Was Motive des Westens angeht, gibt es wie gesagt die innenpolitischen. Einige Beispiele:
Bidens Präsidentschaft ist in einer schweren Krise. Aufgrund der nicht abgeschlossenen Epidemiebewältigung, wirtschaftlicher Probleme, eines vom Establishment als demütigend empfundenen Abzugs aus Afghanistan und der Korruption seiner Partei, die die Umsetzung der meisten seiner Wahlversprechen verhindert, sowie der eigenen Weigerung präsidentiale Befugnisse einzusetzen, um den Rest der Wahlversprechen zu erfüllen.
Johnsons Premieramt ist auch - mal wieder - gefährdet, durch die Auswirkungen eines EU-Austritts, der offensichtlich zu einer wirtschaftlichen Kontraktion führen musste, aber als große Chance für ein wirtschaftliches Erstarken verkauft wurde, eine ziemlich schlechte Bilanz des Epidemiemanagements im europäischen Vergleich und dann natürlich die unzähligen Skandale.
Für beide ist die Inszenierung als Führungsfiguren der freien Welt, die einem angriffslustigen Staat die Grenzen aufzeigen, eine willkommene Ablenkung von den domestischen Problemen.
Macron gehört zwar nicht zu den Alarmisten, aber wer sechsstündige Verhandlungen führt, signalisiert natürlich dennoch die Ernsthaftigkeit der Lage. Er stellt sich in Kürze der Wahl und zeigt sich in der besten Tradition der französischen Diplomatie gerade im Kontrast zum anglosächsischen Säbelrasseln.
(Ergänzend Scholz, kann die Krise eigentlich nicht gebrauchen.)
So und wenn man jetzt noch zu dem Schluss gekommen ist, dass Russland nicht tatsächlich angreifen will. Dann kann man hier recht frei agieren und die Situation eskalieren lassen.
Die US-amerikanische LNG-Branche gehört nur bedingt zu den Profiteuren, denn man kann durchaus einwenden, dass sie auch ohne diese Krise gerade ähnliche Profite erzielen würden, durch die Unklarheit, ob Nord Stream 2 in Betrieb gehen wird, sowie den Streit zwischen EU und Russland um die Ausgestaltung des Gasmarktes, wodurch Gazprom das Marktdefizit - nicht unbedingt ein physisches Defizit - in der EU nicht bedient.