Es könnte so einfach sein - Die Öffis, das liebe Geld und die Autolobby

Jedem denkenden Menschen ist klar, dass früher oder später die umweltschädlichen Subventionen wegfallen müssen. Gleichzeitig ziert sich die Politik, klimafreundliche subventionen z. B, im Bereich der Öffis einzuführen. Hier mal ein ganz einfaches Rechenspiel:

Das Dieselprivileg kostet den Staat jährlich ca 8 Mrd. Euro.

Abbau der Dieselsubventionen: Diesel ist für die deutschen Hersteller extrem wichtig.
Autoverkehr: Das Dieselprivileg kostet Milliarden an Steuergeldern | Augsburger Allgemeine

Das Dienstwagenprivileg kostet uns ca 3 Mrd, Euro.

Umweltschädliche Subventionen: Weg mit dem Dienstwagenprivileg! - taz.de.

Gleichzeitig wird durch die Öffis jedes Jahr 13 Mrd Euro eingenommen.

Würde man hier schlicht und einfach den ÖPNV als klimafreundliche Substitution begreifen und damit die oben genannten klimaschädlichen ablösen, könnte man den Großteil der Folgekosten abfedern und gleichzeitig erheblich zum Umweltschutz beitragen.

Nun bin ich mir nicht sicher, ob das die klügste Lösung ist. Es gibt viele Argumente dafür stattdessen ein 365-Euro ticket einzuführen.

Die Kosten dafür laufen laut Schätzungen auf 3-4 Mrd per annum hinaus. Folglich würde das Streichen des Dienstwagenprivileges reichen um diesen gigantischen Schritt ohne eine zusätzliche Belastung für die Staatskasse zu ermöglichen.
So würde man vermeiden, dass man durch teureren Diesel in den Transportketten die Inflation weiter antreibt. Einziges Gegenargument ist das die deutschen Autohersteller durch das Dienstwagenprivileg einen riesigen Gewinn machen… wir verteilen hier von öffentlicher Hand in die eines global players.

Netter Nebeneffekt: der deutsche Staat gibt im Moment über 160 Millionen Euro jährlich aus um Menschen zu inhaftieren, die beim Schwarzfahren erwischt werden und ihre Strafe nicht bezahlen/abarbeiten können. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Also worauf genau warten wir? Mobilität ist eine zentrale Komponente von Freiheit, die FDP müsste doch hier ganz vorne voran marschieren… wenn nicht die KFZ-Lobby wäre.
Politik muss nicht kompliziert sein, man muss nur wollen.

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Das Problem ist, dass du nur auf die Finanzierung schaust, aber nicht auf die Umsetzbarkeit. Wenn der ÖPNV für viele Pendler das Auto ersetzen soll, müssen auch entsprechende Kapazitäten vorliegen. Ich bin lange Zeit mit der S-Bahn zur Arbeit gefahren und kann sagen: In den Morgenstunden sind die S-Bahnen jetzt schon absolut überfüllt (Schüler, Studenten, Pendler…). Egal wie günstig das Ticket ist, wenn die Kapazität nicht ausreicht, hilft das alles nichts.

Und das große, ungelöste Problem beim Thema „Ausbau des ÖPNV“ ist und bleibt, dass aktuell schon Lokführer und Busfahrer händeringend gesucht werden, gleichzeitig aber eine weitgreifende Automatisierung dieser Bereiche in der nahen bis mittleren Zukunft zu erwarten ist.

Das bedeutet: Selbst wenn wir genug Leute finden würden, die bereit sind, sich in dem Bereich umschulen zu lassen, laufen wir in das Problem, dass dann in der Zukunft des autonomen Fahrens (in vielleicht 10 oder 20 Jahren) eine Massenarbeitslosigkeit dieser Arbeitskräfte droht. Bisher konnte leider noch kein überzeugendes Konzept präsentiert werden, das dieses Problem löst.

