Eskalation im Nahen Osten?

Naja die Hisbollah betont immer wieder, dass sie auf militärische Einrichtungen zielt.

„Hezbollah said it fired a Qader 1 ballistic missile targeting the headquarters of Israel’s Mossad intelligence agency“

„Hezbollah has announced that it launched dozens of rockets at Israel’s Ramat David Airbase, east of Haifa“

In wie weit das stimmt, lässt sich natürlich von hier aus nicht überprüfen, noch einmal weniger, weil sowieso fast alle Raketen abgefangen werden und man daher nicht wissen kann, was sie theoretisch getroffen hätten.

So wie ich zur Vorsicht geraten habe, wenn Leute hier Israel „Terror“ oder „Kriegsverbrechen“ im Zusammenhang mit bestimmten Angriffen vorgeworfen haben, weil dafür schlicht und einfach die Informationen fehlen (war in einem bestimmten Krankenhaus oder einer bestimmten Schule wirklich ein Waffenlager?) würde ich hier auch zur Vorsicht bei der Bewertung raten.

(Disclaimer: hier get es um die Bewertung der einzelnen Angriffe aus einer jus in bello Perspektive. Das aus einer jus ad bellum Perspektive grundsätzlich die Hisbollah überhaupt keine Raketen auf Israel abschießen sollte, ist davon unbenommen)

Also Menschen, die sich als Soldaten oder Funktionäre in islamistischen Organisationen engagieren und ihren Judenhass offen äußern, tun dies aus deiner Sicht nur, weil der „Siedlungsbau“ sie dazu gebracht hat? Und über den Antisemitismus muss man ja nicht reden, denn den wird es ja immer geben, aber die Siedlungen…!

Erstens habe ich nie gesagt, dass ich den Bau illegaler Siedlungen im Westjordanland gutheiße. Zweitens glaube ich aber im Unterschied zu dir nicht daran, dass er die eine Hauptursache für Antisemitismus oder den arabisch-israelischen Konflikt ist. Und beim Krieg der Hisbollah gegen Israel geht es einfach nicht um „Siedlungsbau“ - es sei denn, man meint damit auch Städte wie Tel Aviv, denn dessen „Besetzung“ lehnt die Organisation wie schon gesagt genau so ab.

Vielleicht kannst du ja irgendwann mal verstehen, dass der Verweis auf die antisemitischen Motive einer islamistischen Miliz keine Parteinahme für reine rechte und in Teilen rechtsextreme Regierung in Israel ist. Auch diese Unterstellung bringst du inzwischen in fast jeden Thread.

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Das tut sie auch. Sie berichtet aber u. a. auf der Website ihres Senders Al-Manar (die ich hier nicht verlinken möchte) stolz, auch israelische Siedlungen angegriffen zu haben. Worüber die Hisbollah allerdings nicht berichtet, ist, dass sie auch arabische Dörfer in Israel und in der Westbank beschossen hat. Das meine ich mit mehr oder weniger wahllos.

Im Übrigen finde ich es fatal, wenn Medien wie der Guardian oder die Tagesschau die Darstellungen und Narrative einer Organisation wie der Hisbollah einfach ungeprüft weiterverbreiten. Bei Russland haben viele deutsche Medien nach 2022 endlich gelernt, dass das nicht sonderlich geschickt ist. Damit begeben sie sich auf das Niveau von Al Jazeera.

Edit: so sehen die „gezielten“ Angriffe der Hisbollah de facto aus:

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Beim Wort „nur“ hast du den Rest des Beitrags disqualifiziert. Ich sprach hier gezielt von „vielen Faktoren“ und davon, dass der Siedlungsbau Israels einer dieser Faktoren ist. Wie man daraus ein „nur“ machen kann… sorry, aber du willst mich in diesem Thema offensichtlich nicht verstehen. Der Rest dieses Absatzes geht auch völlig an allem vorbei, was ich geschrieben habe. Antisemitismus ist ein riesiges Problem und muss bekämpft werden - dass wir das ähnlich sehen, daran solltest du nicht den geringsten Zweifel haben. Die völkerrechtswidrige Siedlungspolitik Israels ist genau so ein Bärendienst für die friedlebenenden Israelis, wie jede Vergewaltigung durch einen Migranten ein Bärendienst an der Community der Migranten ist und jeder Akt der Polizeigewalt ein Bärendienst an der Institution der Polizei ist. Und die (gut gemeinte) Verteidigung dieser schwarzen Schafe in den eigenen Reihen ist dabei nicht hilfreich.

