armee unter europäischer Führung aufbaut.

Da man vermutlich nicht gleich die komplette EU überzeugt bekommt, könnte man ja erst mal ein Bündniss der willigen machen. Am besten noch mit Ländern, die auch schon in der Nato sind, um da keine Konflikte zu erzeugen. Natürlich müsste man dann noch Rahmenbedingung schaffen, wie das jedes Land mindestens so und so viele promille seiner Bevölkerung als Soldaten zur Verfügung stellen muss und das Budget muss festgelegt werden, etc…

Ich sehe darin mehrere Vorteile:

  • Kostenersparnisse durch Effizienzsteigerung:
    • Einsparung von Verwaltungsapperaten
    • In der Beschaffung scheint Deutschland ja besonders schlecht zu sein, also könnte das wer machen, der es besser hinbekommt
    • Mengenrabatte bei Bestellungen
    • Kein innereuropäisches Wettrüsten, stattdessen eine intelligente Gesamtplanung von dem, was benöigt wird, um Europa zu verteidigen
  • Sicherheit und Zusammenhalt in Europa
  • Überschwingliche Kriegseinsätze einzelner Länder können verhindert werden
  • Weniger Nazis im Militär: Eine europäische Armee würde Nazis vermutlich abschrecken und außerdem, würden internationale Strukturen vermutlich, weniger Skrupel haben Nazis rauszufiltern
  • Hypothese: Es könnte dazu führen, dass die deutsche Bevölkerung ihren Frieden mit der Armee findet. Die Bundeswehr hat aufgrund der deutschen Vergangenheit einen sehr schlechten Ruf, eine europäische Armee hingegen könnte mehr aktzeptanz finden, da sie vor allem für Sicherheit stehen würde und keine Verbindung zum Nationalstolz hat
    (Hier gibts auch noch mehr zu dem Thema: Europaarmee – Wikipedia)

Ich weiß das Macron sich häufiger für eine Europaarmee ausgesprochen hat, wobei ich auch nicht ganz finden konnte, ob in Form von Eingreiftruppen oder als Ersatz nationaler Armeen. Von der Leyen hat es wohl auch ein paar mal erwähnt und sich für eine Europaarmee eingesetzt. Aber von den aktuellen Regierungsparteien hab ich nur so nebenbei mitbekommen, dass Rolf Mützenich gesagt hat, dass man europäische Kräfte bündeln müsse. Ansonsten soll es ja jetzt so eine europäische schnelle Eingreiftruppe bis 2025 mit bis zu 5000 Soldaten geben (Die EU bekommt eine neue Eingreiftruppe | Aktuell Europa | DW | 21.03.2022) Warum das 3 Jahre dauert und was man mit 5000 Soldaten anfangen will, bleibt mir dann auch ein Rätsel. Die Idee einer Eingeiftruppe gab es anscheinend 1999 schon mal, nur da hatte man noch von 50.000 bis 60.000 Soldaten gesprochen (EU-Eingreiftruppe – Wikipedia)

Ansonsten ist es sehr stumm in Deutschland um dieses Thema. Aber auch in den Medien vermisse ich die Diskussion darüber, was das eigentlich Problem mit der Bundeswehr ist und wie man Europa effektiv Verteidigen kann. Deutschland könnte hier eine so häufig von den Medien geforderte Vorreiterrolle übernehmen, stattdessen versenkt man lieber 100 Mrd in einem schwarzen Loch und führt ewige Diskussionen über Aufrüstung vs. Abrüstung vs. Equipment auf den neuesten Stand bringen. Gefühlt klingt das alles nach einem internen Wettrüsten in der EU wo jedes Land jetzt die stärkste Armee haben will. Aber genau jetzt wäre die Chance alte Denkmuster hinter sich zu lassen und eine europäische Armee durchzusetzen und wie oben gesagt, könnte man ja erst mal mit einem Bündniss der Willigen anfangen.

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Wie du schon gesagt hast, die Idee existiert schon lange. Aber gibt halt die Nato und damit keinen besonderen Handlungsdruck dort etwas zu tun.

Zu dem Vorteilen weniger Nazis in der Armee zu haben:
Wenn man sich ansieht wie z.B. im EU-Parlament die, vorsichtig formuliert, nationalkonservativen Parteien verschiedener Länder zusammenarbeiten, vor allem gegen Nicht-EU-Flüchtinge, habe ich da wenig Hoffnung.

Eine europäische Armee ist nicht nur eine Frage davon, ob man „die komplette EU überzeugt bekommt“ wie Du das etwas lapidar darstellst. Selbst wenn der politische Wille bei den Regierungen da ist, ist es immer noch eine verfassungsrechtliche Frage, ob so etwas möglich ist und in Deutschland ist die Antwort auf diese Frage im Moment ziemlich sicher nein.

Nebenbei stellen sich Fragen wie, was dann mit den französischen Atomstreitkräften passiert? Wird die EU dann Atommacht? Entscheidet das EU-Parlament über den Einsatz dieser Waffen?

