Liebe Lage-Fans,
untenstehend ein zugegebenermaßen sehr umfangreicher Erfahrungsbericht zum Thema Gesundeitsamt, Testmöglichkeiten und Teststationen in Sachen Corona. Verfasst wurde er nach einem sehr frustrierenden Tag in Quarantäne an dem ich unter anderem, trotz Brief der Behörde, an einer Teststation abgelehnt wurde.
Am Sonntag den 20.09.2020 hatte ich persönlich Kontakt zu einem Corona-Infizierten bei einem Fußballspiel. Bei dem Infizierten handelte es sich um einen Mitspieler aus meiner Mannschaft mit dem ich nach dem Spiel noch eng zusammen saß und ein Gespräch führte.
Am Montag den 21.09.2020 reiste ich gemeinsam mit einem Freund zuerst nach Bonn, dann nach Hamburg.
Ebenfalls am Montag den 21.09.2020 wurde besagter Mitspieler im Rahmen einer Routinetestung seines Arbeitgebers auf den neuen SARS-CoV-2 getestet.
Am Mittwoch den 23.09.2020 teilt der infizierte Mitspieler abends in der privaten WhatsApp-Gruppe der Mannschaft mit, dass sein Test positiv ausfiel, woraufhin ich selbstständig begann mich von Menschenansammlungen fern zu halten, bis ich wieder im Hostel war.
Am Donnerstag den 24.09.2020 checken mein Freund und ich aus dem Hostel aus und fahren an die Nordseeküste. Dort halten wir nur an, um Luft zu schnappen und verschiedene Landschaften anzuschauen. Während der ganzen Zeit haben wir kaum Kontakt zu Menschen.
An diesem Donnerstag um 17:29 Uhr teilt mir eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamtes telefonisch mit, dass ich nun in Quarantäne bin.
Vom Gesundheitsamt aus werden alle Kontakte der infizierten Person in den letzten 48(!) Stunden zurückverfolgt und kategorisiert.
Alle als Kategorie 1 eingestuften Kontaktpersonen müssen sich unverzüglich in Quarantäne begeben und sich ebenfalls auf das Virus testen lassen. So werden Menschen die gemeinsam mit dem Infizierten in einem geschlossenen Raum waren automatisch in die Kategorie 1 eingestuft.
Ich falle in die Kategorie 1 aufgrund des Gesprächs mit dem infizierten Mitspieler nach dem Spiel.
Als Kategorie 2 eingestufte Kontaktpersonen müssen sich erst beim Auftreten von Symptomen in Quarantäne begeben. Viele Mitspieler, welche sich nach dem Spiel zum Beispiel nicht mit dem Infizierten unterhalten haben, werden als Kategorie 2 eingestuft.
Außerdem wird mir mitgeteilt, dass die Quarantäneanordnung auch dann gilt, wenn ein Test negativ ausfällt.
Wir, die wir uns noch an der Nordsee befinden, begeben uns nach dem Anruf des Gesundheitsamtes mit dem Auto unverzüglich zurück nach Süddeutschland und in Quarantäne. Mein Freund, welcher mit mir auf dieser Reise war, gilt von behördlicher Seite nur als Kontaktperson einer Kontaktperson (mir), weshalb er nicht amtlich unter Quarantäne gestellt wird. Trotzdem entscheidet er sich, aufgrund des permanenten Kontakts zu mir, selbstständig in Quarantäne zu begeben.
Da viele von uns Fußballern weder am Mittwoch, noch am Donnerstag einen Anruf vom Gesundheitsamt erhalten, rufen sie selbstständig dort an. Unter anderem wird einem Teamkollegen mitgeteilt, dass die Infektion des Mitspielers erst am Mittwoch bestätigt worden sei und er sich deswegen keine Sorgen machen müsse, weil eben nur die letzten 48(!) Stunden (Aus Sicht des Gesundheitsamtsmitarbeiters also ab Montag) vom Gesundheitsamt zurückverfolgt würden.
(Am Folgetag erhielt dieser Teamkollege einen Anruf vom Gesundheitsamt in dem er immerhin als Kategorie 2 eingestuft wurde.)
Am Freitag den 25.09.2020 befinde ich mich zuhause und warte vergeblich auf einen Brief des Gesundheitsamtes. Der Brief wird an den meisten Teststationen benötigt um einen kostenfreien Test machen lassen zu können. Viele Mitspieler werden an diesem Tag erstmals von Seiten der Behörde über die Lage informiert. Meine Corona-Warn-App ist inzwischen rot hinterlegt und zeigt Risikobegegnungen am vergangenen Sonntag an. Inzwischen melden sich weitere Teammitglieder welche positiv auf das Corona-Virus getestet wurden.
Am Samstag den 26.9.2020 befinde ich mich zuhause und warte vergeblich auf einen Brief des Gesundheitsamtes.
Da ich mir bereits Sorgen um meinen Freund von der Reise mache, versuche ich mich bereits am Samstag testen zu lassen. Von meinem Heimatort in Oberschwaben ist die nächste Teststation an Wochenenden mindestens 1 Stunde Fahrzeit entfernt.
