Ende des Infektionsschutzes

Auch Berlin verweigert den Bevölkerungsschutz; Müller flüchtet sich in Luftschloss.

Kann man dagegen eigentlich klagen?

Müller will keine Notbremse in Berlin, dafür Homeoffice-Pflicht

12.45 Uhr: Berlin nimmt vorsichtige Öffnungsschritte der vergangenen Wochen trotz stark steigender Corona-Infektionszahlen nicht wieder zurück. »Ich glaube, dass es kein gangbarer Weg ist, jetzt wieder alles zurückzudrehen, was wir uns in den letzten Tagen und Wochen an Möglichkeiten und Freiheiten erkämpft haben«, sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus. Vielmehr gebe es durch das Impfen und Testen neue Möglichkeiten, sodass man nicht mehr wie in der Vergangenheit ausschließlich mit einschränkenden Maßnahmen reagieren müsse.

Müller rückte damit ab vom Bund-Länder-Beschluss einer sogenannten Notbremse, der bei den Beratungen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Nacht zum Dienstag noch einmal bekräftigt worden war. Demnach müssten Lockerungen bei einer stabilen Inzidenz von über 100 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen zurückgenommen werden. In Regionen mit einer Inzidenz von über 100 sollen Beschränkungen laut Bund-Länder-Beschluss sogar verschärft werden. In Berlin lag die Sieben-Tage-Inzidenz am Mittwoch bei 118,2 nach 102,3 am Vortag.

Müller will hingegen eine Homeoffice-Pflicht in der Hauptstadt einführen. »Wir wollen in eine Verpflichtung gehen, was das Homeoffice anbelangt«, sagte er. Die bisherigen Appelle hätten nicht die gewünschte Wirkung gezeigt. Arbeitgeber sollten außerdem verpflichtet werden, ihren Arbeitnehmern Testangebote zu machen. »Wir haben Möglichkeiten, im Bereich des Wirtschaftslebens einzugreifen«, sagte Müller. Er könne nicht nachvollziehen, wie selbstverständlich über Wechselunterricht für Schüler diskutiert werde, und wie wenig selbstverständlich darüber geredet werde, in den Betrieben Wechselschichten zu verlangen.

Quelle:

Ich finde es im Grunde keinen falschen Gedanken, eher die Wirtschaft zu beschränken, bevor noch mehr das Privatleben reglementiert wird. Dort gab es in den letzten Monaten ein klares Ungleichgewicht.

Außerdem würde ich in meiner epidemiologischen Laienvorstellung vermuten, dass eine Home-Office-Pflicht mehr bringt, als eine Rücknahme der März Lockerungen (wenn man ehrlich ist, war es ja mehr ein Signal als wirklich massive Lockerungen). Daher sehe ich durchaus eine ordentliche Bremswirkung, auch wenn es nicht formal der Notbremse entspricht.

3 „Gefällt mir“

Ja, eine gute Idee, die seit Monaten gefordert wird - zusätzlich zu anderen Maßnahmen!

Es ist doch erstmal völlig unklar, wie sie aussehen soll, wann sie kommt und wie groß die Wirkung ist. In der Zwischenzeit steigen die Zahlen weiter…

Ich würde mir natürlich auch wünschen, dass es wirkt. So finde ich es aber vollkommen verantwortungslos. Wir haben uns ja auch gar nichts „erarbeitet“, worauf wir uns jetzt ausruhen könnten. Wir haben einfach - gegen jede Vernunft - geöffnet.

Edit: Wunsch

2 „Gefällt mir“

Nur mal so zu den waghalsigen Experimenten, die wir gerade erleben dürfen. Die Politik hat aufgegeben, die Bürger zu schützen.

Ich bin da mittlerweile echt unsicher. Ich sehe es momentan in der Steglitzer Schlossstraße. Da war vor März extrem weniger Andrang als jetzt. Mittlerweile stehen die Leute dort gut dicht Schlange und zwar sowohl fürs Termin-Shoppen als auch zum Schnelltesten. Das muss sich natürlich nicht aufs Pandemiegeschehen auswirken, aber bedenklich find ich das schon; vor allem weil die Straße eigentlich der Maskenpflicht unterliegt, woran sich immer weniger Leute zu halten scheinen.

