Europa in der Rohstoffzange: Wiederbelebung des Bergbaus?

Liebes Lage-Team,

zunächst ein großes Dankeschön für eure tolle und unermüdliche Arbeit. Ich bin schon lange begeisterter Hörer eures Podcasts, schreibe heute aber zum ersten Mal ins Forum.

Kaum ein Thema ist derzeit strategisch so relevant und gleichzeitig so wenig im öffentlichen Fokus wie Europas Rohstoffabhängigkeit von China. Deutschland und Europa beziehen den Großteil kritischer Metalle – etwa Seltene Erden, Wolfram oder Graphit – aus dem Ausland, insbesondere aus China. Bei manchen Rohstoffen liegt die Abhängigkeit sogar bei über 90 Prozent. Diese Rohstoffe sind für die Wertschöpfungsketten in Europa und somit für die gesamte europäische Wirtschaft essenziell. Angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen birgt die Abhängigkeit somit erhebliche wirtschaftliche und sicherheitspolitische Risiken.

Eine sichere Rohstoffversorgung ist nicht nur Voraussetzung für die Energiewende, sondern auch zentral für Europas Verteidigungsfähigkeit. Im Vergleich zu den Risiken einer extremen Abhängigkeit bei mineralischen Rohstoffen wirkt die Abhängigkeit von russischem Gas infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine fast harmlos.

Vorschlag für potenzielle Referent:innen:

  • Prof. Dr. Elizabeth Clausen (RWTH Aachen) ist Professorin für Bergbauingenieurwesen und leitet das Institute for Advanced Mining Technologies. Sie gilt als ausgewiesene Expertin für Bergbau und Rohstoffpolitik.
  • Dr. Jakob Kullik (TU Chemnitz) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Internationale Politik. Er forscht und publiziert unter anderem zur deutschen und europäischen Rohstoffstrategie und internationalen Rohstoffpolitik.

Beide Referent:innen könnten faktenbasiert und differenziert einordnen:

  • wie groß die Abhängigkeit tatsächlich ist,
  • welche konkreten Risiken daraus erwachsen,
  • warum Europa (insbesondere Deutschland) in der Rohstoffpolitik Jahrzehnte hinter Ländern wie China oder Japan zurückliegt und was wir hiervon lernen können,
  • welche strategischen Handlungsoptionen bestehen,
  • und was sich konkret ändern müsste, um die Versorgungssicherheit zu stärken.

Ein Gespräch mit diesen Expert:innen wäre aus meiner Sicht hochaktuell, erkenntnisreich und ein großer Mehrwert für viele Hörer:innen.

Herzliche Grüße aus der Kaiserstadt Aachen
und stets ein treuer Zuhörer
Ole Lee

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Das Thema ist letztlich ähnlich wie das Thema der Produktionsverlagerung notwendiger Güter nach Asien (z.B. Medikamente oder während Corona allgemein Medizinprodukte). Diese Produktionsverlagerung macht außerhalb von Krisenzeiten Sinn, weil wir die Produkte günstiger im Ausland kaufen können, als wir sie selbst herstellen könnten. Das gilt auch für Rohstoffe wie Kohle, Eisen und co… Auch die können wir außerhalb von Krisenzeiten günstiger international kaufen, als sie hier abzubauen.

Was für mich immer wichtig ist, und wo unser großes Problem liegt, ist, dass wir keinerlei Vorbereitung dafür haben, wie wir in Kriesenzeiten schnell reagieren können, um eine heimische Produktion wieder einzuleiten. Eine Maskenproduktion kann man binnen weniger Monate auf die Beine stellen, bei Medikamenten wird es schon Jahre brauchen, beim Bergbau reden wir über Jahrzehnte. Und das müssen wir anerkennen und entsprechend agieren. Das bedeutet: Rohstoffvorkommen in Deutschland müssen auch jetzt schon, wo wir sie nicht brauchen, gut erforscht werden. Das können wir nicht erst tun, wenn irgendwann von Heute auf Morgen kein Stahl mehr aus China kommt, denn das dauert Jahre. Ebenso müssen wir das entsprechende Wissen in Deutschland erhalten, um den Bergbau in Deutschland großflächtig wiederbeleben zu können, wenn das nötig wird.