Von Seiten des ärztlichen Notdienstes wird ein Test verweigert, da ich keine Symptome aufweise. Alle Teststationen welche ich (nur sehr schwer!) im Internet ausfindig machen kann, bieten Tests nur für Reiserückkehrer oder „Berechtigte“ an. Da ich noch keinen Brief vom Gesundheitsamt oder meinem Bürgermeisteramt habe, gehe ich zu dem Zeitpunkt davon aus, dass ich nicht ofiziell berechtigt bin. Erst am nächsten Tag finde ich heraus, dass manche Teststellen auch Leute testen, bei denen die Corona-Warn-App rot leuchtet.
Die meisten Seiten im Internet geben keinerlei Auskunft wann eine Teststelle besetzt ist, nach einigen mühsamen Versuchen werde ich auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) aufmerksam, welche alle Teststationen übersichtlich in einer Map veranschaulicht.
Am Sonntag den 27.09.2020 erhalte ich endlich den Brief des Bürgermeisteramtes in dem steht, was ich zuvor schon telefonisch erfahren habe. Weiter ist dort vermerkt, dass nach ca. 5-7 Tage nach Erstexposition ein zweiter Test erfolgen sollte, um eine Infektion Ausschließen zu können. Mittlerweile ist der 7. Tag nach Erstexposition und ich wurde noch nicht getestet. Keine Pointe.
Als ich mich am selben Tag auf den 1-stündigen Weg an eine Teststation an der Autobahn mache, von der es bei der KBV heißt, sie teste Reiserückkehrer und „Berechtigte“, werde ich dort nach 30 Minuten Wartezeit trotz roter Corona-Warn-App und Brief der Behörde abgelehnt. Mir wird ein Zettel ausgehändigt ich solle mich an den ärztlichen Notdienst wenden. Noch immer keine Pointe.
Mein Freund aus dem Urlaub befindet sich weiter tapfer in selbstgewählter Isolation und will mein Testergebnis abwarten. Ich fühle mich schuldig, weil ich ihm keine Erkenntnisse liefern kann.
Ein weiterer Freund arbeitet mit schwerbehinderten Kindern und hatte sowohl Kontakt zum Infizierten als danach auch zu den Kindern. Bis zum jetzigen Zeitpunkt (Sonntag 27.09.2020, 22:49 Uhr) konnte auch er sich nicht testen lassen.
Am Montag den 28.09.2020 kann ich mich endlich testen lassen. Es bleibt die Wartezeit bis zum Ergebnis.
Mein Freund aus dem Urlaub wird sich nicht auf das Virus testen lassen können, da er 48 Stunden vor meinem Test keinen Kontakt zu mir hatte und deshalb keine amtliche Quarantäneanordnung erhalten wird.
Meine persönliche Meinung:
-die Mannschaft hätte vollständig in Quarantäne gehen müssen, es ist völlig unklar, wer hier wen angesteckt hat. Die Infektion wurde einzig und allein durch Zufall bei eben jenem Mitspieler zuerst bemerkt, mit dem ich mich nach dem Spiel unterhalten habe.
-dass die Mannschaft in Teilen erst am Freitag von Seiten der Behörde über die Lage informiert wurde, grenzt an eine Frechheit. Man stelle sich vor, ein Arbeitgeber zeigt kein Verständnis für eine selbstgewählte Quarantäne. Einige meiner Mannschaftsmitglieder arbeiten weiter als wäre nichts passiert.
-viele Aussagen von Gesundheitsamtsmitarbeitern zeigen von erschreckender Unkenntnis, in der Folge entstehen Verwirrung und Unsicherheit bei den Betroffenen
-dass es nur schwer möglich ist Corona-Teststationen mit gültigen Informationen im Internet zu finden, ist bei der Bekämpfung der Pandemie mehr als hinderlich
-Die Teile der Bevölkerung, die keine Rücksicht nehmen und in Zeiten wie diesen in Risikogebiete strömen, bekommen Zugang zu einem kostenlosen Test während es für Menschen wie PolizistInnen, Pflegekräfte, KindergärnerInnen u. a. mit von Natur aus vielen Sozialkontakten ähnlich schwer ist sich testen zu lassen, wie für mich
-die Information der Betroffenen muss wesentlich schneller erfolgen, nur so kann eine Pandemie erfolgreich bekämpft werden
Es ist schon schwer erträglich, aber logisch, dass es nach einer Testung welche am Montag erfolgt erst am Mittwoch zu einem Ergebnis kommt.
Es ist ebenfalls schwer erträglich, aber noch einigermaßen verständlich, dass eine vollständige Erfassung und Rückverfolgung der Kontakte eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. Allerdings gilt es an dieser Stelle zu sagen, dass die privaten Handynummern von allen Mannschaftsmitgliedern bekannt waren, weshalb zu erwarten wäre, dass auch all diese Menschen spätestens am Donnerstag über die Lage informiert werden.
Es ist nicht hinnehmbar, dass unmittelbare Kontaktpersonen nicht so schnell wie möglich getestet werden können.
Es ist insbesondere nicht hinnehmbar, dass die Kontakte nur über 48 Stunden zurückverfolgt werden. Das ist natürlich an allererster Stelle schon rein medizinisch vollkommener Schwachsinn. Weiter führt es dazu, dass mein Freund mit dem ich zwar nach dem wahrscheinlichsten Punkt einer möglichen Ansteckung gemeinsam im Urlaub war, aber nicht zusammen war in den letzten 48 Stunden im Falle eines positiven Testergebnisses, kein Recht auf eine Testung hat.
Ich hoffe mein Frust trieft nicht zu sehr aus diesem Text;)