Erneut, die Tatsache, dass du hier sagst, ich hätte es so dargestellt, dass die Siedlungspolitik die Hauptursache für Antisemitismus oder den Nahost-Konflikt sei, geht MEILENWEIT an dem vorbei, was ich geschrieben habe. Ich habe lediglich geschrieben, dass der Siedlungsbau eine Eskalation des Nahost-Konfliktes seitens Israels ist (bestreitest du das?!?) und dass die Vertreibung arabischer Menschen durch fundamental-religiöse Israelis ein Mobilisierungsfaktor für Antisemiten / Islamisten ist, einer von vielen.

Es ist keine Unterstellung. Das höchste, was du von dir gibst - durch alle Threads zu diesem Thema hindurch - ist, dass du nie gesagt hast, dass „du den Bau illegaler Siedlung gutheißen“ würdest. Eine klare Verurteilung sieht anders aus. Gleichzeitig streitest du jeden Zusammenhang zwischen der Vertreibung von Palästinensern durch den Siedlungsbau und der stärkeren Ausbreitung von Antisemitismus in der arabischen Welt kategorisch ab, was ich für absolut weltfremd halte. Wie einen Beitrag weiter oben gesagt: Ich könnte problemlos damit leben, wenn du sagen würdest, dass du die Auswirkungen des ganz klar illegalen Siedlungsbaus als nicht so gravierend ansiehst, aber ihn komplett abzustreiten ist in etwa so, als würdest du komplett abstreiten, dass jede Vergewaltigung und jeder Mord durch einen Asylbewerber in Deutschland dazu führen würde, dass die Stimmung weiter gegen Migration kippt. Man kann gleichzeitig für Migration sein und dennoch akzeptieren, dass natürlich jeder Mord und jede Vergewaltigung durch einen Migranten, die durch die Medien geht, von rechtsextremen Parteien (erfolgreich!) ausgeschlachtet wird und diesen Parteien neue Mitstreiter beschert. Das damit abzustreiten, dass „Nazipartei xyz ja ohnehin komplett rassistisch ist“ ist einfach völlig realitätsfern. Genau das tust du aber im Hinblick auf den Siedlungsbau im Nahost-Konflikt.

Gratulation, wir haben wieder einen Thread komplett mit einer Diskussion derailed, die wir schon fünf Millionen Mal über Hunderte von Beiträgen geführt haben und in der du, wie du hier zeigst, mich immer noch völlig falsch verstehst und darstellst, weil es einfach nicht in deinen Kopf zu gehen scheint, dass man gleichzeitig Pro-Israel sein kann und trotzdem die Siedlungspolitik als klare Völkerrechtsverletzung, die den Konflikt weiter anheizt, sehen kann. Statt dessen willst du mir ständig unterstellen, ich würde Antisemitismus nicht ernst genug nehmen oder sei gar gegen Israel.

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Ich für meinen Teil kann die Kritik am israelischen Siedlungsbau mittragen. Für einen langfristigen Frieden wird eine Abkehr und Rückbau unabdingbar sein. Am Status quo und der Bedrohung durch die Nachbarn würde sich aber für Israel zum jetzigen Zeitpunkt nichts ändern, auch wenn man die Siedlungspolitk um 180° dreht.

Wir sollten nicht vergessen, dass Israel (trotz heftiger interner Proteste) 2005 im Zuge des Rückzuges aus dem Gazastreifen auch alle 21 Siedlungen dort aufgelöst hat. Dies hat in keiner Weise zu einer Befriedung oder Beilegung des Konflikts geführt. Nein, wenige Monate später musste Israel eine Pufferzone einrichten, weil die Raketenangriffe aus Gaza stark zugenommen haben. Letzlich mündete die Selbstverwaltung in der Machtergreifung der Hamas, worunter nicht zuletzt die Palästinenser selbst am meisten leiden.

Den Hardlinern geht es nicht um die Siedlungen, sie betrachten die Existenz des jüdischen Staates an sich als Affront. Zugeständnisse könnten hier sogar zu einer Eskalation beitragen, weil die gewählten Mittel des Terrors augenscheinlich zum Erfolg geführt haben.
Nur wenn man auf der anderen Seite verlässliche Verhandlungspartner hat, die ernsthaftes Interesse an einen Frieden haben und dieser Frieden durch eine breite internationale Koalition vor Ort abgesichert wird, kann dieser Konflikt beigelegt werden.

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Das ist eine legitime Sichtweise, die ich durchaus auch teile.

