Einordnung der Geschehnisse in Berlin

Ich denke, bei der gestrigen Wahl gab es zwei interessante Punkte.

    1. Unter Rot-Rot-Grüner Regierung ist es wohl zu einem Wahlchaos gekommen. Diverse Quellen berichten, dass einige Wahllokale keine Stimmzettel mehr hatten und einige Wahllokale falsche Stimmzettel erhalten haben. Das führte dazu, dass einige sogar Wahllokale zweitweise schließen mussten. Diese Umstände sind mMn nicht hinnehmbar. Nun stellt sich die Frage, wer dafür verantwortlich ist. Müssen hier die Wahlen sogar wiederholt werden?
  1. Die Mehrheit der Wahlberechtigten haben sich in Berlin für eine Enteignung der Wohnungskonzerne entschieden. Wie ist hier das weitere Vorgehen?

Vielen Dank im Voraus

Ich stelle mal zu 2. ein paar Vermutungen auf.
a) Deutsche Wohnen, Vonovia etc. spalten sich in einzelne Konzerne für Berlin mit je 2999 Wohneinheiten. Weil diese nicht unter einem Mutterkonzern geführt werden dürfen (laut Antrag), werden die Konzerne als AG mit Hauptanteilseigner geführt. → horrender Aufwand, trotzdem besser als enteignet zu werden

b) Berlin kauft die Wohnungen ab, wer denen den Kredit gibt, der nie zurückbezahlt wird ist eine andere Frage. Wäre aber ansonsten legal und in Ordnung

c) Berlin kauft die Wohnungen, will aber über z.B. 40 Jahre mit den Mieten den „Kauf“ bezahlen. → vermutlich zum Verfassungsgericht und vermutlich rechtswidrig.

d) Die Abstimmung wird einfach ignoriert.

Egal welche Möglichkeit passiert, ich denke, dass es sich nicht positiv für den Markt auswirken wird.

Ich bin gespannt.

viel spannender finde ich den Fakt, dass viele nach 20:00 wählen durften, als es sogar schon erste Hochrechnungen und nicht nur Prognosen gab. Da bekommt taktisches Wählen eine neue Dimension : sich so spät wie möglich vor einem möglichst vollen Wahllokal anzustellen um möglichst informiert sein Kreuz zu setzen.

Konnte aber nicht von langer Hand geplant worden sein. Es sei denn, man hatte die Wahlzettel absichtlich falsch oder zu wenig verteilt. Entscheidend kann das aber nicht gewesen sein (Die Zahl der noch Wartenden könnte man schon einigermassen rekonstruieren). Zur Anfechtung kann das ja wohl nicht reichen. Waren halt Fehler, und die Abstimmung ist in Ordnung mE.

Genau, wer konnte ahnen dass am 26.09. zwei Wahlen stattfinden in Berlin? /Sarkasmus off

Warum wäre das Deiner Ansicht nach rechtswidrig? Weil Berlin den Betrag nicht auf einmal bezahlt?
Vorab, ich glaube nicht, dass Berlin den Volksentscheid umsetzen wird (müssen sie ja nicht) aber, es wäre doch genau der Weg wie man die Wohnungen bewerten würde?

Jahreskaltmiete x 30 (Kaufpreisfaktor in A-Städten laut Engel&Völkers) On top noch etwas Extra-Geld, damit die Immobilienkonzerne nicht gegen den Preis klagen, also sind die 40 meiner Ansicht nach schon gut gegriffen.

Damit dann zur Bank, als Land Berlin einen dicken Kredit aufnehmen (damit haben sie schon Erfahrung und hier gibt es ja einen realen Gegenwert, eine Sicherheit für die Bank). Mit dem Darlehen die Immobilienkonzerne ausbezahlen und mit den Mieteinnahmen das Darlehen bedienen.

Dann müsste man wohl noch die Mieten etwas „glatt ziehen“, also die extremen Ausreißer oben und unten in eine neue Durchschnittsmiete auf aktuellen Niveau überführen und diese für 40 Jahre fixieren.
Die aktuellen Mieten mögen ja stand heute noch etwas zu hoch sein, aber wenn man sie für 40 Jahre fix hält, dann werden die Wohnungen mit der Zeit durch die Inflation immer billiger.

Das wird spannend. Berlin bekommt vermutlich eine Regierende Bürgermeisterin, die erklärtermaßen die Ergebnisse der drei letzten erfolgreichen Volksbegehren (Mobilitätsgesetz, Erhaltung des Tempelhofer Feldes, Enteignung von großen Immobiliengesellschaften) ignorieren bzw. revidieren will. Und das mit 25% der Stimmen und einer Partei, die das zu großen Teilen anders sieht…

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Genausogut könnte man andersrum eine Verschwörung vermuten. Ausgerechnet in vorwiegend „linksgrünen“ Bezirken treten stundenlange Wartezeiten auf, so dass Leute entweder frustriert nach Hause gehen oder sich darauf einlassen, nur Bundestagswahl ohne Abgeordnetenhaus zu wählen. :thinking:

mir ist vollkommen egal, in welchen Bezirken das passiert ist. Wenn eine Regierung (hier rot rot grün) nicht in der Lage freie und demokratische Wahlen vorzubereiten (und es an so vielen Stellen zu Fehlern kommt) , müssen die Verantwortlichen dafür gerade stehen. Und damit meine ich nicht irgendwo auf 39. hierarchischer Ebene. Und wenn ich die neue LdN richtig deute, müssten auch noch einige Wahlzettel verschwunden sein?!

Christian Waldhoff hat auf dem Verfassungsblog eine m.E. sehr lesenswerte Einschätzung aus sowohl praktisch beteiligter als auch theoretisch staatsrechtlicher Perspektive verfasst:

Takeaways:

  • Die bisher bekannten „Wahlfehler“ haben vermutlich keine „Mandatsrelevanz“ und greifen die Legitimität der Wahl insgesamt nicht an, könnten aber zugleich aufgrund des „gravierenden Organisationsverschuldens der Landeswahlleitung“ als verfassungswidrig eingestuft werden.

  • Aufgrund der mangelnden politischen Fehlerkultur in Berlin werden die Vorkommnisse (noch) nicht in der angemessenen Weise skandalisiert, die dann nur den Rücktritt der Landeswahlleitung zur Folge haben könnte.

  • Die Koinzidenz von vier verschiedenen Wahlen und dem Berlin Marathon war absolut unglücklich und wäre zwingend zu vermeiden gewesen. Den vielleicht interessantesten Punkt finde ich hier, dass Waldhoff in gewisser Weise die Organisationskrise der Berliner Verwaltung verschaltet mit den verkehrspolitischen Verwerfungen einer Stadt, die permanent an der sinnvollen Koordination von Verkehrsberuhigung und Verkehrsfluss scheitert.

  • Was die ganze Sache aber auch nochmal unterstreicht ist die vielleicht sogar schätzenswerteste Eigenschaft der Stadt Berlin: die unglaubliche Routine, Souveränität und Frustrationstoleranz, mit der die allermeisten Berliner:innen die Zumutungen und die Fehleranfälligkeit von Verwaltung und Behörden ertragen.

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