Ich finde die Vorteile, die Du aufzählst auch nicht überzeugend
-Riesengroße Strukturen sind gerade nicht die, die effizient sind, im Gegenteil Megastrukturen egal ob staatlicher oder privatwirtschaftlicher Art neigen dazu, riesige Verwaltungsapparate mit gigantischen Reibungsverlusten zu erzeugen, nicht diese einzusparen.
-Mengenrabatte bei Bestellungen? Ziel sollte es in einem europäischen Verbund eh sein, die Aufgaben so aufzuteilen, dass es nicht überall Doppelstrukturen gibt und das wird ja auch jetzt schon gemacht. Gleichzeitig gibt es Projekte für den Eurofighter, die sowieso Kooperationsprojekte sind.
-„Überschwängliche Kriegseinsätze“ + „Sicherheit und Zusammenhalt in Europa“ + „Wettrüsten innerhalb Europas“: Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo wir Probleme damit hätten, dass europäische Staaten gegeneinander wettrüsten würden oder die Sicherheit Europas unter dem Mangel an gemeinsamen militärischen Strukturen leiden würde. Überschwängliche Kriegseinsätze sehe ich auch eher nicht, wobei überhaupt nicht gesagt ist, dass ein EU-Parlament da zurückhaltender agieren würde als zum Beispiel Deutschland.

Gegen die anderen Punkte lassen sich ebenfalls Dinge einwenden. Mir scheinen die genannten Vorteile im Wesentlichen Wunschdenken zu sein. Auf der anderen Seite wird überhaupt nicht klar, warum eine europäische Struktur, in der Aufgaben sinnvoll aufgeteilt werden, schlecht sein sollte.

Zuerst muss es eine einheitliche Außenpolitik geben und zwar mit Aufgabe einer nationalen Außenpolitik.
Die EU nimmt also die Außenvertretung der Nationalstaaten wahr.
Wenn das passiert, können wir über eine Europaarmee reden. Vorher macht es keinen Sinn.

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Nur weil etwas unwahrscheinlich ist, heißt das ja nicht, dass man es gleich ganz aufgeben sollte dafür zu werben. Es gibt viele Themen, bei denen als sie aufkamen es als unwahrscheinlich galt, dass sie durch kommen. Trotzdem haben sich Leute dafür eingesetzt und sind am Ende damit durchgekommen (z.B. Frauenwahlrecht, gleichgeschlechtliche Ehe, Ausstieg aus der Atomkraft)

Interessante Frage, das sollte aber eher Frankreich entscheiden, ob sie die abgeben oder behalten, da hat Deutschland nicht viel mit am Hut.

Ich verstehe deinen Punkt und gebe dir Recht, dass es ein Risiko ist. Allerdings finde ich hinkt der Vergleich etwas so zu tun, als sei eine Europaarmee ein Monopol und einzelne nationale Armeen würden einen Markt darstellen. Das tuen sie ja aus dem Grund nicht, da sie ja nicht untereinander im Wettbewerb stehen. Stattdessen steht man ja im Wettbewerb mit Russland und China. Also an sich, man muss vorsichtig seien solche Strukturen aufzubauen, aber es ist auch nicht unmöglich sie vernünftig aufzubauen.

Was gern aktuell immer genannt wird als Verwendungszweck der 100 Mrd sind Munition und egal wie man es dreht und wendet, gesamt Europa braucht mehr Munition, als Deutschland alleine. Und z.B. beim Thema Cyberabwehr entstehen ja gerade Strukturen doppelt und dreifach, weil jedes Land seine eigene Einheit dafür aufbaut

Auch wenn ich es generell nicht so toll finde, bei „Auslandseinsätzen“ einer Europaarmee halte ich das Einstimmigkeitsprinzip der Regierungschefs für sinnvoller, als die Armee dem Parlament zu unterstellen. Einfach um zu verhindern, dass gegen den Willen einzelner Staaten ein Krieg außerhalb Europas geführt wird.

Damit könnte man auch gerne erst mal anfangen, aber auch davon hat Scholz nicht geredet. Das Geld was jetzt in die Bundeswehr investiert wird, wird allem Anschein nach unabhängig von irgendwelchen europäischen Aufgabenaufteilungen investiert. Und häufig werden solche Aufgabenteilungen auch eher als on top kommuniziert und nicht als Ersatz. Kann auch sein, dass ich mich irre und z.B. der Kauf dieses Arrow 3 Abwehrsystems einem schon lange ausgearbeiteten Plan zur Verteidigung Europas folgt.

Eine Armee die nur zur Verteidigung dient braucht nicht Teil einer Außenpolitik zu sein :wink: Stimmt natürlich nicht ganz und eigentlich hast du schon Recht, eine gemeinsame Außenpolitik wäre sehr sinnvoll, aber es spricht ja auch nichts dagegen beide Themen gleichzeitig anzusprechen. Wie @FlorianKoch ja auch schon angedeutet hat, sowas wie eine Europaarmee würde ja nicht von heute auf morgen kommen. Das dauert Jahre bis Jahrzehnte, bis sowas vollständig steht.

Da das Thema ja in der letzten Podcast folge am Rande erwähnt wurde, wollte ich diesen alten Thread nochmal hervor holen.

Vor allem als Anmerkung zum Podcast, sei gesagt, dass ja Macron Befürworter einer Europaarmee ist und Deutschland hier eher auf der Bremse steht.

Ich verstehe auch nicht ganz warum Linke das nicht mehr befürworten. Eine Europaarmee wäre ein gutes Mittel gegen die Rechte und deren Kleinkariertheit bei deren Denkmustern in Nationalstaaten. Vor allem würde es die Länder mehr an die EU binden, wenn sie keine eigenen Armeen mehr hätten