EU-Asylkompromiss

Ich gehe davon aus, dass das Thema in der Lage angesprochen wird, möchte aber nochmal betonen, dass dafür auch ein großer Bedarf herrscht.
Leider scheinen sich die überregionalen deutschen Medien nach altem Muster v.a. dafür zu interessieren, welche Folgen dieser Kompromiss innerparteilich für die Grünen hat (eine Google-News-Suche oder das Durchscrollen der Startseiten von FAZ, Zeit, Welt bestätigt das). Inhaltliche Erläuterungen zu dem Kompromiss musste man zunächst mit der Lupe suchen, hier wird wieder mehr über politics als über policy gesprochen.
Mittlerweile taucht immerhin bei der Tagesschau ein FAQ auf, ansonsten wurde man bei Euractiv fündig. Auch die taz hat was Inhaltliches.

Die wichtigsten Punkte scheinen zu sein (bitte ergänzen):

  • Schnellverfahren/Vorverfahren an den Außengrenzen für Menschen aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote (<20%, keine Ausnahmen für Familien mit Minderjährigen, wohl aber bei unbegleiteten Minderjährigen) inkl. Lagern für die betroffenen Menschen
  • 20.000 € Strafe für Mitgliedstaaten pro abgelehnter Person (zu deren Aufnahme sie verpflichtet wären, vermute ich mal). Das Geld soll insbesondere in die Unterstützung der Ankunftsstaaten fließen
  • Mitgliedstaaten dürfen selbst sichere Drittstaaten festlegen
  • Bearbeitung von Asylanträgen binnen 5 statt wie bisher 12 Monaten
  • Abgelehnte Asylsuchende sollen stärker überwacht und mehr Daten gespeichert werden

Alles in allem sieht es auf den ersten Blick nach einem schmerzhaften, aber in der Theorie funktionsfähigen Kompromiss aus, mich würde aber interessieren, wie realistisch die Umsetzung mit den mageren Ressourcen ist, die die Staaten in Asylverfahren stecken. Fraglich ist vor allem, ob im Schnellverfahren an der Außengrenze individuelle Asylgründe ausreichende Berücksichtigung erfahren und ob nicht die unerträglichen Zustände in den Lagern zB in Griechenland so legalisiert und perpetuiert statt überwunden werden. Hier würde mich auch eine rechtliche Einordnung sehr interessieren.
Sowohl Teile der grünen Basis als auch Polen und Ungarn sind unzufrieden. Ob 20.000 pro Person wirklich abschreckend sind für Ungarn und Polen dabei, das Asylrecht nicht einzuhalten, bleibt abzuwarten. Bislang lehnen beide alles kategorisch ab, was sie zu irgendetwas verpflichtet. DE hat sich mit einigen Punkten wie zB Ausnahmen vom Schnellverfahren für Familien von Minderjährigen nicht durchgesetzt.

In jedem Fall ein Thema für die Lage, vielleicht mit Herrn Knaus, den sicher viele Hörer:innen ähnlich schätzen wie ich.

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Dazu auch Experten (Rat für Migration) in Pressekonferenz, die die Pläne äußerst kritisch sehen, weil eine erhebliche Gefahr bestehe, dass die Rechte der schutzsuchenden Menschen weiterhin massiv eingeschränkt würden und der Plan keine Besserung der Lage verspreche.
https://www.youtube.com/watch?v=0Hhl67j5Z7w

Diese EU-Asyl-„Reform“-Pläne machen mich unendlich traurig.
Es muss doch bessere Ideen geben als Menschen einzusperren und sich mit Zäunen zu verbarrikadieren, als könnte man mit ihnen das Unglück und Leid der Welt von uns fernhalten.
Verfolgte werden in diesen Lagern im Zweifel in der Masse untergehen.
Bezüglich aller anderen Menschen sind wir selbst der Verursacher der Fluchtbewegungen.
Wir sollten uns schämen, unschuldige Menschen so zu behandeln. Push-Backs, Ertrinkenlassen, auf dem Meer aussetzen, im Niemandsland im Grenzbereich verhungern lassen…
Und jetzt noch Menschen geplant einsperren, ohne Vergehen, ohne Anklage, ohne Urteil. Wo bist du Justizia? Ich habe mal an dich geglaubt.
Abgesehen davon, dass es niemals gelingen wird, die Asylanträge innerhalb von 3 Monaten gerecht zu entscheiden.
Wo bleibt die Menschlichkeit? Wo die Gerechtigkeit?
Wir halten Menschen fern, nehmen inkauf, dass sie leiden und sterben und leben unser bequemes Leben weiter. Schizophren, pure Verdrängung oder eine unendliche Hybris.
Was für ein Desaster!

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Da ich beim BAMF tätig bin und daher auch praktische Erfahrungen mit der aktuellen Asyl- und Migrationspolitik habe, bin ich eher bei unserer Bundesinnenministerin. Ich sehe in dem Kompromiss sehr viel positives und hoffe auf eine Umsetzung im kommenden Jahr.

Laut aktueller Zahlen haben rund 125.000 Menschen in Deutschland in den ersten fünf Monaten in Deutschland Asyl beantragt. Bis auf ein paar tausend Anträge von nachgeborenen Kindern und Personen die im Rahmen von Familienzusammenführung gekommen sind, sind fast alle illegal eingereist, wobei sie mehrere europäische Länder durchquert haben, häufig allerdings ohne dort registriert worden zu sein (und selbst wenn ist eine Rückführung nach Griechenland, Bulgarien, Kroatien oder Tschechien in der Regel aus diversen Gründen nicht möglich).

Auch nach den aktuellen Plänen der EU werden Menschen aus Ländern wie Syrien und Afghanistan grundsätzlich einen Asylantrag stellen können ohne in den geplanten Asylzentren bleiben zu müssen. Schwieriger wird es vor allem für Menschen, die vor allem aus ökonomischen Gründen in die EU, in vielen Fällen nach Deutschland, kommen wollen und deren Asylanträge im Regelfall keine Aussicht auf Erfolg haben.

Das Ziel der EU- Mitgliedstaaten, wieder mehr Ordnung in die Migrationspolitik zu bekommen und es nicht länger Schleppern zu überlassen, wer dauerhaft in die EU einreisen kann, ist nachvollziehbar und aus meiner Sicht zu begrüßen.

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