Man kann, aber wahrscheinlich ohne Erfolgsaussichten. Die Beschlüsse der MPK haben wohl keinen Status über Absichtserklärungen hinaus.

Dazu kommt, dass ein paar Ebenen höher die Grundrechte, auf die man sich stützen könnte, grundsätzlich als Abwehrrechte ausgestaltet sind, die sich ergebenen Leistungs- oder Schutzpflichten sind nur bei Art. 1 (Menschenwürde) deutlich ausformuliert (@vieuxrenard – die FAQ der Freiheitsrechte ist zu dem Punkt sehr unglücklich formuliert). Das gibt dem Gesetzgeber (!) einen großen Spielraum wie er dieser Schutzpflicht nachkommt, die Grenze ist das Untermaßverbot (überhaupt nichts zu unternehmen bzw. keinerlei wirksame Maßnahmen zu ergreifen). Diese Grenze hat das Bundesverfassungsgericht bisher sehr tief angesetzt, so hat es trotz eindeutiger Belege, dass ein allgemeines Tempolimit Tote und Verletzte verhindert, es dem Gesetzgeber überlassen, zu entscheiden, ob ein solches eingeführt wird (oder er die freie Fahrt höher gewichtet). Dementsprechend ist die Klage auf eine bestimmte Maßnahme eher aussichtslos. In der Literatur zu Art. 2(2) (Recht auf Leben & körperliche Unversehrtheit) wird dazu das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs als ein Beispiel genannt, wo keine andere Maßnahmen in Frage kommen. Eine Öffnung von Geschäften gegen eine Homeofficepflicht abzuwägen ist wahrscheinlich kein vergleichbarer Fall. Bei der Abwägung auch zu beachten ist, dass jeder Eingriff in andere Grundrechte, der vorgenommen wird, um der Schutzpflicht aus Art. 2(2) nachzukommen, einer eigenen gesetzlichen Grundlage bedarf, man kann für Eingriffe z.B. in die Religionsfreiheit oder das Eigentum nicht einfach auf die Schutzpflicht verweisen. Ein Beschluss einer MPK reicht dann sicher nicht.

Darüber hinaus würde ich @Lukas3 zustimmen, ich denke dass die Homeofficepflicht oder sogar eine Verpflichtung zu Wechselschichten mehr bringt als die anderen Maßnahmen in der „Notbremse“.

2 „Gefällt mir“

Das ist definitiv so und dürfte mittlerweile auch wissenschaftlicher Konsens sein.
Dazu verweise ich auf die „MODUS-COVID“-Berichte der Arbeitsgruppe Kai Nagel, TU Berlin (oder hier eine PM via IDW). Der aktuelle Bericht ist vom 19.03.2021 (PDF).
Wenn man die Berichte aus dem Februar mit dem aktuellen Geschehen vergleicht, stellt man schnell fest, dass viele Dinge genauso eingetroffen sind, wie die Modelle gezeigt haben.

In einer früheren Studie wurde der situationsbezogene R-Wert für Großraumbüros (ungeschützt/ohne Tragen von Masken) mit 8(!!!) angegeben. Am Ende ist es bestimmt weniger das (alleine) im Büro sitzen und arbeiten, sondern der Schnack in der Kaffeeküche oder die Unterhaltung am Kopierer… Daher hätte man hier schon viel, viel früher eine Homeoffice-Pflicht einführen müssen, so, wie es etwa in Großbritannien gemacht wurde. Aber da war der Einfluss der Wirtschaft und Industrie offenbar viel zu groß. Und vermutlich auch die Überforderung des öffentlichen Diensts, wenn die komplette Verwaltung auf einmal zuhause arbeiten soll, was auch nur dann möglich ist, wenn alle mit entsprechender Hard- und Software ausgestattet sind. Aber da arbeitet man ja gerne noch mit Windows XP und einem riesigen Tower…

2 „Gefällt mir“

Ja, da hast du Recht. Die Schnelligkeit der Umsetzung von Maßnahmen sollte jetzt höchste Priorität haben.