Natürlich muss der Siedlungsstopp und Rückbau der Siedlungen mit einer Staatsgründung Palästinas einhergehen, bei der, wie bei der Staatsgründung der Bundesrepublik Deutschland, eine strikte Überwachung und Demokratieerziehung für mindestens eine Generation, eher zwei, stattfinden muss - die Staaten, die das koordinieren, wären dann auch die „verlässlichen Verhandlungspartner“ für die Übergangszeit. Das ist ganz klar eine Mammutaufgabe und noch ein weiter Weg (überhaupt erst Mal Staaten zu finden, die dazu bereit sind, wobei Baerbock im Interview ja angegeben hat, dass Deutschland durchaus bereit wäre, sich zu beteiligen). Aber darum ging es in dem Konflikt zwischen mir und Flixbus ja nicht mal. Es ging einzig um die Frage: „Ist der Siedlungsbau eine (relevante) Eskalation des Nahost-Konfliktes seitens Israels?“ und meine Antwort darauf lautet recht klar „Ja“, während Flixbus scheinbar der Meinung ist, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun habe.

Dass Israel jetzt nicht von Heute auf Morgen sich komplett aus Gaza und dem Westjordanland zurückziehen kann und die Gebiete sich selbst ohne Einmischung verwalten lassen kann, ist beim aktuellen Stand der Dinge selbstverständlich.

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naja diese Karte sagt völkerrechtlich erstmal absolut nichts aus. Ob irgendeiner dieser Punkte ein legitimes militärisches Ziel darstellt oder nicht ist hier überhaupt nicht zu erkennen. Ich kann auch eine Karte mit Israelischen Luftangriffen im Gaza Streifen zeichnen dann wäre der gesamte Gaza Streifen rot. Auch das würde nichts darüber aussagen, ob die Israelischen Luftangriffe einem legitimen militärischen Ziel gegolten haben.

„auf der Website ihres Senders Al-Manar (die ich hier nicht verlinken möchte) stolz, auch israelische Siedlungen angegriffen zu haben.“

Ich habe mal die ersten paar Meldungen bei Al-Manner überflogen, dort ist extrem überwiegend von Angriffen auf Ziele die Rede die - wenn sie wirklich das Ziel war - ziemlich eindeutig legitime militärische Ziele wären. Bei einigen genannten Zielen ist es unklar z.B. heißt es an einer Stelle „The groups fighters bombed the Hatzor Israeli Settlment“. Das würde deine Aussage tendenziell stützen, aber in Hatzor befindet sich auch ein israelischer Militärflughafen, daher ist nicht klar ob der Angriff der Siedlung als solches (Kriegsverbrechen) oder dem Flughafen galt (legitimes Ziel). Ich habe jetzt nicht genug Zeit investiert um sagen zu können, dass deine Aussage definitiv nicht stimmt, aber der überwiegende Tenor der Beiträge ist, dass die Hisbollah gezielt millitärische Ziele angreifen würde. (Disclaimer, ich habe auch nur die englische Version der Webseite gelesen, kann natürlich sein, dass sie in der arabischen expliziter sind.)

Das heißt nicht, dass diese Behauptungen stimmen, aber wir können sie von hier aus weder Beweisen noch wiederlegen. Genauso wenig, wie wir beweisen können, ob sich in jeder Schule, die Israel bombadiert hat, wirklich Hamaskämpfer versteckt haben.

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Es scheitert auch daran, dass Sinwar eine Überlebensgarantie will.

Hätte man Hitler damals einen Frieden anbieten sollen, unter der Bedingung ihm Amnestie zu gewähren, während man alle aus der zweiten Reihe exekutiert hat?

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Natürlich will er das - welcher Verhandlungsführer würde jemals eine Verhandlung eingehen, wenn Teil der Verhandlung ist, dass der eigene Anführer getötet wird?!? Also das ist doch wirklich selbstverständlich, oder?!? Auch von Russland würden wir niemals als Teil einer Friedensverhandlung verlangen, dass Putin getötet werden muss. Wir würden vielleicht verlangen, dass er zurücktritt und sich politisch nicht weiter betätigt, aber wir würden wohl kaum seinen Tod verlangen, vermutlich nicht mal zwingend seine Auslieferung an Den Haag…

Diese Nazi-Vergleiche sind immer schwierig. Aber es ist ein interessantes Gedankenspiel.

Wenn man das ganze Leid der Nazi-Zeit damit um ein oder zwei Jahre hätte verkürzen können, damit vor allem die Zeit des industriell betriebenen Holocaust kürzer ausgefallen wäre - ohne Frage, oder? Wobei eine Amnestie vielleicht zu weit ginge, früher hat man in solchen Fällen die Leute verbannt (Elba und St. Helena lassen Grüßen), eine ähnliche Lösung hätte man vermutlich auch für jemanden wie Hitler finden können, wenn man dafür Millionen von Juden vor dem Tod im KZ hätte bewahren können.