Die drei Kernprobleme des ÖPNV-Ausbaus bleiben halt Fuhrpark, Infrastruktur und Arbeitskräfte. Genug Busse und Züge können wir produzieren oder kaufen, wobei schon bei KFZ aktuell lange Wartezeiten bestehen („Chipmangel“). Die Bahn-Infrastruktur kann zumindest in der Theorie auch eine stärkere Taktung aushalten, in der Praxis muss hier aber auch noch viel passieren. Aber die Arbeitskräfte reichen vorne und hinten nicht aus, um den ÖPNV dergestalt auszubauen, dass er für den Großteil der Bevölkerung eine realistische Alternative zum Auto ist.

Die einzige Lösung für die Arbeitskraftproblematik bleibt wohl die großflächige Einführung autonomer Systeme - aber hier sehe ich Deutschland leider nicht in einer Vorreiterrolle, sondern Deutschland wird wieder ein paar Jahre hinter den USA oder Japan hertrotten… Autonomes Fahren dürfte gerade im Bereich der Busse deutlich leichter umsetzbar sein als bei normalen Fahrzeugen, schlicht weil sie immer die gleiche Strecke mit einer mäßigen Geschwindigkeit fahren. Hier sollte die Forschung viel stärker unterstützt und forciert werden.

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Alles völlig richtig. Aber meiner Meinung nach muss der Druck auf die Öffis erst durch mehr Nachfrage noch größer werden bevor die Kapazitäten ausgebaut werden.

Und genauso muss es doch sein! Klar macht das niemandem Spaß. Aber nur wenn die Öffis maximal am Limit sind entsteht Druck die Kapazitäten auszubauen. Wenn die Öffis auch nur zu 80% belegt sind können wir uns direkt auf „Die Kapazitäten entsprechen der Nachfrage“ einstellen. Die Öffis müssen in den nächsten Jahren maximal überfüllt werden, sonst bewegt sich nichts.

Fachkräftemangel herrscht überall. Das ist doch keine Argument gegen günstige Öffis?
Man könnte ja Beispielsweise die 160 Millionen Euro PRO JAHR statt für Inhaftierungen dafür verwenden Menschen den Busführerschein zu subventionieren, meinetwegen zu 100%. Das wird jetzt schon teilweise gemacht, aber nur wenn es an ein konkretes Angebot gekoppelt ist. Gut, das wird ja von alleine kommen.
Und wenn man merkt, Das hier ein Job in öffentlicher Hand, der eine wichtige gesellschaftliche Funktion hat, nicht genug Interessenten hat, kann man ja bequem etwas ganz verrücktes machen: Man erhöht die Gehälter der Busfahrer. Wundern wir uns wirklich das niemand Lust hat für 1,8 Netto Im Schichtdienst Wochen-und Feiertags zu arbeiten und sich dann noch ständig von Gott und der Welt anfeinden zu lassen? Finde ich mehr als nachvollziehbar. Und damit sind wir dann doch wieder beim Geld angekommen

Was das autonome Fahren angeht halte ich die Prognose das dort innerhalb der nächsten 10-20 Jahren eine Massenarbeitslosigkeit droht für maßlos übertrieben. Wir haben in Deutschland immer noch keine öffentlichen Wlans, und müssen in der Regel Bargeld in der Tasche haben weil man nicht einfach mit Karte oder Handy zahlen kann. Ich habe vor 7-8 Jahren eine Zeit lang in Lettland gewohnt. Die waren da in diesen Sachen schon um Längen weiter als wir es heute sind.
Was ich sagen will: So schnell schießen die Preußen lange nicht, bis wir in der Breite autonome Öffis haben, insbesondere auf den ganzen ländlichen Routen wird noch so viel Zeit vergehen dass man dieses Argument hier denke ich getrost außen vor lassen kann. Und die, die es trifft werden in anderen Sektoren, die auf ähnliche Probleme zusteuern (es fehlen alleine 60.000 Heizungsinstallateure, Auf dem Solarmarkt sieht es nicht besser aus, und über das Gesundheitssystem möchte ich schweigen) mit Kusshand genommen werden. Manchmal führt halt keine Weg an einer Umschulung vorbei, aber wenn es daran scheitert können wir wirklich direkt den Laden dicht machen.

