Erforderlichkeit der Kontaktbeschränkungen im BVerfG-Beschluss

Moin,

Ulf hatte in der letzten Ausgabe kritisiert, wie das BVerfG im Beschluss zur Bundesnotbremse mit dem Erforderlichkeits-Kriterium umgeht. Insbesondere wurde kritisiert, dass das BVerfG Maßnahmen, die Dritte belasten, nicht in die Erforderlichkeitsprüfung einbezogen wurden. Ulf spricht insoweit von einem „verfassungsdogmatischen Novum“. Die Einschätzung finde ich etwas zu weitgehend. Es ist zwar richtig, dass das BVerfG diesen Prüfungsmaßstab nicht in jeder Entscheidung klar so durchzieht. Aber neu ist die Idee nicht. Man kann das zB nachlesen bei Bumke/Voßkuhle, Casebook VerfR, Rn. 129 ff. (auch schon in den Vorauflagen); Hillgruber HStR IX § 201 Rn. 64. Dahinter steht letztlich der Gedanke des Pareto-Optimums (der Staat soll andere Maßnahmen ergreifen, wenn diese eine Gruppe besser stellen und niemanden schlechter stellen).

Wenn man das so sieht, sind diese „Alternativmittel“ natürlich regelm. eine Frage der Angemessenheit, die auch eine flexiblere Handhabung der Problemkonstellation erlaubt. Insoweit ist die Kritik, dass Regelungen für das Arbeitsleben als Alternativmittel außer Acht gelassen wurden, auch nicht unberechtigt - auch in der Angemessenheit steht dazu nicht wirklich etwas. Wenn man das ganze als Frage der Angemessenheit versteht, lässt sich das aber vielleicht noch mit dem insoweit seht weit zurückgenommenen Kontrollmaßstab erklären und damit, dass das BVerfG davon ausgeht, dass keine Erkenntnisse darüber vorlagen, wie wirksam die Maßnahmen jeweils sein würden. Insoweit passt die eingeschränkte Erforderlichkeitsprüfung auch zum „Kurswechsel“ des BVerfG, nur noch deutlich eingeschränkter zu kontrollieren - so doof man den auch finden kann.

Ich kann die Kritik deshalb in der Sache durchaus verstehen, aber finde die methodische Kritik etwas übertrieben. Sicher - das hätte man besser machen können. Aber ein völliger Aussetzer ist es mE auch nicht. Im öffentlichen juristischen Diskurs (und damit meine ich jetzt nicht die Lage) setzt sich da (finde ich) manchmal ein Bashing der Gerichte durch, das niemandem wirklich etwas bringt, sondern nur dem Vertrauen in den Rechtsstaat schadet. Ich würde die Kritik von Ulf jetzt nicht mit in diesen Topf stecken wollen, aber finde trotzdem, etwas mehr Besonnenheit hätte der Debatte gut getan.

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