Im Fall Sinwar lautet die Frage: Sollten wir wirklich die Rache im Sinne der Gerechtigkeit höher bewerten als das Überleben der Geiseln? Wie gesagt, eine Amnestie muss es nicht sein, eine Überlebensgarantie im Sinne von „Du kommst vor ein israelisches Gericht und wir werden nicht die Todesstrafe verhängen, aber gehe nicht davon aus, dass du jemals wieder das Tageslicht sehen wirst“ wäre da eher eine realistische „Überlebensgarantie“, die man auch im Falle Hitlers problemlos hätte geben können, wenn Hitler 1943 kapituliert hätte.

Warum wird das Töten dieser Personen für so wichtig erachtet, dass wir bereit sind, dafür den Tod Unschuldiger in Kauf zu nehmen, will mir nicht ganz einleuchten. Aber ich bin auch ein strikter Gegner der Todesstrafe, insofern ist es wohl nur folgerichtig, dass ich Todesforderungen in Verhandlungen generell für nicht zu rechtfertigen halte.

Nebenbei scheint Israel Sinwar sogar freies Geleit aus dem Gaza-Streifen angeboten zu haben, insofern sehe ich nicht, dass die Geiselverhandlungen daran gescheitert sein sollen (außer natürlich, Bibi hat seinem Verhandlungsführer reingegrätscht und das Angebot zurückgezogen…).

Möglichkeiten gibt es daher viele, dass du in deinem Beispiel direkt die extremste („Amnestie“) wählst, ist da etwas unglücklich. Die Reihenfolge ist wohl:

  1. Forderung der Auslieferung mit anschließender Todesstrafe.
  2. Forderung der Auslieferung mit anschließender lebenslanger Haft.
  3. Freies Geleit in’s Exil (ohne Zusicherung, dass später keine „Unfälle“ passieren werden).
  4. Amnestie.

Israel scheint hier bereit gewesen zu sein, bis zur dritten Stufe zu gehen, um die Geiseln frei zu bekommen, was ich begrüße. Die anderen Forderungen Israels waren eine neue Regierung im Gaza-Streifen und eine Demilitarisierung. Das sind vermutlich eher die Konfliktpunkte, insbesondere die Frage, wie weit die Demilitarisierung gehen soll (Stichwort Dual-Use-Güter).

Also dass Sinwar - falls er überhaupt noch lebt (da gibt es ja auch Vermutungen in die andere Richtung) - beim Abschluss von Verhandlungen zumindest mit dem Leben davon kommen wird, ist glaube ich relativ offensichtlich. Aber genau deshalb sagen Kritiker der israelischen Regierung auch, dass Netanyahu möglicherweise genau deshalb die Verhandlungen nicht erfolgreich abschließen will: Er will erst Sicherheit, dass Sinwar tot ist, bevor es einen Frieden gibt. Auch, weil das Netanyahus politisches Überleben sichern könnte, wenn er seinen eigenen „Bin Laden-Moment“ hätte…

Doof gesagt: Ja, es schmerzt im Gerechtigkeitsempfinden, wenn Sinwar diesen Konflikt überleben sollte, aber wenn es um das Leben einiger Unschuldiger geht muss man möglicherweise etwas pragmatischer sein und schmerzhafte Kompromisse eingehen (und dafür sorgen, dass die Feinde Israels es nie wieder schaffen, Geiseln zu nehmen, aber das ist glaube ich klar… die Grenze zum Gaza-Streifen wird wohl nie wieder so schwach bewacht werden, wie es am 07.10. der Fall war…)

TL;DR:
Wenn der Preis dafür, dass die Geiseln frei kommen, ist, dass Sinwar (vorerst) überlebt, dann ist das ein Preis, der durchaus gezahlt werden kann. Es ist ein schmerzhafter, pragamtischer Kompromiss, der natürlich Bauchschmerzen bereitet…

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Damit wird aber die Aussage widerlegt, es scheitere an den Israelis.

