Einmarsch in die Ukraine - Gesicherte Erkenntnisse oder mediale Erzählung?

Aber was folgt daraus? Soll man als Europäer das einfach so hinnehmen? Gibt es nicht so etwas wie eine moralische Verpflichtung sich für Menschenrechte, Demokratie und Frieden einzusetzen? Vielleicht bin ich ja ein bisschen naiv, aber sind das nicht erstrebenswerte Ziele?
Die, die in der Ukraine darauf gesetzt haben, sind von allen in Stich gelassen worden und wenn die Demokratien so weiter machen, werden Sie jedes Anrecht als „Hüter“ dieser Werte aufzutreten vollends verlieren.

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Wie immer die unmittelbare Situation in der Ukraine sich entwickelt – man kann von einer Tatsache ausgehen: Putin will zwar die Ukraine, aber er will mehr. Europa muss sich darauf einstellen, dass er seinen Einfluss auf ganz Europa ausdehnen und die Schutzmacht USA vom Kontinent vertreiben will. Das wird ein langer, harter Kampf.

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Ich bin da nicht so pessimistisch, da es sich bei Demokratien um ein politisches System handelt, das von einer Gesellschaft getragen wird. Im Gegensatz zu dem derzeit herrschenden „System Putin“ in Russland, das wird mit ihm verschwinden. Was danach kommt-wer weiß.

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Weil das Land ein Spielball zwischen diesen Mächten ist.

Das ukrainische Gebiet hat lange zum russichen Einflussbereich gehört. Teile im heutigen Osten waren militärisch, wirtschaftlich und schließlich industriell so stark integriert, dass sie effektiv eher Teil des russischen Kernlands waren. Und gibt es auch viele Einwohner, die sich als ethnisch russisch verstehen. Insofern waren einige Teile der Ukraine wirklich nur unter der Prämisse, dass es sich um ein gemeinsames Land, die Sowjetunion, handelt, administrativ in die Ukraine eingliedert. In Russland wird nach dem Zerfall kaum jemand Lwiw nachgeweint haben, aber die Krim als prominentestes Beispiel war von Anfang an ein Problem.

Und weil genau das der Fall ist, weil die Ukraine so einen hohen Wert für Russland besitzt, haben die USA dort investiert, um diese Beziehungen zu kappen. Das geht über eine Rolle als weiterer NATO-Frontstaat hinaus. Natürlich konnten sie dabei die Ressentiments, die gerade die ethnischen Ukrainer im Westen des Landes gegen die Russen haben, für sich nutzen. Und natürlich können westliche Staaten mit der Ressourcenverfügbarkeit, die sich aus der asymmetrischen Verteilung des Weltwohlstands ergibt, ein attraktives (oft eher attraktiv erscheinendes) Angebot unterbreiten.

Wir haben also eine Großmacht, die eine zu enge Beziehung mit dem Land hat, und eine andere, deren Interesse sich genau an dieser zu engen Beziehung festmacht.

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Mal nebenbei: Biden hat momentan zu Hause keinen guten Stand, mit Umfragetief, diverse Vorhaben im Senat gescheitert oder zusammengestrichen. Da ist eine „Ablenkung“ mit Sicherheit nicht unwillkommen, und das hat in der Geschichte schon öfter zu Aktionismus in ausländischen Politikfeldern geführt. Da kann er den starken Mann spielen, in der Hoffnung für die Mid–term Wahlen noch Punkte gut machen zu können. Honi soit qui mal y pense

@Norbert hat in einem anderen Thread einen Link auf einen Artikel der Stiftung Wissenschaft und Politik geteilt, der aus meiner Sicht ein selten ausgewogenes Bild der Entstehung der Situation schildert. DieSituation eskaliert schon seit 1990 langsam aber stetig, und die USA sind daran etwas mehr beteiligt als sie gemeinhin wissen wollen.

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Was heißt hier investiert? Die Ukraine zahlt für die bisher gelieferten Waffensysteme und selbst beim Handel erwirtschaftet die USA mit der Ukraine einen Überschuss. Also wirtschaftlich hat sich das für die Ukraine nicht gelohnt, selbst wenn man die jährliche Entwicklungshilfe von 320 Millionen US Dollar hinzurechnet. Außerdem hat die USA soviel investiert, die Ukraine in die NATO zu integrieren, dass sie sich nicht damit durchgesetzt haben.

Hier noch eine kurze Chronik zum Verhältnis Russland-Ukraine.

Ungerechtigkeit hat eigentlich immer mit Machtverhältnissen zu tun. Staaten, in jedem Fall die real existierenden, versuchen ihre Macht zu erhalten. Das kann bedeuten, dass man die Machtverhältnisse gegnerischer Entitäten zu brechen versucht, oder dass man sie pflegt, verteidigt, fördert, insofern die eigene Macht betroffen ist. Und dazu legt man sich dann als Teil des Selbstbildes Werte zurecht. Und da das alles im komplexen Geflecht einer wieder multipolar werdenden Welt stattfindet, ist ein Staat eben immer wieder mal ein Verletzer von Werten und dann wieder ein Verteidiger. Und viel Ungerechtigkeit wird erhalten. Konsistente Werte sind eher eine Kategorie für Individuen und schon auf dieser Ebene eine Herausforderung.

