Nein, ich denke, das Urteil musste - wenn die Beweisaufnahme ergibt, dass die Lina E zu Last gelegten Taten auch zutreffen - in jedem Fall im Bereich einer mehrjährigen Haftstrafe ausfallen, für eine Bewährungsstrafe waren die zur Last gelegten Taten zu schwerwiegend (und für einen Freispruch die Aussagen des „Aussteigers“ wohl zu glaubhaft). Die Frage ist lediglich, wie weit das maximale Strafmaß (10 Jahre) ausgeschöpft werden darf, soll oder muss.
Die Staatsanwaltschaft wollte hier mit ihrer Forderung von 8 Jahren offensichtlich ein Exempel statuieren (juristisch noch vertretbar, aber mMn schon sehr grenzwertig), das Gericht hat - völlig vertretbar - eine Strafe von 5 Jahren und 3 Monaten für angemessen erachtet. Ich als jemand mit eher linkem Bias hätte mir 3-4 Jahre gewünscht, weil ich im Rahmen der Strafzumessung die Motivation, gegen Rechtsextreme Gewalt vorgehen zu wollen, etwas positiver berücksichtigt hätte. Aber das sind eben Beurteilungsspielräume, die natürlich auch eine politische Dimension haben (der konservative Law&Order-Richter wird z.B. in solchen Fällen oft härter urteilen als ein weniger konservativer Richter).
Das Urteil soll dabei natürlich auch eine Signalwirkung haben, daher auch ein Statement aussenden - aber das hatte wenig Einfluss auf das Strafmaß. Es soll dennoch klar symbolisieren, dass der Rechtsstaat keine „Selbstjustiz“ in Form von organisierten Gewaltaktionen - auch nicht gegen Nazis - tolerieren wird.
Das hat auch der Richter deutlich gemacht, indem er in der Urteilsverkündung betont hat, dass er es zwar für ein achtenswertes Motiv hält, Rechtsextremen entgegenzutreten, das Gewaltmonopol aber beim Staat liege und deshalb solche Angriffe auch als schwere Straftaten verurteilt werden müssen.
Die Politik hat da ja ebenfalls eingestimmt, indem Faeser z.B. direkt in die Presse ging und nochmal bestärkt hat, dass es „keine Selbstjustiz geben darf“.
Natürlich ist es keine Aufgabe von Gerichten, „politische Statements“ zu senden, aber man muss sich bewusst sein, dass letztlich alles Handeln eine politische Ebene hat - vor allem hat jedes Strafurteil eine politische Ebene im Hinblick auf die positive und negative Generalprävention… das ist auch so gewollt und in Ordnung, so lange sich alles im Rahmen der Gesetze bewegt und verhältnismäßig ist, was im vorliegenden Fall zuzutreffen scheint.