Einmarsch in die Ukraine - Gesicherte Erkenntnisse oder mediale Erzählung?

Okay, hier ist ein Vorher-Nachher-Bild (via CNN):

Man sieht, dass einige der Fahrzeuge das Lager verlassen haben. Es ist nicht wirklich geleert, aber die Aufnahme ist auch schon wieder eine Woche alt. Nun stellt sich die Frage, wo die Einheiten hin verlegt wurden. Wenn sie sich wirklich nach Süden ins Grenzgebiet zur Ukraine bewegt haben, kann man vielleicht langsam tatsächlich von der Massierung russischer Truppen in der genannten Stärke in Grenznähe sprechen.

Was genau soll denn für die USA und die NATO hier die Gelegenheit sein? Deutschland als - unter den Europäern - wirtschaftlich stärkstes Land kann diese ganze Geschichte nicht brauchen. Biden hätte grade auch vielversprechenderes zu tun, als sich um die Ukraine zu kümmern. So richtig kann ich nicht erkennen, wem das hier „gelegen“ kommen sollte. Zumal ausdrücklich ausgeschlossen wird (und für mich ist das auch sehr glaubwürdig), dass sich NATO-Staaten irgendwie direkt in den Konflikt einmischen würden, wenn Russland mal wieder auf Raubzug geht. Was das angeht gibt es eine lange Traditionslinie bis noch vor den 2. Weltkrieg, dass „uns“ alles östlich der Oder relativ egal ist, solange es nicht für unsere Energieversorgung wichtig ist.

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Ich möchte nicht behaupten, dass ich das komplett durchblicke. Aber die USA wär bestimmt nicht traurig darüber wenn sich die EU komplett von Russland entfernt, insbesondere was Gaslieferungen angeht. Das würde die USA schon gerne selber an auch Deutschland verkaufen, zu ihren Preisen versteht sich, mit Gas das aus Fracking kommt und erst mit Dampfern über den Atlantik geschifft werden muss.

Darüber hinaus gibt es sicherlich auch langfristige geopolitische Pläne.Pläne wie die Wolfowitz Doctrine sind zwar in die Jahre gekommen, aber ich denke wir wären naiv zu glauben dass die USA das Thema beerdigt hätten.

Eine böse Frage zur deutschen Haltung „Keine Waffenlieferungen“. Olaf Scholz soll einen Kredit über 150 Mio im Gepäck nach Kiew haben. Ist ausgeschlossen, dass das Geld für Waffen ausgegeben wird?

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Wer innerhalb der vergangenen zehn Jahre zumindest ansatzweise die US-amerikanische Außen- und Verteidigungspolitik verfolgt hat, weiß ganz genau, dass das nicht stimmt. Die USA haben nicht im geringsten Interesse an einem massiven Landkrieg in Europa, weil man sich dort eigentlich voll und ganz auf China fokussieren möchte.

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Was Russland nicht an die Europäer verkauft, wird es sicherlich an China liefern können. Das wiederum kann werder im Interesse der USA noch der Europäer sein.

Genau, statt Russlands Aufmarsch in Verbindung mit der Besetzung der Krim und der Unterstützung von Terroristen in der Ostukraine als reale Bedrohung zu sehen, kramt man lieber die „Wolfowitz-Doktrin“ aus der Mottenkiste.

Es ging bei meiner Antwort weder um Russland noch um die Krim, sondern was die USA an einer Eskalition in der Ukraine für Vorteile haben würden. Nicht ablenken.

Aber die USA verkauft nicht an China. Sie köntten aber deutlich mehr an die Europäer liefern, wenn dort russisches Gas nicht mehr genommen wird.

Habe ich auch nicht behauptet, aber sie haben ein Interesse ihr Einflussgebiet auszudehnen. Und sie haben ein wirtschaftliches Interesse selbst Waren (in dem Fall Gas) zu liefern, wenn russische Alternativen wegfallen.

Kannst Du Deine Meinung und Deine Argumente auch sachlich einbringen? Das Spiel mit der eskalierenden Pöbelei hatten wir in diesem Thema hier schon. Wiederhole das bitte nicht!

Es geht doch nicht nur um Gas. Russland und seine Umgebung produzieren alle möglichen wichtigen Rohstoffe. Sollte es aufgrund von Sanktionen dazu kommen, dass nur noch China auf diese Ressourcenreichtum zugreifen kann, wäre das eine katastrophales Eigentor für „den Westen“.

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Ich glaube ja, dass für die USA wenn überhaupt interessant ist, dass Europa keine ernstzunehmende strategische Autonomie im Rahmen der EU entwickelt.

Aber was hat das alles mit dem Ausgangspunkt der Diskussion zu tun?

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Die drohende Eskalation hat allein Russland mit seinem Truppenaufmarsch zu verantworten. Ich finde es erstaunlich, wie reflexartig versucht wird, stattdessen eine Schuld für die Krise bei den USA samt ihrer angeblich vorhandenen „Pläne“ zu suchen.

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Es ging aber doch gar nicht um den „Schuldigen“ in der Situation gerade.Es ging darum, dass die USA ihre absolute Deutungshoheit einsetzen, um alle andersartigen Stimmen stummzuschalten. Und dass die USA eigene Interessen hat, was den Umgang der Europäer mit Russland angeht, dürfte allen klar sein.

Selbstverständlich hat Russland ebenso Gründe, weswegen es so handelt wie im Moment. Und man täte gut daran diese zu verstehen. Nur dann kann man nämlich miltärische Konflikte verhindern.