Und nochmal: Das sind alles Probleme vor denen wir so oder so stehen. Aber den Druck aus dem System zu nehmen indem man die Öffis nicht so attraktiv gestaltet wie irgendwie möglich ist doch kein sinnvoller Ansatz.

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Ich hätte da noch einen richtig unpopulären Vorschlag: warum keine GEZ-Gebühr von 30 € / Haushalt und Monat für den öffentlichen Nahverkehr?

Es gibt 45 Mio. Beitragskonten (38 Mio. Privathaushalte, 7 Mio. Unternehmen), dann kämen 30 € * 12 Monate * 45 Mio. Zahler = 16,2 Milliarden € / Jahr heraus - also ungefähr das, was der ÖPNV kostet.

Das hätte aus meiner Sicht folgende Vorteile:

  • Die Abgabe ist sozial gerecht, denn man zahlt pro Haushalt. Eine Familie mit zwei Kindern bezahlt umgerechnet 7,50 € pro Monat für das Ticket. Ein Schülerticket kostet normalerweise mehr als die gesamte Abgabe.
  • Man könnte sich sämtliche Kontrollen im Nahverkehr sparen und die Arbeitskräfte für andere Dinge einsetzen (z. B. mehr Fahrer).
  • Kein Tarifdschungel mehr, auch nicht für Wenigfahrer
  • Keine Fahrkartenautomaten, keine langen Bezahlprozesse im Bus mehr
  • Durch die Zwangsabgabe werden auch Leute motiviert, den ÖPVN zu nutzen, welche bei einem kostenlosen Ticket lieber nur Auto gefahren wären (Psychologisch nutzt man Dinge mehr, wenn man etwas dafür bezahlen muss).
  • Kein neuer bürokratischer Aufwand durch Nutzung der GEZ als Einzugszentrale

Und natürlich das Freiheitsgefühl, einfach überall in Bus/Bahn einsteigen zu können, ohne darüber nachzudenken, und sich 20 verschiedene Apps installieren zu müssen.

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Na klar, und als nächstes noch eine Zwangsabgabe um die Schulen zu finanzieren, und eine um die Krankenhäuser zu finanzieren, eine für die maroden Brücken… Es ist die Aufgabe des Staates mit seinen Steuermitteln zu haushalten, und nicht wannimmer es genehm ist die Bürger beliebig zu verpflichten die Löcher zu stopfen. Das ist doch gerade das charmante an der Idee z.B. das Dieselprivileg abzuschaffen:
Das man eben eine sinnvolle Lenkungswirkung nutzt ohne die Haushalte der Bürger weiter zu belasten.
Die Öffis zu einem Symbol für staatliche Übergriffigkeit und Zwang werden zu lassen ist ganz sicher nicht zielführend.

Das mit der sozialen Gerechtigkeit würde ich auch mal in Klammern setzen wenn ein armer Haushalt einen viel größeren Anteil seines Einkommens verwenden muss, ob sie wollen und das Angebot nutzen oder nicht. Und wenn man es progressiv gestaltet kann man es auch gleich eine Steuer nennen.

  • Kein neuer bürokratischer Aufwand durch Nutzung der GEZ als Einzugszentrale
  • Keine Fahrkartenautomaten, keine langen Bezahlprozesse im Bus mehr

Also ich hab mir mein 9-Euro Ticket bequem in 2 Minuten auf dem Handy geholt.

  • Kein Tarifdschungel mehr, auch nicht für Wenigfahrer

Das würde auch bei einem 365-Tage Ticket gelten.