1 „Gefällt mir“

Ok, auch in der „Lage“ wurde der Bericht explizit angesprochen und vorgestellt, aber als ich den Kommentar verfasst habe, hatte ich die „Lage“ noch nicht vollständig gehört. ^^

Seit mindestens sechs Wochen hätte die Politik handeln MÜSSEN (eigentlich im letzten Herbst, aber das haben wir schon verdrängt), aber es werden Tausende von Toten in Kauf genommen. (Und der Schlimmste dieser verblendeten bzw. absolut verantwortungslosen Entscheidungsträger meint auch noch allen Ernstes, er könne Kanzler werden!)

Wir brauchen jetzt endlich einen harten Lockdown, keine Öffnungen oder „Modellprojekte“!

Ist es eigentlich ein Arbeitsunfall, wenn ich mich auf der Arbeit mit Corona anstecke und zahlt dann die Unfallkasse?
Vor der Pandemie wurde ja peinlich darauf geachtet, dass die Unfallzahlen niedrig sind und sehr viele Maßnahmen wurden getroffen.
Daher wundert es mich, dass es hier so lasch gehandhabt wird.

Schwierig zu sagen. Dazu muss ja auch der zweifelsfreie Nachweis gelingen, dass die Ansteckung wirklich auf Arbeit passiert ist (siehe etwa hier ein Beitrag der DGUV). Die Fragen gab es auch schon in einem anderen Thread:

In jedem Fall gilt die Corona-Arbeitsschutzverordnung, die durch die Arbeitsschutzbehörden (Gewerbeaufsicht, Landesämter etc.) kontrolliert werden soll (Nr. 5 Überwachung). Bußgelder sind möglich. Allerdings würde mich hier tatsächlich mal interessieren, ob diese Kontrollen überhaupt stattfinden und wie intensiv diese wirklich sind. Dazu habe ich bisher noch gar nichts gehört/gelesen… Bis noch weitere Einschränkungen des Privatlebens stattfinden, sollte die Kontrolle der bestehenden Regelungen an oberster Stelle stehen.

Ich will niemanden auf komische Gedanken bringen: Aber die Aufsichtsbehörden würden sich vielleicht auch über (anonyme) Post oder einen Hinweis freuen, in welcher Arbeitsstätte man mal genauer hinsehen sollte… Die Verpflichtung ist jedenfall vorhanden. :innocent:

Edit: inhaltliche Ergänzung

Okay, gegen die MPK-Beschlüsse zu klagen hat also keinen Sinn. Schade…

Jetzt bereiten ja einige Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Novelle des IfSG vor, weil sie sie für zu streng halten - kann ich auch klagen, weil ich die Novellierungen für zu lasch halte? Im Sinne des Art. 1 Menschenwürde - Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit?
Es gibt ja genügend Wissenschaftler, die die Maßnahmen als viel zu zaghaft einordnen, die explodierenden Inzidenzwerte zeigen, dass die Maßnahmen völlig unzureichend sind etc…

„Kontrolle der Pandemie“ wäre ja bei lückenloser Nachverfolgbarkeit. Da hieß es letztes Jahr, die dürfte etwa bei einer Inzidenz von 35 liegen. Haben zumindest ein paar willkürlich ausgewählte Gesundheitsämter gesagt, so kam die Zahl wohl zustande… inzwischen interessiert sich aber niemand in der Regierung mehr für die 35.

Ich bin eigentlich für NoCovid, also <10, aber die 35 steht immerhin im Gesetz.

