Liebes Lage-Team und Diskutant*innen,
die Bundesregierung versuchte die Ratsposition für ein EU-Lieferkettengesetz, veröffentlicht am 1.12.2022, deutlich abzuschwächen. Sie bleibt damit hinter ihren Selbstverpflichtungen aus dem KoalV zurück. Im weiteren Verhandlungsprozess sollte die Bundesregierung ihren Kurs ändern.
Hintergrund: Am 1.1.2023 wird das deutsche Lieferkettengesetz (LkSG) in Kraft treten. Sehr große Unternehmen sind dann verpflichtet Sorgfaltspflichten umzusetzen, um menschenrechtliche Risiken v.a. in Lieferketten frühzeitig zu erkennen und so Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen oder sie zumindest abzustellen. Die Lage hatte dazu v.a. in der ersten Jahreshälfte 2021 berichtet.
Auf EU-Ebene wird gerade ein vergleichbares Gesetz verhandelt, das zusätzlich Opfern von Menschenrechtsverletzungen die Möglichkeiten geben soll vor Zivilgerichten Wiedergutmachung zu erlangen. Am 1.12.2022 hat sich der Rat der Europäischen Union auf eine gemeinsame Position geeinigt. Die Bundesregierung feiert das als großen Erfolg - und grundsätzlich ist es das natürlich auch.
Die Ratsposition schwächt den Richtlinienentwurf der EU-Kommission von Februar 2022 jedoch deutlich ab. NGOs kritisieren vor allem die fehlende behördliche Kontrolle der Umsetzung von Klimaplänen und die weitgehende Ausklammerung des Finanzsektors.
Die Ampel-Regierung unterstützt laut KoalV ein „wirksames EU-Lieferkettengesetz, basierend auf den UN-Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte, das kleinere und mittlere Unternehmen nicht überfordert“ (S.27). Die Bundesregierung hat in den Verhandlungen jedoch versucht das Kernstück der Richtlinie - die Möglichkeiten der gerichtlichen Abhilfe für Opfer von Menschenrechtsverletzungen - deutlich zu schwächen. Selbst nach Einigung auf eine Ratsposition, die weiterhin zivilrechtliche Haftung ohne die von Deutschland geforderten Einschränkungen vorsieht, hält die Bundesregierung in einer Protokollerklärung an der Forderung nach einer Safe Harbour-Regelung fest. Dies geschieht offenbar auf Druck der FDP-geführten Ministerien, v.a. des Bundesjustizministers, der ja erst kürzlich in der Lage interviewt wurde.
Das Europäische Parlament wird vss. im Mai 2023 seine Position veröffentlichen, dann beginnt der Trilog. Damit am Ende ein möglichst wirksames EU-Lieferkettengesetz verabschiedet wird, sollte die Öffentlichkeit den Druck auf die Bundesregierung in den kommenden Monaten unbedingt erhöhen - gerne in einem Medium, an dem auch FDP-Minister nicht mehr vorbeikommen!