Ich glaube die GEZ einzutreiben ist durchaus mit einem gewaltigen personellen Aufwand verbunden. Das wäre eher ein Argument pro Öffis umsonst.

Also meiner Erfahrung nach entwickeln Leute zu Dingen zu denen sie vom Staat gezwungen werden eher ein schwieriges Verhältnis. Du meinst wenn Leute sich etwas erarbeitet und aus freien Stücken Geld für etwas ausgegeben haben. So wie beim 365er-Ticket.

Je mehr ich drüber Nachdenke desto weniger Sinn ergibt das für mich. Ich sehe keinen Vorteil.

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Persönlich kann ich mir das sehr gut vorstellen. Das ist echt nicht viel. Das ist ein Euro pro Tag und Haushalt. Da bin ich sofort dabei. Wer dann noch Auto fahren möchte, kann sich gerne obendrein noch ein Auto leisten.

Demgegenüber kostet das 365€-Ticket so gesehen einen Euro pro Tag und Person. Die Abgabe pro Haushalt ist für Familien günstiger. Ich kann dem wirklich was abgewinnen.

Steuern sind nicht zweckgebunden. Um’s mal provokativ zu formulieren: Steuermittel sind nicht sicher vor Wahlversprechen. :grin: Eine Abgabe hingegen ist strikt zweckgebunden. Von daher: Ja, her mit der Öffi-Abgabe.

Eine Abgabe hat auch noch aus psychologischer Sicht einen Vorteil: Dann erweckt es nämlich nicht den Anschein, „umsonst“ zu sein.

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Man kann auch locker ein 9 Euro Ticket für alle dauerhaft durch das Abschaffen des Firmenwagen-Privilegs gegenfinanzieren. Bekommt man im Autoland Deutschland nicht durch.

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Hi @Daniel_K Könnte es sein, dass du gerade versuchst, den ÖPNV als Autoersatz zu denken? Ich verstehe voll, wo deine Argumente zum technischen Fortschritt im ÖPNV durch Automatisierung etc. herkommen, aber ich sehe da eine gewisse Falle, die uns wieder zurück zum motorisierten Individualverkehr führen könnte:

Die Wege, die Menschen zurücklegen, sind historisch entstanden. Ein wichtiger Faktor dabei war, was über Jahrzehnte das bequemste (oder am wenigsten unbequemste Mobilitätsangebot war). Das ganze Leben von Millionen ist auf das einfachste Mobilitätsangebot ausgerichtet und wenn wir nur das Verkehrsmittel ändern (z.B. von Auto zu ÖPNV), dann wird man Menschen zwingen, das nicht optimale Werkzeug für ihren Zweck zu nutzen. Ergo werden sie wieder zum Auto greifen wollen (und das politisch einfordern), selbst wenn man ihnen vermeindlich gute Alternativen anbietet.

In der Konsequenz versuchen BefürworterInnen von Umweltverband-Verkehrsmitteln oft unbewusst, ihre Verkehrsmittel als Auto zu denken. Wenn ich die Automatisierung, die du in deinem Post befürwortest, weiterdenke, dann komme ich zu immer kleineren, autonom fahrenden Bussen, also zum autonom fahrenden Opel, oder im schienengebundenen Verkehr zum Konzept kleiner „Pods“, wie sie Elon Musk in dem Tunnel unter der Messe in Las Vegas fahren lässt. Beides ist verkehrstechnisch eher so meh und hat andere Stärken und Schwächen, als eine gute alte S-Bahn.

Ich habe deshalb eine Zweifel, ob es ausreicht,

Wir müssen gleichzeitig viel mehr darüber nachdenken, welche Wege wir zurücklegen wollen und wie unsere Welt so wird, dass nicht mehr das Auto, sondern ÖPNV, Rad und Fuß das beste Werkzeug für diese Wege werden.

tldr:
Verkehrswende muss mit einer Änderung des Mobilitätsverhaltens in der Gesellschaft einhergehen. Bei Beibehaltung des heutigen Mobilitätsverhalten bleibt das Auto das beste Werkzeug, weil sich das heutige Mobilitätsverhalten unter autofreundlichen entwickelt hat. Daher bin ich skeptisch, wenn man versucht, Automobilität mit Technologie durch ÖPNV darzustellen.

