Enteignung von Mooren möglich?

Ich sehe das pragmatischer.
Ein Gesetz, dass Moore nicht mehr als Ackerland gelten, dann die Streichung der Subventionen für diese Flächen (ausser sie werden renaturiert) würden wohl als Anreiz genügen.
Wer will darf an den Staat verkaufen.

Weil es durchaus das einschlägige Gesetz ist, beziehungsweise der juristisch „saubere Weg“, der weniger jahrelange Rechtsstreitigkeiten nach sich ziehen würde. Denn wie Schlossermeister sagt, geht es genau darum, dass „Moore nicht mehr als Ackerland gelten“, was letztlich eine Änderung des Flächennutzungsplanes/Bebauungsplanes auf kommunaler Ebene bedeutet (§1 I BauGB). Denn das BauGB gibt den Gemeinden, auf deren Gebieten besagte Moore liegen, explizit die Möglichkeit und sogar die Pflicht, bei der Aufstellung der Bauleitpläne den Umweltschutz zu berücksichtigen. Dafür braucht es nicht mal eine Gesetzesänderung. (§1 VI Nr. 7 BauGB).

Natürlich kann man auch eine „Enteignung durch die Hintertür“ vornehmen, indem man z.B. die Landwirte verpflichtet, Moore wieder zu wässern, wodurch die Moore für den Landwirt nutzlos werden. Das Problem ist dabei aber eben, dass jeder Landwirt mit ein wenig juristischem Sachverstand dann vor Gericht ziehen und in letzter Instanz mit ziemlicher Sicherheit gewinnen wird, eben weil eine faktische Enteignung ohne angemessene Entschädigung stattgefunden hat.

Letztlich ist es nebensächlich, ob man das BauGB hier für einschlägig hält oder nicht - denn Fakt ist, dass das BauGB Leitlinien für die Entschädigung bei Enteignungen von Grundstücken aufstellt und es, selbst wenn es nicht einschlägig wäre, im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz sehr fragwürdig wäre, im Falle einer Enteignung für den Umweltschutz plötzlich andere Maßstäbe anzulegen. Die Frage wäre dann nämlich: Warum sollte die Entschädigung durch ein anderes Gesetz als das BauGB für den Enteigneten niedriger ausfallen? Was wäre der sachliche, legitime Unterschied für die Ungleichbehandlung?

Kurzum:
Ja, der Staat könnte per Gesetz durch die Hintertür enteignen, aber das wäre halt meines Erachtens eine inkompetente, weil juristisch zum Scheitern verurteilte, Herangehensweise. Die typische tickende Zeitbombe für die nächste oder übernächste Regierung, je nachdem, wie schnell der Rechtszug durch ist… so sollte die Politik gerade nicht handeln.

Aber gerade diese gerechte Abwägung führt halt dazu, dass die angemessene Entschädigung i.d.R. der angemessene Marktpreis ist, halt immer dort, wo es angemessene Marktpreise gibt (das ist nicht überall der Fall, bei Grundstücken aber in der Regel schon…). Letztlich ist das Ziel bei einer angemessenen Entschädigung doch, den Landwirt nicht schlechter zu stellen, als er vor der Enteignung gestellt war.

Die Höhe der Entschädigungen ist z.B. auch beim Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ in Berlin ein fettes Thema. Auch hier müsste zum Marktwert entschädigt werden, weshalb der Senat von Entschädigungen in Höhe von 28.8 bis 36 Milliarden Euro ausgeht. Auch hier ist allen klar, dass eine Entschädigung nicht willkürlich niedrig angesetzt werden darf, eben weil das sonst spätestens in letzter Instanz vom BVerfG gekippt würde…

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Das klingt wie eine typische SPD-Lösung, wenn ich das mal so sagen darf. Vielleicht gibt es ja tatsächlich irgendwo in Deutschland ein oder zwei Landwirte, die in ihrer Nachbarschaft so verhasst sind, dass ihre eigene Gemeinde ihnen ihren Acker zum Moor erklärt. Ich würde allerdings kaum erwarten, dass das zum Massenphänomen wird. :laughing:

Die Abwägung mit den Interessen der Allgemeinheit. Wenn ein Grundstück enteignet wird, damit RWE da Kohle baggern und damit eine Menge andere Kohle für die Aktionäre scheffeln kann, ist das doch etwas anderes, als wenn da niemand Geld daran verdient, sondern der Steuerzahler noch ohne Ende in die Renaturierung stecken muss.

Man könnte z.B. argumentieren, dass es eigentlich in seiner Verantwortung liegt, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen, bevor er oder sein Großvater oder irgendein Vorbesitzer das Moor trockengelegt hat, und dass man da einen Kompromiss schließt, aber vermutlich hast du recht, dass Gerichte das nach dem ehernen Grundsatz „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“ nicht zulassen würden.

Auch hier wäre das höchstgradig schwachsinnig (und wird daher vermutlich passieren). „Willkürlich niedrig“ á la 1 symbolischer Euro pro Wohnung geht natürlich nicht. Aber es wäre nicht einzusehen, dass die Spekulationsgewinne auf Kosten der Mieter der letzten zwei Jahrzehnte diesen Konzernen ausgezahlt werden sollen.