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So etwas wie „absolute Deutungshoheit“ oder das Stummschalten „andersartiger Stimmen“ existiert doch gar nicht.

Oh ich verstehe die russischen Gründe sehr gut. Warum sollte Russland auch ein Interesse haben, dass sich in der Ukraine das westliche Modell mit Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Marktwirtschaft entwickelt, wenn es selbst nur Repression, Autokratie und Staatswirtschaft bzw. geduldetes Oligarchentum zu bieten hat.

Die Frage ist wie wir als Teil des Westens dem gegenüber stehen, ob gleichgültig und Appeasement betreibend oder unsere Werte hochhaltend.

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Ja, dem kann ich was abgewinnen. Mit einer Eskalation in der Ukraine würde in meinen Augen aber genau das Gegenteil befördert, weil sich die USA in dem Konflikt ja nur so weit engagieren werden, wie es unbedingt nötig ist, um die eigene Verlässlichkeit gegenüber den Verbündeten zu sichern, sodass die Europäer einen zusätzlichen Anlass hätten, sich militärisch und strategisch untereinander zu stärken.

Also ich höre reichlich andere Interpretationen in der deutschen Debatte. Und wie weiter oben geschrieben wurde, hat sich schon seit Obama die Priorität der USA zunehmend drastisch auf eine Containment-Politik gegenüber China fokussiert. Dafür ist ein Konflikt mit Russland in mehr als einer Hinsicht im Weg: Man verschafft China einen zusätzlichen Verbündeten, eigene diplomatische und militärische Ressourcen werden auf einem Nebenkriegsschauplatz gebunden etc. Ich denke, was in Deutschland irgendwie nicht richtig verstanden wurde ist folgendes: Russland ist Mittel- und Langfristig nur eine Regionalmacht. Die Wirtschaftsstruktur, die Wirtschaftskraft, die Bevölkerungsentwicklung werden Weltmachtsansprüchen einen Riegel vorschieben. Das einzige was diese Regionalmacht tun kann, ist den einen oder anderen Konflikt zulasten des Westens zu eskalieren, um diesen zu zwingen, so zu tun, als wäre Russland noch eine Großmacht. Es war sicher ein Fehler Obamas, das so offen auszusprechen, weil er damit den erfolglosen Narzissten in Moskau getriggert hat, aber die Einschätzung war meiner Meinung nach eine ehrliche. Gleiches gilt für das Flüssiggas: Klar ist das möglicherweise ein wirtschaftlicher Gewinn für die kommenden 5-10 Jahre, aber die Kosten sind hoch und setzen für Europa einen zusätzlichen Anreiz, eine autarke Energieversorgung aufzubauen und - im Zusammenspiel mit militärischen Eskalationen im Osten und übergriffiger Hegemonialpolitik der USA (Sanktionen) - ernsthafte Bemühungen um strategische Autonomie zu starten. Nicht sehr reizvoll aus amerikanischer Perspektive, denke ich.

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Also vor dem Zweiten Weltkrieg hat uns schonmal mindestens alles interessiert, was zwischen Oder und Memel vor sich geht.

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Was Motive des Westens angeht, gibt es wie gesagt die innenpolitischen. Einige Beispiele:

Bidens Präsidentschaft ist in einer schweren Krise. Aufgrund der nicht abgeschlossenen Epidemiebewältigung, wirtschaftlicher Probleme, eines vom Establishment als demütigend empfundenen Abzugs aus Afghanistan und der Korruption seiner Partei, die die Umsetzung der meisten seiner Wahlversprechen verhindert, sowie der eigenen Weigerung präsidentiale Befugnisse einzusetzen, um den Rest der Wahlversprechen zu erfüllen.

Johnsons Premieramt ist auch - mal wieder - gefährdet, durch die Auswirkungen eines EU-Austritts, der offensichtlich zu einer wirtschaftlichen Kontraktion führen musste, aber als große Chance für ein wirtschaftliches Erstarken verkauft wurde, eine ziemlich schlechte Bilanz des Epidemiemanagements im europäischen Vergleich und dann natürlich die unzähligen Skandale.

Für beide ist die Inszenierung als Führungsfiguren der freien Welt, die einem angriffslustigen Staat die Grenzen aufzeigen, eine willkommene Ablenkung von den domestischen Problemen.

Macron gehört zwar nicht zu den Alarmisten, aber wer sechsstündige Verhandlungen führt, signalisiert natürlich dennoch die Ernsthaftigkeit der Lage. Er stellt sich in Kürze der Wahl und zeigt sich in der besten Tradition der französischen Diplomatie gerade im Kontrast zum anglosächsischen Säbelrasseln.

(Ergänzend Scholz, kann die Krise eigentlich nicht gebrauchen.)

So und wenn man jetzt noch zu dem Schluss gekommen ist, dass Russland nicht tatsächlich angreifen will. Dann kann man hier recht frei agieren und die Situation eskalieren lassen.

Die US-amerikanische LNG-Branche gehört nur bedingt zu den Profiteuren, denn man kann durchaus einwenden, dass sie auch ohne diese Krise gerade ähnliche Profite erzielen würden, durch die Unklarheit, ob Nord Stream 2 in Betrieb gehen wird, sowie den Streit zwischen EU und Russland um die Ausgestaltung des Gasmarktes, wodurch Gazprom das Marktdefizit - nicht unbedingt ein physisches Defizit - in der EU nicht bedient.