Könnte man, aber uns hier in BY auf dem Land würde das derzeit nicht helfen. Warum?

Wir haben kein 9 Euro Ticket gekauft, weil wir uns meistens in einem Umkreis von 40-60 KM aufhalten evtl. mal selten bis zu 200/350 KM Rardius Fahren.

Die Öffentlichen sind in den Entfernungen bis 40/50 KM nicht tragbar, und sogar klimaschädlicher als unsere E Autos mit 99% Solarstrom. Der Bus fährt mit dreckigstem Diesel und die Bahn fährt mit dreckigstem Diesel. Außerdem hätten wir ein vielfaches der Kilometer zurückzulegen und zusätzlich mehrere Verkehrsmittelwechsel auf unseren Strecken, darüberhinaus noch eine Vervielfachung der Fahrzeit. Wir bräuchten dann für eine Ausfahrt mit unserem Opa, soziale Verpflichtung, anstatt 3-4 h einen kompletten Arbeitstag, Das würde bedeuten, wir müssten zusätzlich noch einen Tag Urlaub nehmen für 1-2 mal die Woche mit ihm. Das wäre nicht möglich.

Ich könnte die Strecke locker mit dem E Bike zurücklegen, aber nicht bei 35 Grad wie derzeit und ebenso nicht bei Eis/Schneeregen. Außerdem hätten wir Probleme, die Lebensmittel die wir dem Opa bringen, kühl zu halten und zu transportieren.

Wir haben das kürzlich wirklich durchgerechnet, hin und her vor und zurück. Es bleibt derzeit nur ein Umstieg auf ein Elektroauto und es mit möglichst 100% Öko/Solarstrom/windstrom/Wasserstrom zu laden und zu fahren. Ja, das ist nicht emissionsfrei, aber das Emissionsärmste was wir tun können.

jeder sollte im Rahmen seiner Möglichkeiten das tun was möglich ist.

Ja, das ist blöd, macht aber das 9€ Ticket nicht schlechter. Nicht jede Lösung ist für jeden gleich gut. Ich konsumiere auch keinen ÖR und zahle dennoch meinen Beitrag, und das halte ich ganz generell auch für sinnvoll.

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Die Frage ist, inwiefern eine Änderung des Mobilitätsverhaltens wirklich realisierbar ist und auf Akzeptanz der Bevölkerung trifft.

Klar wäre es besser, wenn jeder einfach in Fuß- oder Radl-Reichweite seines Arbeitsplatzes wohnen würde. Aber andere gesellschaftliche Entwicklungen, die wir klar haben wollen, verhindern das.

Beispielsweise wollen wir ja gerade weg von der „Der Mann verdient das Geld, die Frau kümmert sich um die Familie“-Familie. Eine solche kann sich natürlich einfach am Arbeitsort des Mannes niederlassen. Aber was halt, wenn Mann und Frau, wie heute aus guten Gründen gewünscht - beide arbeiten? Das ist der Hauptgrund für lange Pendel-Strecken. Der Mann arbeitet in Essen, die Frau in Köln, also wohnt die Familie irgendwo in Duisburg.

Die immer komplexer werdende Berufswelt mit immer stärkerer Spezialisierung führt eben dazu, dass heute nicht mehr jeder „Bauer oder Arbeiter“ fast beliebig austauschbar ist. Auch die Flexibilität der modernen Arbeitswelt, die ihre Vor- und Nachteile hat, führt eben zu viel Pendelverkehr. Wenn man nicht weiß, ob man den neuen Job überhaupt länger als 5 Jahre macht, will man seinen Kindern vielleicht auch keinen Umzug zumuten, mit Schulwechsel und allem drum und dran.

