Energiewende: Wird der Energiebedarf sinken?

Ich denke ich verstehe was du meinst, wobei es interessant ist Strom als Primärenergie zu kennzeichnen. Das wäre nach bisherigem Standpunkt sicherlich Quatsch, aber durch die erneuerbaren vielleicht sogar sinnvoll, da es ja keinen Rohstoff vor dem erzeugten Strom gibt, der sich in irgendeiner sinnvollen Art messen lässt, wie cors das auch sehr schön beschrieben hat im folgend verlinkten Beitrag:

Wobei vielleicht gesagt werden muss, dass es 2 Paar Stiefel sind. Du beschreibst eine effizientere Verwendung der zugeführten Energie beim Endverbraucher, bei der Berechnung der verbrauchten Primärenergie nach dem Bundesumweltamt gehts vor allem um die Energie innerhalb der Träger, vor der Förderung. Also vielleicht eine Kennziffer für den Verlust der beim Nutzen von fossilem Material entsteht. Nichtsdestrotz schön zu sehen, dass sich auch beim Wohnen so einiges einsparen lässt.

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@Gelenkbusfahrer Danke für die netten Worte. Ich denke, ich verstehe, worauf Du hinaus willst: Du sagst, dass unsere Lebensstile immer aufwändiger werden und so Effizienzgewinne wieder auffressen. Wir entwickeln effizientere Motoren, aber dafür werden die Autos größer. Kühlschränke werden energiesparender, aber dafür hat jeder nun zwei Kühlschränke. Doppelverglasung führt dazu, dass geheizte Wohnräume größer werden. Es gibt Energiesparlampen und dafür lässt jeder das Licht an. Computer werden stromsparender und dafür erfindet jemand Bitcoin. Etc.

Ich habe auch schon von Leuten gehört, die in diesem Kontext nach der Energiewende das Bild einer Art „Energieüberflusswirtschaft“ skizzieren, wie es sie schon in Norwegen gibt: Strom ist dort so verdammt günstig und wegen Wasserkraft auch weitestgehend unproblematisch, so dass man sich um Stromsparen keine Gedanken mehr machen muss. Das ist aber aus meiner Sicht eine sehr Antropozentrisch-technische Vision und im großen Stile wirkt das auf mich ein wenig wie eine Dystopie, in der sich der Mensch vollends von der Natur entfremdet hat.

Etwas konkreter gedacht denke ich, dass das stetige Anwachsen des individuellen Strombedarfs - abgesehen von Substitution von Benzin und Heizöl/-gas (zumindest hierzulande - Länder des globalen Südens sind eine andere Story) weder für wirtschaftliches Wachstum notwendig noch zielführend und insbesondere nicht erstrebenswert ist. Aber vielleicht hat das auch etwas mit dem jeweiligen Bild der Rolle von uns als Menschheit zu tun.

Was ich aber inhaltlich noch anmerken mag:

Beim Endenergieverbrauch bin ich mir ziemlich sicher, dass er mit der Energiewende kleiner werden wird. Denn auch hier sind komische statistische Verzerrungen am Werk: neben dem Effekt, dass in mit erneuerbarem Strom geladenen E-Autos für die gleiche Fahrstrecke verbrauchte Endenergie ein Drittel so klein wie die entsprechende Benzin-Endenergie berechnet wird, passiert etwas ähnliches auch bei der Wärmeerzeugung mit strombetriebenen Wärmepumpen: Man braucht nur ein Drittel so viel Strom, wie kalorische Heizenergie nötig ist. Der Grund ist, dass ein Großteil der Wärmemenge aus der Umgebungswärme (Reservoir Luft oder Boden) stammt und diese in der Endenergiebilanz nicht auftaucht. Ist aber wieder so ein Problem mit für Erneuerbare nicht gut geeigneten Erfassungsmethoden.

Zum Thema: wie ändert sich unser Energieverbrauch, finde ich diese Grafik vom BMWI [1] sehr spannend:

Die blaue Kurve beschreibt den (hier schon zitierten) Primärenergieverbrauch. Die orange Kurve beschreibt (etwas vereinfacht) den Primärenergieverbrauch, wenn es keine Effizienzsteigerungen in den Prozessen gegeben hätte. So eine Kurve kann man natürlich nur prognostizieren – nicht messen. Stark vereinfacht korreliert sie mit der Nutzenergie.

Während die blaue Kurve leicht sinkt, steigt die orange deutlich an. Beispielhaft könnte das bedeuten: jemand fährt heute zwar deutlich mehr Kilometer mit seinem Auto, als noch vor 10 Jahren – allerdings ist der Verbrauch so viel geringer geworden, dass er am Ende trotzdem weniger tankt als vor 10 Jahren.

Spannend ist, was wir daraus schlussfolgern. Werden wir beim Nutzenergieverbrauch und bei der Effizienzsteigerung Sättingungseffekte sehen?

Dazu meine persönliche (und gerne kritisch zu kommentierende) Einschätzung:

Bisher sehe ich eine klare Korrelation zwischen verbessertem Lebensstandard und steigender Nutzenergie. Das liegt nicht zuletzt daran, dass diese Logik auch so vermarktet wird. Mit steigendem Einkommen steigt zwar das Bewusstsein für Umweltprobleme etc, aber meist trotzdem auch der Nutzenergieverbrauch. Steigender Lebensstandard führt bisher dazu, dass sich ein Haushalt ein Zweitauto anschafft, mehr Produkte erwirbt (mit entsprechendem Ressourcenbedarf bei der Produktion), die alle auch nur eine begrenzte Lebensdauer haben. Er führt auch zu mehr Fernreisen (i.d.R. mit dem Flugzeug). Hier halte ich Sättigungseffekte durchaus für denkbar, allerdings nur, wenn sich auch die Konsumlogik in Richtung Suffizienz ändert. Man kann sich natürlich auch fragen, ob unser Lebensstandard überhaupt weiter steigen wird.

Wie sieht es auf der Effizienzseite aus? Etwas philosophisch könnte man sagen: egal wie ich einen Wirkungsgrad definiere – er kann nie größer als 100% sein. Wir sehen bis heute beeindruckende Effizienzsteigerungen. Dabei hat jede Technologie ihre natürlichen Sättigungseffekte. Wir können eine Glühbirne nicht beliebig effizient machen, aber wir können eine Halogen-Lampe erfinden und dann eine LED. Während die Glühbirne ~5% des Stroms in Licht umwandelt sind es bei der LED bis ~40%, also Faktor 8. Wir sehen, dass rein physikalisch eine weitere Verachtfachung eher unwahrscheinlich ist. Das kann man sich für verschiedene Technologien anschauen und zumindest die theoretischen Wachstumsgrenzen abschätzen.

Langfristig gesprochen (und WIE lange langfristig heißt, ist die große Frage – möglicherweise für Zeiträume nach 2050) wird man sich also schon Gedanken machen müssen, wie man einen höheren Lebensstandard (auch global) ohne Zuwachs an Nutzenergie ermöglichen kann.

[1]

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