Also kurz und gut: Ich würde gern an möglichst hoher Stelle einklagen, dass intensive Maßnahmen auf allen Ebenen umgesetzt werden müssen:
HomeOfficePflicht, Testpflicht am AP mit Pflicht der Beschäftigten, diese anzunehmen, Kontrollen am AP und Verhängung von Bußgeldern gegen die AG, wenn sie nicht dafür sorgen, dass maskenlose Stelldicheins nicht stattfinden in Teeküchen etc, Verbot von Modellprojekten mit Öffnungsspielchen, Begrenzung des Einzelhandels auf das Nötigste… you name it
Und als last resort bzw. zur Zeit erstmal first resort eben Ausgangssperren, und zwar in ausreichendem Ausmaß
Und das bitte bis zu einer Inzidenz von 35 - die ja schon im Gesetz steht.

Ist das allen ernstes nicht möglich??? Wozu gibt es dieses dämliche Gesetz dann überhaupt? (Sorry, kurze Entgleisung… man surft ja in diesem Land seit mittlerweile anderthalb Monaten auf Wellen von Fassungslosigkeit…)

Also, wäre dankbar für sachdienliche Hinweise…

2 „Gefällt mir“

Davon steht nur ein Wort in Artikel 1 GG, Leben und körperliche Unversehrtheit sind zusammen mit u.a der Freiheit der Person in Artikel 2 GG erfasst. Als klassisches Abwehrgrundrecht schützt Art. 2 GG zuvorderst gegen staatliche Eingriffe in Leben, Freiheit, oder körperliche Unversehrtheit. Wie oben geschrieben, hat der Gesetzgeber daher einen großen Spielraum, wie er die sekundären Schutzpflichten umsetzt (ich wiederhole jetzt nicht nochmal was oben schon steht). Da viele Maßnahmen in den originären Schutzbereich eingreifen, wird die Abwägung nur zugunsten der Schutzpflicht ausgehen, wenn die Maßnahmen erwiesenermaßen wirksam sind.

Dem Grundgesetz ist ziemlich egal was einfachgesetzlich geregelt ist.

Aus Artikel 1 GG auf Leistungen zu klagen ist wenigstens so wirr, wie vor dem Familiengericht gegen eine Maskenpflicht in der Schule vorzugehen.

1 „Gefällt mir“

Die MPK-Beschlüsse sind politische Beschlüsse, quasi Willenserklärungen, die keine verbindliche Wirkung entfalten. Klagen sind da nicht möglich. Die konkrete Umsetzung findet (oder besser: soll stattfinden) in den Länderverordnungen statt. Aber klagen, weil Maßnahmen für zu lasch gehalten werden, geht natürlich nicht. Gerichte sind ja nicht Gesetz- oder Verordnungsgeber…
Wenn ich die FDP aber richtig verstanden habe, würde sie wahrscheinlich ein abstraktes Normenkontrollverfahren vor dem BVerfG anstreben, sofern die IfSG-Novelle bzw. das Änderungsgesetz die Ausgangsspeere enthält. Müssten sich nur ausreichend Mitglieder des Bundestags dafür finden…

Wir brauchen jetzt endlich einen harten Lockdown, keine Öffnungen oder „Modellprojekte“!

Es ist auch irgendwie komisch, dass auf Bundesebene jetzt wochenlang primär über den Sinn von nächtlichen Ausgangssperren debattiert wird. Ist das nicht eigentlich eine Nebelkerze? In Bayern gilt das jetzt schon eine ganze Weile (gut, erst ab 22 Uhr) und der R-Wert geht weiter nach oben. Das heißt doch, dass das maximal in den Bereichen von Deutschland relevant ist, wo es das noch nicht gibt und (da lehne ich mich aus dem Fenster) wird es ohne Kontrolldruck auch nicht viel bringen. Dafür redet in Bayern keiner drüber, wie man das R von 1,3 in München wieder runterbekommen könnte. Man wartet einfach ab, bis man bei 200 ist - weil die Bundesnotbremse wird quasi nichts strikter regeln als es bereits der Fall ist.

1 „Gefällt mir“