Natürlich hast du Recht, dass wir auch an der Reduktion von Wegstrecken arbeiten müssen, aber das wird halt nur bei einem Teil der Strecken möglich sein - der ÖPNV muss von seinen Kapazitäten her dennoch massiv ausgebaut werden.

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Und vor allem, warum Dienstwagenregelungen abschaffen? Hat ja damit gar nichts zu tun.
Dann lieber CO2-Pauschale auf Kerosin.

Dieser Vergleich hinkt ein wenig, denn Du könntest ÖR in gleicher Qualität wie alle anderen nutzen, entscheidest dich aber dagegen. Beim ÖPNV sieht die Lage im ländlichen Raum etwas anders aus, selbst wenn massiv ausgebaut würde.

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Das ist auch meine Sorge. Der Automobilismus scheint mir viel tiefer verwurzelt, als dass wir ihn durch ein bisschen Öffi-Ausbauen austreiben können.

Dein Gleichstellungsargument finde ich auch wichtig. Vielleicht eine Ergänzung:

Nur die Minderheit der Wege, die Menschen in unserem Land zurücklegen, sind Pendelwege. Beispielsweise ermittelt die Studie Mobilität in Deutschland 2017 des Verkehrsministeriums (Abbildung 33 auf Seite 61, sorry für die umständliche Quelle), dass nur 34% aller Wege durch Beruf oder Ausbildung verursacht werden. Trotzdem dominiert das Pendeln immer noch unsere Vorstellung von Mobilität. Dabei entfallen 66% der Wege auf Freizeit, Einkauf, Erledigungen und Begleitung (z.B. das Elterntaxi), also typische Care-Arbeit. Und zur Gleichstellung gehört auch, dieser Care-Mobilität den gleichen Stellenwert zu geben, wie Erwerbsmobilität.

Wenn wir eine Änderung zu weniger Automobil wollen, dann halte ich es für wichtiger, an Care-Arbeit- und Freizeitwegen anzusetzen, zum Beispiel durch 15-Minuten-Siedlungen. Und ich denke, dass dort auch das hebbarere Einsparpotential liegt, nicht im Pendelverkehr.

Natürlich will ich nicht gegen einen Ausbau des ÖPNV argumentieren, aber aus meiner Sicht ist ein Teil dieser Diskussion von der Auto-Denkweise des 20. Jahrhunderts getrieben: „Man muss nur die prototypischen Pendelwege gut gestalten“. Solange nicht gleichzeitig die Dasensvorsorge und vor allem die Fuß- und Radwege an den Wohnorten verbessert werden, laufen wir Gefahr, durch mehr ÖPNV nur noch mangelhaftere Kopien der autogerechten Stadt zu produzieren.

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Das Leben der meisten Menschen in den Industriestaaten hat sich um das Auto herum gestaltet. Man wird die Nutzung des Autos nicht minimieren wenn man nicht bereit ist an der Gestaltung des täglichen Lebens etwas zu ändern.

Nur dann wird irgendwann etwas anderes passieren und unser Leben verändern, und ob das weniger schmerzhaft und drastisch ist als ein von uns bestimmter Wandel? Ich wage es zu bezweifeln.

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Man/Frau muss sich nur bewusst sein, das es nicht die passende Lösung für alle gibt. Was an ÖPNV in der Grossstadt super funktioniert, sieht auf dem platten Dorf wieder völlig anders aus. Und selbst wenn es nur 30% Berufspendler sein sollten, sind das auch 30% Wählerstimmen.
Da die Politik immer bemüht ist, es allen recht zu machen, wird eine einvernehmliche Mobilitätswende schwierig.
Von den wirtschaftlichen Interessen der Autoindustrie mal gar nicht gesprochen…

Die Stadtentwicklung in Richtung 15-Minuten-Siedlungen zu treiben dürfte ein Unterfangen von Jahrzehnten sein - das wird für die Bekämpfung des Klimawandels leider zu spät kommen. Die 15-Minuten-Siedlung ist sicherlich ein löblichen Konzept für neue Siedlungsgebiete, aber die werden halt binnen der nächsten 50 Jahre keine 20% der Wohngebiete ausmachen.