Wir sind uns denke ich einig, dass mehr Umweltschutz nötig ist und dass die Wiederbefeuchtung von Mooren auch eine sinnvolle Maßnahme wären. So weit so gut.
Die Frage ist nun: Wer soll das bezahlen? Die einzelnen Landwirte, die aktuell die Moore bewirtschaften - oder die Allgemeinheit in Form des Staates / des Steuerzahlers?

Umweltschutz dient uns allen - und ich denke nicht, dass man einem Landwirt, der heute ein ehemaliges Moor bewirtet, welches von seinem Urgroßvater trockengelegt wurde, dafür nun zur Kasse gebeten werden sollte. Das wäre schlicht unfair - und das sage ich als jemand, der eigentlich denkbar wenig Mitleid mit Großgrundbesitzern hat…

Die Argumentation „der Landwirt hat von der Trockenlegung des Moores profitiert, deshalb soll er nun zahlen“ würde ich gelten lassen, wenn die Trockenlegung in neuester Zeit passiert wäre, nachdem die Co2-Problematik bekannt geworden ist - und ein Landwirt in der Situation trotzdem gesagt hätte: „Mir doch wuscht, ich will mehr Ackerland!“. Aber das ist halt nicht der Fall. Als die Moore trockengelegt wurden spielte Umweltschutz leider noch keine große Rolle. Die Landwirte konnten damals noch nicht damit rechnen, dass dieser Eingriff in die Natur ein Problem ist und später wieder berichtigt werden muss - die größten Wellen der Moor-Trockenlegung kamen im Laufe des 19ten Jahrhunderts, also einer Zeit, als es normal war, seine Fabrik-Abwässer einfach mal in den nächsten Fluss zu leiten…

Mir geht es letztlich darum, Dinge wie die Wiederbefeuchtung von Mooren so schnell und juristisch kompetent wie möglich zu regeln. Und das bedeutet halt: Der Staat versucht die Grundstücke erst zu kaufen - wird der Kauf abgelehnt wird zu einem angemessenen Marktpreis enteignet. Das ist die für alle Seiten faire Lösung…

Wie gesagt, war dem Bauern zum Zeitpunkt der Trockenlegung bewusst, welche umwelttechnischen Konsequenzen das ganze hatte, würde ich dem durchaus zustimmen. Wobei auch hier natürlich grundsätzliche rechtstaatliche Prinzipien gelten: So lange es erlaubt ist, ein Moor trockenzulegen, kann man niemanden dafür „haftbar“ machen. Kurzum: Will ich einen Landwirt maßgeblich finanziell belasten, ist das nur okay, wenn ihm klar war (oder hätte klar sein müssen) dass er falsch handelt, daher: Wenn er in irgendeiner Form schuldhaft handelt.

Ich lehne diese Denkweise „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“ genau so ab wie du, aber man muss sich bei einer juristischen Betrachtung halt von seiner eigenen Ideologie lösen können.

Naja, der Wert einer Immobilie bemisst sich halt daran, wie viel Miete mit der Immobilie erzielt werden kann. Steigen die Mieten, steigt auch der Wert der Immobilien. Der Sinn der Enteignung ist hier, dieses Wachstum zu stoppen. Denn während ein Konzern natürlich ein Interesse daran hat, dass die Mieten und damit verbunden auch die Immobilienpreise steigen, hat der Staat dieses Interesse nicht. Der Staat will einfach nur den Wohnraum erhalten, idealerweise gewinnbringend, aber nicht gewinnmaximierend.

Würde man nun die Enteignungsentschädigung niedriger als den Marktwert ansetzen wäre das in diesem Falle juristisch nicht wirklich durchsetzbar. Das sieht wie gesagt selbst der Rot-Rot-Grüne Berliner Senat so. Natürlich kann man bei der Festlegung des Marktwertes argumentieren, dass z.B. eine Korrektur von Preissteigerungen durch bewussten Leerstand (Immobilienspekulation usw…) vorgenommen wird. Dabei sollte man aber halt realistische Annahmen zu Grunde legen, damit die Sache dann nicht vom BVerfG gestoppt wird.

Grundsätzlich sind solche Enteignungen von Landwirten oder Konzernen halt juristisch unproblematisch, aber alles steht und fällt mit der Höhe der Entschädigung. Der Staat darf sich halt nicht mit dem Mittel der Enteignung die Taschen an Unternehmen füllen, was der Fall wäre, wenn man deutlich unter dem Marktwert enteignen würde. Politisch kann man das durchaus anders sehen, ich bin auch alles andere als ein Freund der Großkonzerne, aber juristisch ist die Lage eben so…

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Original Poster hier. Vielen Dank in Runde, insbesondere an @Daniel_K für den ganzen Sachverstand.