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Es ist doch ganz einfach: Wenn die Hamas einen Waffenstillstand ablehnt, ist das „selbstverständlich“, weil es um nachvollziehbare Interessen geht. Lehnt Israel diesen ab, ist es weil die Regierung rechts bis rechtsextrem ist und weil sie aus völlig unerklärlichen Gründen einfach gar nicht an einem Frieden interessiert ist.
Die Parallelen zur „Friedens“-Rhetorik von Wagenknecht & Co. beim Ukrainekrieg sind aus meiner Sicht manchmal wirklich augenscheinlich. Frappierend daran finde ich, dass es Menschen gibt, die bei einem Konflikt genau die Position vertreten, die sie beim anderen vehement kritisieren. Aber ich kenne natürlich schon die Antwort: Nicht die Bewertung, sondern die Situation sei einfach ganz anders - und schon sind wir wieder bei Absatz 1 dieses Posts - eine Art argumentatives perpetuum mobile.

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Auch das wurde so nicht gesagt.
Bei der Hamas habe ich auf einen Verhandlungspunkt hingewiesen (und sogar die Parallele zu Verhandlungen mit Russland gezogen, sodass dein Vergleich besonders weit daneben geht…). Keine Seite in einem Konflikt wird jemals in einer Verhandlung zustimmen, dass der eigene Anführer getötet wird. Das gilt für alle Konfliktparteien, egal ob Demokratien oder Diktaturen.

Bei Israel wurde weder in diesem Thread noch in anderen über einen konkreten Grund gesprochen. Auch für Israel gibt es natürlich absolut berechtigte No-Gos, so ist absolut klar, dass Israel keinem Verhandlungsergebnis zustimmen wird, bei dem nicht alle noch in der Gewalt der Hamas befindlichen Geiseln frei kommen - auch das ist absolut selbstverständlich und denke ich allen klar.

Damit diskutieren wir hier über die absoluten Grundforderungen beider Seiten, die auch absolut nachvollziehbar sind. Aber statt auf die Sache einzugehen, machst du wieder den polemischen Move, das Ganze zu verallgemeinern. Also frage ich ganz konkret: Ist es für dich nicht „selbstverständlich“, dass keine Seite einer Verhandlung jemals als Ergebnis der Verhandlung akzeptieren wird, dass der Anführer der eigenen Seite getötet wird?!? Die Antwort darauf dürfte „Nein“ lauten, trotzdem argumentierst du dagegen, indem du es auf eine abstraktere Ebene hebst und den Diskussionsgegnern unlautere Meinungen vorwirfst (hier konkret: eine Doppelmoral, die schlicht nicht existiert).

Beide Seiten stellen sehr selbstverständliche Forderungen auf, aber auch sehr absurde Forderungen. Die Forderung von „freiem Geleit“ ist eine Standard-Forderung bei jeder Verhandlung, die noch weniger weitgehende Forderung, „nicht getötet zu werden“, ist gar eine absolute Selbstverständlichkeit. Die meisten Forderungen Israels sind ebenso selbstverständlich.

Dass die Regierung Netanyahu nach so ziemlich allen Nahost-Experten diesen Krieg braucht, um nicht zu stürzen, ist aber ebenso ein Fakt, den du leider nicht zu akzeptieren scheinst. Dieser Fakt führt dazu, dass es eine weit verbreitete Einschätzung (auch innerhalb kritischer israelischer Medien, vor allem der Haaretz!) gibt, dass die Regierung der Befreiung der Geiseln und Beendigung der Kampfhandlungen nicht die Priorität beimisst, die sie sollte.

Der Vergleich mit Russland ist dazu noch auf vielen anderen Ebenen falsch. Wir fordern von Russland im Rahmen von Friedensverhandlungen ja gerade nicht, dass Putin abtreten müsste - selbst die Maximalforderungen der Ukraine und des Westens beinhalten lediglich einen Abzug der russischen Truppen aus der gesamten Ukraine und vielleicht noch Sicherheitsgarantien. Was Israel von der Hamas fordert, geht darüber weit hinaus, denn würde Israel tatsächlich nur fordern, dass die restlichen Geiseln frei kämen (was vergleichbar mit der Forderung, Russland möge das besetzte Land an die Ukraine zurückgeben wäre) wäre der „heiße“ Konflikt beendet. Das will Israel aber - durchaus nachvollziehbar - nicht, weil Israel eben auch die Hamas endgültig ausschalten will. Wie gesagt: Das ist ein sehr nachvollziehbares, aber auf militärischem Wege leider unrealistisches Ziel (ich kann es nur immer wieder sagen: jeden tote Terrorist hatte Freunde und Familie, für jeden toten Terroristen kommen zwei Neue…).