Ein anderes Problem, das ich als ausgesprochener Individualist mit den 15-Minuten-Siedlungen habe, ist, dass dieses Konzept in seiner Gänze nur aufgehen kann, wenn alle Bewohner zumindest grob ähnliche Interessen haben. Sobald jemand Hobbies hat, die nicht absolut „normal“ sind, werden zwangsläufig Wegstrecken für das Hobby anfallen. Kurzum: In jeder 15-Minuten-Siedlung wird vermutlich ein Fußballverein sein, aber wer z.B. Brasilian Jiu-Jitsu machen will, wird dafür mobil sein müssen. Jede 15-Minuten-Siedlung hätte vermutlich im Konzept einen Schwimmverein, aber wer einen Tauchverein will, muss halt reisen, weil dieser nicht in jeder Siedlung sein wird. Das sind nur zwei Beispiele für das allgemeine Problem.

Und hier befinde ich mich in einem Konflikt - denn einerseits ist mir Umweltschutz und somit auch das Vermeiden von Wegstrecken wichtig, andererseits ist mir die gesellschaftliche Vielfalt ebenso wichtig. Die Antwort kann daher nicht lauten: „Wenn du Sport machen willst, geh halt in den Fußballverein, den gibt’s in jedem Viertel!“, denn ich will gerade auch Randsportarten und Nischenhobbies ermöglichen.

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Das ist m.e. nicht vergleichbar und lenkt vom Thema ab. Die ÖR zu bezahlen ist gesetzlich verpflichtend definiert. Und wir konsumieren selten ÖR aber ab und zu tue ich es und wenn es nur Musik hören im Radio ist.

Ein 9 Euro Ticket zahle ich nicht, wenn ich es nicht benötige und in Anspruch nehme, meine Transferleistungen sind Steuern, Spenden, Abgaben und Gebühren, darüber hinaus noch Mitgliedsbeiträge bei Gemeinnützigen Vereinen, meine Arbeitsleistung, welche ich dem Staat zur Verfügung stelle etc.

Warst Du das nicht mit dem130.000 Euro teuren BMW IX, der noch gejammert hat, dass er mehr private Nutzung versteuern muss als jemand mit einem Elektroauto, das unter 60.000 Euro kostet?
Hattest du nicht auch ein angebliches Jahresgehalt von mehr als 300 K/Jahr?

Könntest du dir deinen Dienstwagen nicht auch leisten, wenn das Privileg nicht vorhanden wäre?

Versteh mich nicht falsch, aber deine Äußerungen verbuche ich unter dem Punkt Entitlement und First World Problems.

Ich hätte übrigens gerne einen BMW I4 M50 mit 550 Elektro PS, könntest du da was für mich machen :stuck_out_tongue:
Der kostet auch nur 70 K…

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Ja ich weiss der Vergleich hinkt, aber man kann auch das 9€ Ticket verpflichtend machen. Ob ich es dann nutze oder nicht obliegt weiterhin meiner eigenen Entscheidung.

Thommy’s Einwand ist berechtigter:

Stimmt, aber sagen wir mal so, die Qualität des ÖR beurteilt ja auch jeder anders. Der eine nutzt ihn, der andere nicht. Ich sehe aber ein dass der Vergleich hinkt, aber ich denke jeder hat verstanden was ich sagen wollte. Wir können uns das alles leisten, wenn nur jeder einzahlt in den Topf. Der eine nutzt es eben mehr, der andere weniger. Sobald sich einzelne Gruppen aus der Solidargemeinschaft herausziehen kommt es zu Problemen. Ich erspare uns jetzt die naheligenden Vergleiche, die sicherlich auch teilweise hinken.

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