Elektronische Patientenakte - Bei Ärzten noch nicht angekommen

Die ePA gibt es ja seit einigen Jahren und das einrichten bei der TK klappt auch ganz okay.

Allerdings bin ich seit einigen Wochen dabei alle meine Ärzte zu bitten, die Daten von mir und meinen Kindern in unsere ePAs zu übertragen. Die Registrierung und Zuweisung von Zugriffsrechten hab ich natürlich schon gemacht. Die Ergebnisse sind mega frustrierend.

Sie reichen von Schnappatmung bei den Angestellten, über Kommentare, dass das super kompliziert ist uns die Ärztin damit ihr ganzes Wochenende verbringen müsste, bis zur Antwort, dass man damit noch gar nicht arbeitet.
Nach meinem Verständnis müssten das aber alle Praxen seit 2021 können und auf Patientenwunsch auch machen und laut meiner TK App sollte ich damit einen digitalen Impfpass, Zahnbonusheifte, U-Untersuchungshefte, uvm. digital nutzen können.

Ich habe keine Ahnung, wo das eigentliche Problem liegt und warum das nicht funktioniert. Ist es die Praxis IT, ist es das ePA Setup im Allgemeinen oder einfach mangelnder Wille.

Ich fände es super, wenn man hier mal tiefer Einsteigen könnte.

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Und genau da ist aktuell der Punkt: Müssen sie noch nicht. Die elektronische Patientenakte gibt es seit 2021, richtig. Sie ist in der bisherigen Version aber so gedacht, dass sie im Wesentlichen von Patientinnen und Patienten gepflegt wird (siehe dazu auch hier: Elektronische Patientenakte). Arztpraxen können zwar prinzipiell von Seiten der gematik (Betreiber) schon darauf zugreifen, sie müssen das aber noch nicht können. Es gibt also im Moment in der ePA schon Features (z.b. digitaler Impfpass, digitales Zahnvorsorgeheft), die die Praxen nutzen können, aber nicht müssen.
Stellt sich die Frage, warum tun sie das nicht? Die eine, allgemeingültige Antwort darauf habe ich nicht (wird es vermutlich auch nicht geben), aber einen starken Verdacht.
Der Zugriff auf quasi alles, was in einer Arztpraxis digital läuft (und damit auch die ePA) erfolgt über eine Praxisverwaltungssoftware. Für diese gibt es sogenannte „Systemhäuser“, die sie anbieten. Die haben in Deutschland aber im Prinzip ein Oligopol, weil es nur zwei, drei nennenswerte Anbieter gibt. Zu was führt das? Die Praxen müssen für die Implementation neuer Funktionen horrend hohe Summen (schnell mal fünfstellig) bezahlen. Dazu zählen natürlich auch Funktionen wie die ePA. Die Ärztinnen und Ärzte allerdings haben, beim aktuellen Ausbaustand, im Prinzip keinen Vorteil durch die Nutzung der ePA - einen „Wettbewerb“ um Versicherte gibt es bei völlig überlasteten Praxen ohnehin nicht. Folge: Ärztinnen und Ärzte müssten die Implementierung neuer Funktionen aus eigener Tasche zahlen, ohne dafür einen Cent mehr Umsatz zu machen.
Weiterer Problempunkt: Die in der Praxis-IT hinterlegten Daten können nicht nur von den Ärztinnen und Ärzten bearbeitet werden, sondern natürlich auch von deren Angestellten. Bei der ePA ist es aber so, dass die Ärztinnen und Ärzte persönlich die Identifikation mit ihrem Heilberufeausweis und dessen Pin vornehmen müssen. Bedeutet also: Während die Eintragungen in deinen analogen Impfpass ganz selbstverständlich von den Angestellten vorgenommen und dann nur um eine schnelle Unterschrift der*des Ärzti:in ergänzt wird, müsste bei der ePA die Eintragung und Identifikation durch die:den Ärzt:in persönlich erfolgen - was Zeit und Ressourchen bindet. Insbesondere in Hausarztpraxen beträgt der durchschnittliche Patientenkontakt wenige Minuten. Eine Verlängerung nur um zwei, drei Minuten pro Patient:in wegen Eintragungen in die ePA bedeutet, dass man entweder noch länger als ohnehin schon (bei vielen Ärzt:innen 7-21:00 Uhr oder noch länger) arbeiten muss oder weniger Patient:innen versorgen kann.

Vielen Dank für die ausführliche und aufschlussreiche Antwort. Trotz Recherche habe ich online keinen Text gefunden, der die Problematik so gut erklärt hat.
Dann kann man nur hoffe, dass das System noch deutlich optimiert wird bevor es dann bald zum Standard wird.

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