Das Problem ist: Die Wirtschaft zahlt nicht für die Exploration von Rohstoffen, wenn klar ist, dass sich die Ausbeutung auf absehbare Zeit nicht lohnen wird - warum sollte sie auch? Das ist ein typisches Szenario, in dem die Marktwirtschaft an Grenzen stößt, wenn es ein allgemeines Interesse für etwas gibt, damit aber keine Profite erzielt werden können. Sie zahlt auch nicht dafür, geschultes Personal vorzuhalten, um im Fall der Fälle schnell agieren zu können.

Sinnvoll ist es daher mMn in solchen Fällen, dass wir zum Einen international diversifiziert aufgestellt sind (also unsere Rohstoffe nicht nur aus China, sondern auch aus Afrika, Südamerika und co. importieren) und zum Anderen Vorkehrungen treffen, im Fall der Fälle möglichst schnell wieder Autark werden zu können. Das wird auch mit den besten Vorkehrungen nicht von Heute auf Morgen möglich sein, aber das Ziel muss sein, binnen weniger Jahre wieder Autark werden zu können, nicht binnen Jahrzehnten.

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Vielen Dank für den wichtigen Beitrag – ich kann das nur unterstreichen. Drei Punkte möchte ich ergänzen, die in der Debatte oft zu kurz kommen:

  1. Diversifizierung von Lieferketten erfordert enorme Koordination – politisch wie wirtschaftlich. Derzeit fehlt es in Europa sowohl an Zuständigkeit als auch an politischem Willen, das Thema strategisch zu führen.
  2. Der eigentliche Engpass liegt nicht nur beim Abbau, sondern besonders bei der Aufbereitung kritischer Rohstoffe wie Seltener Erden. Hier hat China in den letzten Jahrzehnten massive Kapazitäten aufgebaut – Europa dagegen fast nichts.
  3. Chinas Marktdominanz wirkt preissteuernd: Wenn China den Weltmarkt flutet, fallen die Preise, und neue Projekte außerhalb Chinas werden wirtschaftlich unattraktiv. Eine europäische Rohstoffstrategie braucht deshalb auch einen Finanzierungsrahmen, der gezielt gegen diese Marktmechanismen absichert.

Die Dringlichkeit ist riesig – danke nochmal fürs Aufgreifen des Themas!

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Diversität in der Lieferkette ist sicher wichtig. Ebenso braucht es aber auch eine strategische Wissensreserve im Land in Form von einer Handvoll Bergbau-Gebieten, in denen wir Know-How erhalten, damit wir im Bedarfsfall nicht erst Personal initial ausbilden müssen, sondern auf einen erfahrenen Stamm zurückgreifen können. Als strategische Reserve muss das natürlich nicht international konkurrenzfähig sein.

Dafür benötigt es dann allerdings ein Wechsel im Mindset. Der Tagebau oder der Schacht muss als strategische Notwendigkeit, nicht als Feind der kleine Dörfer bedroht, wahrgenommen werden. Und wir können uns nicht jahrelange Genehmigungsverfahren und Blockaden von Umweltschützern leisten wenn uns China die seltenen Erden abdreht.

Gerade auf diesem Feld sollten wir dringend in Europa eine grundlegende Produktion aufbauen. Und doch zerlegen wir uns noch in der Explorationsphase darüber, ob ein Abbau zu zerstörerisch für die nähere Umgebung eines Tagebaus wäre. Das ist reines Luxusdenken und zeigt, dass der Ernst der Lage nicht verstanden ist.

Es muss ganz klar sein. Es gibt strategische Assets eines Landes. Da hat die gesamte Gesellschaft mitzuziehen wenn einmal entschieden wurde. Ich zweifle aber sehr daran, dass das im Zweifel allen so klar ist.

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