Um es von der abstrakten Ebene wegzuführen, es stellt sich die Frage, was eigentlich einem Wert wirklich entspricht und wie man Werte priorisiert.

Aus meiner Sicht ist es relativ einfach: Man schließt eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine aus und verhandelt darüber, wie sie als neutrales Brückenland zwischen den Machtblöcken funktionieren kann. Mir erscheint das wesentlich entlastender für das Land als alles, was sonst so vorgeschlagen wird.

Aber hier kann man nun mit dem Wert der Souveränität gegenhalten, die Freiheit der Bündniswahl. Deswegen verbietet sich dieser Weg. Nun das gilt aus Sicht der Ukraine. Aber die NATO ist ein militärisches Bündnis, es ist eigentlich selbstverständlich, dass es in eine Expansion sein Verhältnis als Machtblock gegenüber anderen militärischen Mächten einbezieht. Insbesondere, wenn es eine weiteren Wert nämlich die friedliche Konfliktbeilegung vor sich herträgt.

Verbietet es sich also wirklich wegen der Souveränität, wenn man sich bereit erklären würde, Russland zum Beispiel ein Veto für eine Aufnahme der Ukraine einzuräumen? Wäre es nicht einfach eine Priorisierung der friedlichen Konfliktbeilegung? Oder geht es nicht um Werte, sondern es wäre schlicht eine Niederlage gegenüber dem Feind. Für die Abwendung dieser Niederlage, kann man dann andere Rationalisierungen finden, wie zum Beispiel, dass das Russland nur ermutigen würde, diese Taktik immer wieder zu verwenden.

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Markus.37

Meiner Meinung nach völlig inakzeptabel. Wenn ich dich richtig verstehe, sollen wir den Status Quo, den Russland durch die völkerwidrige Annexion der Krim und die Unterstützung der internationalen nicht anerkannten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk geschaffen hat, einfach so akzeptieren? Wo hört das auf? Ukraine, Baltikum, Polen, Serbien oder die Neuen Bundesländer?

Geschichtliche Vergleiche hinken zwar immer, aber dadurch wurden schon andere Aggressoren ermutigt sich weiter Länder einzuverleiben. Ich wünsche hier auf jeden Fall niemanden in einem Land wie dem heutigen Russland zu leben.

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Der russischen Aufmarsch ist Realität. Oder glauben Sie dass über 100.000 russischen Soldaten nur auf Satellitenbildern der Nato zu sehen sind?

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Nicht Entwicklungshilfe, „aid“, die USA zählen auch Unterstützung für das Militär dazu. Es gab mal diese Aussage von Victoria Nuland, dass die USA 5 Milliarden US-Dollar über die 1990er und 2010er in ukrainische, zivilgesellschaftliche Organisationen gesteckt haben. Das wären also 250 Millionen pro Jahr über 20 Jahre für diesen Bereich. Und dann geht natürlich viel Geld über die Geheimdienste raus. Und seit 2014 wurden die Unterstützung mit Militärgütern, Training usw. deutlich ausgebaut. Aber mein Punkt ist, das Ziel ist nicht die Ukraine in die NATO zu holen, sondern die Russische Föderation zu kontern oder neue Angriffspunkte zu finden.

Also wenn das auf den Vorschlag, die NATO-Mitgliedschaft auszuschließen, reagiert, was hat das mit einem neutralen Status für die Ukraine zu tun?

Nein, aber die Kriegswarnungen der USA beruhen auf geheimen Informationen, selbstverständlich. Und wenn Russland schon nicht letzten Mittwoch angegriffen hat, dann werden sie das diese Woche tun, oder zumindest bald.
Genauso, wie Saddam Hussein „weapons of mass destruction“ besaß, so etwas hatten wir schon mal, dass die Falken in den USA ihre eigene Agenda verfolgt haben. Tut mir leid, aber mein Vertrauen in die Aussagen dieser Geheimdienste hält sich in Grenzen.
Dass Russland provoziert, vielleicht um nicht länger als „kleiner Junge“ abgestempelt zu werden, glaube ich auch. Aber vielleicht gäbe es auch ohne amerikanische Kriegsrhetorik Möglichkeiten der Situation zu begegnen.

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Aha ein Truppenaufmarsch ist nur eine Provokation, klare Antworten darauf zu geben aber „Kriegsrhetorik“.

Und wenn der Westen nicht reagiert und die russischen Truppen dann in Kiew stehen, dann kommt vom Seiten der Russlandfreunde wohl nur Schulterzucken und die üblichen Sätze, dass Kiew ja die historische Wiege Russlands sei und man in Deutschland sowieso nicht machen könne wegen der „historischen Verantwortung“ und weil man doch ganz dringend das Gas bräuchte.