Die Aussage wollte ich ja auch nicht stützen. Wenn du meinen Post noch mal liest, wird sehr deutlich, dass ich sogar explizit sage, dass Israel bereit war, Sinwar freies Geleit zu gewähren und es an anderen Punkten gescheitert sein muss. Welche das waren und wer daran Schuld hat können wir alle nicht einschätzen, dass die innenpolitische Lage Israels aktuell dergestalt ist, dass es für die Regierung zwecks Machterhalt möglicherweise besser ist, die Verhandlungen platzen zu lassen, kann hier eine Rolle spielen, muss es aber nicht. Dass ansonsten eher linke Schreiber wie Flixbus die israelische Regierung in dieser Sache verteidigen, während in Israel gerade von der linken Seite des politischen Spektrums massive Kritik an der Regierung Netanyahu kommt, finde ich wie gesagt sehr befremdlich. Mir scheint es immer, dass hier einfach die Fähigkeit fehlt, „den Staat Israel“ von „der Regierung Netanyahu“ zu trennen. Man kann extrem einseitig auf der Seite Israels in diesem Konflikt sein und trotzdem der sehr rechten Regierung vorwerfen, das Falsche zu tun. Dummerweise scheint für Flixbus jede Kritik an der Regierung Netanyahu auch eine Kritik am Staat Israel zu sein, weshalb er sich auch hier wieder schützend vor eine Regierung stellt, die er in Deutschland mit Hand und Fuß bekämpfen würde (quasi eine Werteunion+AfD-Regierung…).

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Ich sehe keinen Widerspruch.

Die Hamas betrachtet sich in ihrem unermesslichen Hass auf Juden als Befreier des palästinensischen Volkes, als Rächer der Nakba und als Vollstrecker der Strafe für den jahrzehntelangen Bruch des Völkerrechts durch den Besatzer. Dies mag uns nicht gefallen und ist sicherlich nur spärlich durch Fakten belegt, aber es genügt der Hamas und ihren Anhängern, wenn sie selbst daran glauben.

Putin hingegen agiert aus egoistischen Motiven. Vor dem russisch-ukrainischen Krieg gab es wiederholt mehr oder weniger starke Oppositionsbewegungen. Seit seiner Machtergreifung hat Putin ein einfaches Mittel genutzt, um die Bevölkerung immer wieder hinter sich zu versammeln: Er erschuf eine (imaginäre) außenpolitische Bedrohung, die er dann mit Krieg überzog. Sein Hauptziel ist also der Erhalt und Ausbau seiner Macht.

Ähnliches gilt für Netanjahu. Er steht unter dem Druck von Ermittlungen der israelischen Staatsanwaltschaft und ist auf seine rechtsextremen Koalitionspartner angewiesen, um an der Macht zu bleiben und möglicherweise die Ermittlungen zu verhindern. Daher ist er darauf angewiesen an der Macht zu bleiben. Auch hier helfen außenpolitische Bedrohungen. Mehr noch, seine rechtsextremen Partner glauben an eine jüdische Vorherrschaft in Judäa und Samaria (dem Westjordanland) und Galiläa (Nordisrael/Südsyrien) oder zumindest an die Notwendigkeit, reale und eingebildete Bedrohungen durch die Nachbarn vollständig zu beseitigen. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist es strategisch nachvollziehbar Konflikte eher am Kochen zu halten.

Ehrlich gesagt, sehe ich Netanjahu und seine rechtsextremen Verbündeten in ihrer Motivation insgesamt näher an Putin als die Hamas.

Das bedeutet keineswegs, dass ich die Hamas verherrlichen will. Die Terroristen der Hamas sind jedoch Überzeugungstäter, die gegen einen als übermächtig wahrgenommenen Unterdrücker kämpfen. Bei Netanjahu und seinen Anhängern geht es dagegen hauptsächlich um Machterhalt, Schutz vor Strafverfolgung und religiös begründete territoriale Ansprüche.

Den menschenverachtenden Taten der Hamas muss jeder Menschenfreund entschieden entgegentreten, daran gibt es keinen Zweifel. Man muss sich jedoch bewusst sein, dass dies die Hamas vermutlich nicht beeindrucken wird. Das sollte uns aber nicht daran hindern auch Netanjahu deutlich zu sagen, dass er und seine Gang Verbrecher sind. Viele aufrechte Israelis tun das jede Woche. Warum fällt es dir dann so schwer das einzugestehen @Flixbus?

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Wer bei Friedensverhandlungen fordert die andere Seite müsse trotz Frieden ausgelöscht werden führt keine ernsthaften Verhandlungen. Gleiches gilt, wenn man den Verhandlungsführer der anderen Seite während dieser Verhandlungen umbringst. Beides hat Israel getan.