Ich resümiere mal, was ich für mich mitgenommen habe:

  1. Eine Enteignung ist prinzipiell möglich und wenn angemässen entschädigt wird ein probates und rechtssicheres Mittel.
  2. Eine alternative Möglichkeit wäre den Grund in Besitz der Bauern zu belassen und zu versuchen die Landwirte durch Subventionen zur Renaturierung der Moore zu bewegen.

Was ich jetzt noch spannend fände zu diskutieren, wären folgende zwei Punkte:
A) Was könnten Vor- und Nachteile der beiden Strategien sein? Sind sie überhaupt Exklusiv. Gibt es vielleicht noch eine Möglichkeit, die wir noch gar nicht diskutiert haben: Eine Möglichkeit die Landwirte zur Renaturierung zu zwingen, stärker als ein Anreiz durch Subventionen, aber keine Enteignung…
B) Zum anderen würde ich gerne über die Kosten Diskutieren. Das hat @Wuffel oben schon mal angerissen. Wuffel kommt zu dem Ergebnis, dass die Enteignung zu Markpreisen in Niedersachen insgesamt rund 10,1 Milliarden € kosten würde. Hab gerade mal gegoogelt wie viel der Bund den jährlich einnimmt. 2020 betrugen die Einnahmen des öffentlichen Gesamthaushalts (Bund, Länder und Gemeinden) 926,8 Milliarden €. Die Kosten der Enteignung würden also rund 1,08% des Gesamthaushalts alleine in Niedersachsen betragen. Auf der einen Seite scheint es viel Geld auf der anderen Seite, sollte uns die Rettung des Klimas vermutlich jeden Betrag wert sein. Was denkt ihr? Vielleicht möchte ja auch jemand eine andere Rechnung als Wuffel aufmachen.

Liebe Grüße in die Runde

Für mich wird der Aspekt zu wenig gewürdigt das es sich bei der vorgeschlagenen Maßnahme um einen massiven Eingriff handelt. Ich hatte es ja bereist einmal erwähnt, wir reden über die dreifache Größe Berlins.
Zum einen würde der Staat damit großflächig die Besitzstruktur zu seinen Gunsten ändern und zum anderen den Wasserhaushalt ganzer Landstriche.
Ich befürchte das solch ein Vorgehen nicht nur bei den betroffenen Landwirten zu massiven Protesten führen wird sondern auch bei Anwohnern in den betroffenen Gemeinden.
Es ist also nicht nur so das „einem paar Bauern“ die Existenzgrundlange entzogen wird sondern auch Anwohnern.
Was mich an der derzeitigen Diskussion stört ist der Grundtenor „das ist ja eine einfache Maßnahme“. Das sehe ich nicht so. Dies ist eine Maßnahme die ein paar tausend Leuten ihre Existenzgrundlage und ihr Eigentum nimmt. Das sich diese Leute selbst nach verlorenen Gerichtsprozessen weiterhin wehren werden ist abzusehen. Wer also großflächig die Enteignung vom Menschen fordert muss sich im klaren sein das der Staat dies letztendlich durchsetzen muss.
Das kann man gerne fordern (wenn man so etwas toll findet), ich für meinen Teil bin jedoch der Meinung wir sollten erst einmal „einfachere“ Maßnahmen ergreifen.

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In diesem Bezug kann man zu dem Braunkohletagebau schauen welchen Widerstand und Auswirkungen so eine Enteignung hat.
Auch dort wird der Wasserhaushalt ganzer Gebiete verändert.

Ich stimme dir zu dass eine Enteignung nur die letzte Möglichkeit bei diesem Thema sein kann.

Hallo Christoph314

also ich halte einen grundsätzlichen Kauf und ggfs eine Einteignung für die sinnvollere Lösung.

De facto werden die Landwirt:innen auf dem verwässerten Land weder Ackerbau noch Viehzucht mehr betreiben können. D.h. in dem Subventionsmodell zahlst der Staat „für immer“ dafür, dass auf einer Fläche „nix mehr“ gemacht werden kann. Und zwar nicht für Blühstreifen, Hecken o.ä. sondern für eine enorm große zusammenhängende Fläche.

Die Landwirt:innen haben nach der Verwässerung de facto kein Interesse mehr an der Fläche, es ist m.E. also nicht „von Vorteil“ für sie, die Fläche zu besitzen.
Für den Staat ist eine Einmalzahlung klarer und auch vermutlich billiger als das bis zum Ende der Zivilisation durchzufinanzieren und den Besitzer:innen und ihren Erb:innen eine ewige Subventionsrente zu gewähren.

Ich möchte kurz aus der Wikipedia „Braunkohletagebau“ zitieren:
Der Flächenverbrauch der deutschen Braunkohletagebauten betrug mit Stand 2006 mehr als 2300 km², […]. Zudem wurden mehr als 300 Siedlungen für den Braunkohlebergbau aufgegeben und ca. 100.000 Menschen umgesiedelt.

Das ist also schon auch auf ner ähnlichen Größenordnung, (nur um ein Gefühl zu bekommen)

Das erfolgte jedoch innerhalb von 150 Jahren und und es herrschten einen großen Zeitraum davon etwas andere rechtliche Standards.