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Hat die Nato nicht auch schon im Baltikum Militärübungen durchgeführt? Bestimmt auch völlig ohne Hintergedanken.

Auf jeden Fall nicht um nach St. Petersburg zu marschieren, sondern der russischen Diktatur zu zeigen, dass im Baltikum für sie nichts mehr zu holen ist.

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So langsam habe ich das Gefühl, mit der Presseabteilung des russischen Außenministeriums zu kommunizieren. Was die NATO/ USA angeht, wird vom Militärisch-Industriellen Komplex, Kriegsrhetorik, Angriffspunkte und Investitionen (natürlich immer in böser Absicht) in die Ukraine usw. gesprochen. Die „armen Russen“ reagieren doch nur auf diese unverschämten Forderungen nach Freiheit, Demokratie und die Anerkennung der ukrainischen Grenze. Noch schlimmer ist natürlich der Wunsch eines Landes selbst zu entscheiden in welches Bündnis es eintreten will.
Auf konkrete Vorwürfe, die Russland betrifft, wird nicht geantwortet und nicht zu vergessen der Hinweis (Drohung?!), dass Sanktionen natürlich auch negative Auswirkung auf den Westen haben.

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Die gemeinsame Übung mit Russland, Sojusnaja Reschimost 2022, in Weißrussland soll heute offiziell enden. Schauen wir mal, wohin die russischen Truppen sich anschließend bewegen. Wenn Russland die dem Narrativ entsprechende Großoffensive plant, sollten sie nicht wie geplant abziehen. Allerdings wenn sie an diesem Punkt den Druck maximal aufrechterhalten wollen, könnte man den Abzug mit weißrussischer Zustimmung ebenfalls verzögern. Diese parallele Möglichkeit wird entlang des gesamten Grenzgebiets bestehen.

Ich habe noch nichts über das Ende der Übungen im Schwarzen Meer gehört.

Nein, ich meine mit Kriegsrhetorik die ständige Warnungen, dass Russland „gleich“ oder „bald“ oder „demnächst“ in die Ukraine einmarschieren wird. Die USA habe behauptet, Russland würde schon letzten Mittwoch einmarschieren. Man habe dazu „gesicherte Geheimdiensterkentnisse“. Putin hätte den Befehl schon gegeben.

Und dann passierte es doch nicht. Ist es ein Wunder, dass mein Vertrauen in solchen Aussagen sich in Grenzen hält?

Ich sage nicht, dass es nicht passieren wird. Aber ich soll weiterhin alle USA Äußerungen glauben? Und darf keine Zweifel anmelden?
Nein, danke. Um Joschka Fischer zu zitieren: „Excuse me, I am not convinced.“

Eine Anmerkung noch zu den Zahlenangaben im Dezember und Januar, also 100000 Soldaten im Grenzgebiet. Mal ab davon, dass es zum Teil nur das Hinterland war. Es ist eher unwahrscheinlich, dass diese Angaben gestimmt haben.

Wenn man zum Beispiel nochmal auf das Satellitenbild von Jelnja schaut, eine der größeren Konzentrationen von Einheiten, waren dort Fahrzeuge geparkt und zwar über Monate. Hier ist zum Vergleich ein weiter Ausschnitt von Jelnja vom 1. November 2021, der schon damals große Teile des Fahrzeugsparks zeigt, (gleiche Quelle wie für das Bild im verlinkten Beitrag, das Unternehmen Maxar, aus diesem Artikel):

Die zugehörigen Besatzungen geschweige denn die gesamten unterstützenden Kräfte werden nicht ein bis zwei Monate in einem Zelt irgendwo auf dem Gelände Däumchen gedreht haben. Diese Soldaten wurden gezählt, weil man ihre Einheit dort verortet hat, und die zugehörige Personenstärke gezählt hat. Vor Ort war vermutlich nur ein Bruchteil davon, Wachsoldaten, vielleicht Wartungstechniker usw. Aber erst wenn die Fahrzeuge in Einsatz kommen, werden auch alle Soldaten tatsächlich verlegt.

Ich nehme an, wenn man in den Jahren zurück geht und ähnliche Quellen hätte, würde man ein ähnliches Bild finden. Erst wird Material in die Region verlegt. Dann reisen die Soldaten zu den Übungen an. Die Vorstellung, dass dort direkt an der Grenze russische Soldaten zwei, drei Monate in Lagern unter Spannung eines möglichen Einsatzes gehalten wurden, galt als deutliches Zeichen für einen Einmarsch, weil sich das nicht durchhalten lässt. Diese Vorstellung hat denke ich eher nicht gestimmt.

Klar, man kann entweder das offensichtliche annehmen (Russland marschiert Truppen auf um wie damals auf der Krim ukrainisches Territorium zu erobern oder zumindest eine Ausdehnung der mit seiner Hilfe errichteten „Volksrepubliken“ zu erreichen) oder man raunt von Dingen wie „militärisch-industrieller Komplex“, CIA, Wall Street und schlechten Umfragewerten für die Biden-Regierung als Grund für die aktuelle Krise. Jeder wie er mag…

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