Die Gründe sind sehr einfach zu erklären. Die Koalitionspartner von Netanyahu würden die Koalition sprengen, wenn es zu Frieden kommen würde und in dem Fall würde Netanyahu vor Gericht landen und wahrscheinlich auch im Gefängnis. Dazu habe ich auch schon vor zwei Tagen zwei Artikel der Haaretz hier gepostet, die hat sich aber niemand angeschaut - ist offenbar leichter wenn man einfach in seiner Blase bleibt.

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So langsam wird’s echt absurd. Ich habe nicht nur kein Problem damit zu sagen, dass Bibi ein Krimineller ist, der alles Mögliche tut um an der Macht zu bleiben, weil er sonst höchstwahrscheinlich im Knast landet. Und im Unterschied wohl zu den meisten hier im Forum war ich auch schon auf einigen der Demos die du erwähnst. Und ich finde auch Rechtsextreme an der Regierung nicht auf einmal besser, nur weil es die israelische ist. Ich habe auch nie - wirklich nie - irgendetwas gesagt, was auch nur in diese Richtung deuten könnte! Aber wie man in diesem Thread (mal wieder) nachlesen kann, reicht ja schon der Hinweis auf den offensichtlichen Antisemitismus der Hisbollah(!) aus, um der politischen Unterstützung für diese Regierung bezichtigt zu werden. Es scheint für viele Menschen gar nicht mehr vorstellbar zu sein, dass es in Israel auch jenseits dieser Regierung ein Interesse daran geben könnte, militärisch gegen die Hisbollah vorzugehen und nicht einfach darauf zu warten, wann diese Lust hat, ihre Raketenarsenale auf Tel Aviv & Co. abzufeuern. Und genau an dieser absolut einseitigen und oft projektiven Fixierung auf die israelische Seite krankt meiner Meinung (auch) nach der deutsche Diskurs über den arabisch-palästinensischen Konflikt, weswegen ich wirklich überhaupt keine Lust habe, mich hier irgendeinem Bekenntniszwang unterzuordnen und mir manchmal halt nur noch mit Polemik zu helfen weiß. Aber wie ich gerade sehe, nehmen einige hier sogar den bittersten Sarkasmus noch für bare Münze. Das macht mich wirklich sprachlos.
Zu deinen aus meiner Sicht mehr als hinkenden Vergleichen zwischen Hamas, Putin und Netanjahu gäbe es noch viel zu sagen, aber da fehlt mir grad die Energie. Nur so viel: Wenn es eine Terrorbande wie der Hamas „nicht beeindruckt“, wenn man ihr einfach nur entgegentritt, könnte es ja mal eine Überlegung wert sein, ob man vielleicht lieber etwas unternimmt, was sie beeindruckt und im Zweifelsfall davon abhält weiter Hass zu sähen und zu morden.

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Und da sind wir wieder bei weiteren Eskalationen mit dem - durchaus hehren - Ziel, ein unerwünschtes Verhalten zu bekämpfen. Das Problem ist aber eben: So funktionieren Menschen nicht.

Wir können in den USA sehr schön sehen, dass weitere Strafverschärfungen, die Todesstrafe und co. alles nicht dazu führt, dass die Kriminalität runter geht. Und im Mittelalter dachte man auch, desto brutaler man Straftäter auf öffentlichen Happenings hinrichtet, desto mehr „schreckt es vor Straftaten“ ab. Das Resultat war das Gegenteil: Die Gesellschaft hat sich an die spektakulären Hinrichtungen mit Vierteilen, Rädern, Folter und co. gewöhnt und ist verroht.

Zu glauben, dass man einfach nur noch mehr militärische Gewalt einsetzen müsste, um die Hamas oder die Hizbollah zu besiegen und ihren Einfluss zu verringern, ist einfach ein absoluter Irrweg. Und deshalb haben wir es hier mit einem Dilemma zu tun, was ich absolut anerkenne. Aber nur, weil „nichts tun“ nicht zum richtigen Ziel führt, heißt das nicht, dass man in blindem Aktionismus einfach mehr Gewalt anwenden sollte, in der bloßen - ziemlich unbegründeten - Hoffnung, dass dann alles besser würde.

Mehr Gewalt ist hier keine Lösung. Die sinnvollste kurzfristige Lösung ist, dass die militärischen Operationen in Gaza schnell eingestellt werden und Israel die Grenze zum Gaza sichert und seine Raketenabwehr - mit Unterstützung der USA und gerne auch Europas - weiter ausbaut, damit die Raketen, die aus dem Gaza geschossen werden, keine zu große Bedrohung sind. Das ist nicht befriedigend, aber im Ergebnis sinnvoller, als jetzt auch noch im Libanon einzumarschieren, was der logische nächste Schritt wäre, wenn man deinen Plan verfolgt.

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Genau das meine ich: Allein schon eine „Überlegung“ (so der Begriff, den ich mit Bedacht gewählt habe!) wird hier zur „weiteren Eskalation“. Ganz abgesehen davon, dass ich eben von Organisationen gesprochen habe und nicht von Individuen. Die Repblik macht sehr gut die Ausblendungen deutlich, die aus meiner Sicht den Diskurs markieren. Rhetorisch wird das Dilemma vielleicht noch anerkannt, aber praktisch wird es dann überraschenderweise immer in genau dieselbe Richtung aufgelöst.

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Dann lass uns das doch gern überlegen. @Daniel_K scheint dem entgegenzuhalten, dass ein solches beeindruckendes entgegentreten und unternehmen keinerlei positive Effekte haben wird, sondern das Problem noch viel größer wird. Er begründet das empirisch auf Basis historischer Beispiele. Ich stimme ihm uneingeschränkt dabei zu. Gewaltsamer Hass löst man nicht durch Gewalt und Unterdrückung auf. Er wird dadurch nur noch schlimmer.

Was würdest du dem gern entgegen halten wollen? The stage is yours!

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Eine solche Formulierung unterstellt, dass Gewalt und Unterdrückung quasi Selbstzweck oder gar Ziel seien und betreibt damit in der Abstraktion eine Gleichsetzung von kategorial Verschiedenem. Und darin liegt die strukturelle Ähnlichkeit(!) zur Argumentation der Wagenknechts in Sachen Ukraine. Die reden auch abstrakt von Gewalt, Krieg und Toten, um nicht Verschiedenes unterscheiden zu müssen, erklären aber gleichzeitig Deutschland zum "Kriegstreiber ", während sie von der tatsächlichen Aggression Russlands bewusst schweigen.

Von der eigentlichen und keineswegs banalen Frage, wie man denn die Hamas tatsächlich wirksam bekämpfen kann und vom zuvor wenigstens noch erwähnten Dilemma bleibt da nichts mehr übrig außer einem moralischtischem „so jedenfalls nicht“. Und da werde ich einfach den Verdacht nicht los, dass es einigen eher genau darum geht.

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Ich glaube das ist unser zentrale Streitpunkt. Du bist der Meinung, dass die rechtsextreme Regierung beziehungsweise ihre Ziele der Vertreibung und Tötung der Palästinenser:innen und die Annexion ihres Landes nur eine Facette für das Handeln Israel ist. Ich bin hingegen der Meinung, dass dies die zentrale Motivation für das aktuelle Handeln Israels ist.

Meine Argumentation lautet sehr verkürzt wie folgt:

Die Hamas hat trotz, beziehungsweise gerade wegen der massiven Zerstörung in Gaza so viel Unterstützung und Zulauf wie seit Jahren nicht mehr und an der Hisbollah ist Israel schon 2006 gescheitert, als diese noch um ein vielfaches weniger Kämpfer, Raketen und Kampferfahrung hatte. Die Hamas, geschweige denn die Hisbollah auszulöschen ist in meinen Augen somit genauso aussichtslos wie die Auslöschung der Taliban in Afghanistan oder der Nationalen Befreiungsfront in Vietnam.

Um den Konflikt mit der Hisbollah zu beenden müsste man also den Krieg in Gaza beenden, denn die Hisbollah behauptet zumindest, dass sie aufhören würden Raketen nach Israel zu schießen, wenn es dort zu einer Waffenruhe kommt. Wenn sie sich an dieses Versprechen nicht halten kann man immer noch in den Krieg ziehen.

Es hängt also am Ende an der Waffenruhe in Gaza. Ich bin der Meinung, dass die Hamas sehr interessiert ist an einer Waffenruhe, sei es nun um sich neu zu formieren oder weil es ihnen wirklich um das Leiden der Zivilbevölkerung geht sei mal dahingestellt. Auf der anderen Seite haben wir eine rechtsextreme Regierung in Israel, die teilweise ein groß-Israelisches Reich errichten will oder nicht im Gefängnis landen will und beides Hängt davon ab, dass es auf keinen Fall zu Frieden kommt - andernfalls wäre dieser schon längst beschlossene Sache gewesen, denn soweit ich weiß läuft Israel auch wirtschaftlich auf dem Zahnfleisch wegen der Kriege. Aber das wirst du wohl besser einschätzen können, wenn du dort lebst.

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