Liebe LagerInnen,
Ich war mit meiner Partnerin zu einem Kurztrip in Dresden. Es war wunderschön dort. Am Abend des 02.10.2023 ca. 21:00 (ich bin mir nicht mehr sicher) saßen wir direkt neben der Frauenkirche im Augustiner-Lokal als sich Trommeln im Marschrhythmus näherten. Es waren die Nazis, die im Dunkeln mit Trillerpfeifen samt Polizeigeleit an der Frauenkirche vorbeizogen. Mir zog es dabei alles zusammen. Ich hatte ein widerliches Gefühl von Beklommenheit. Ich hatte Angst. Es schien vielen so zu gehen. Nicht nur die Kellner, die zum Teil dem äußeren Anschein nach einen Migrationshintergrund zu haben schienen, auch die anderen Gäste, wir waren alle wie vor den Kopf geschlagen.
Der Spuk verging recht schnell wieder. Das ein oder andere Bier verhalf allen Gästen dazu nach einer ca. Stunde wieder zu lachen und die Sache zu vergessen. Ich will das aber nicht vergessen. Ich habe Angst, dass eine Zukunft nahe ist, in der das nicht nach einer Stunde mit ein paar Bier zu lösen ist. Die Rechten - der Wahrheit die Ehre - sind zur Zeit weit besser in Werbung und Organisation. Wenn die Rechten zur Demo rufen, dann kommen ihre Anhänger. Genau da liegt die Schwäche der Demokraten. Jede Partei will die Erfindung der Brotsuppe für sich reklamieren und überlässt lieber den Nazis den Raum, bevor man dem demokratischen Mitbewerber auch nur einen Zentimeter Raumgewinn gönnt.
Die AfD hat nach Umfragen zur Zeit ca. 20+x%. Im Umkehrschluss haben die Demokraten mindestens 70%.
Warum könnten wir nicht mal demonstrieren? Nicht parteilich organisiert, da kämen dann nur die „eigenen“ Wähler. Ein überparteilicher Organisator, der sich ein paar grunddemokratische Parolen in Abgrenzungen zu Nazis einfallen lässt, denen dann jeder Anhänger jeder politischen Partei zustimmen kann und muss? Deutschlandweit Präsenz zeigen, um dieser Nazipest die Bühne und vor allem auch das Narrativ des „Wir sind ja eigentlich die Mehrheit, die Linksgrünversifften schummeln doch“ wegzunehmen.
Was man dazu bräuchte? Ein bis zwei Gehirne, Öffentlichkeit, eine Organisation, die unverdächtig ist einer Partei zugehörig zu sein. Da dachte ich an Euch, den Podcast, die Gesellschaft für Freiheitsrechte.
Natürlich könnt auch Ihr das nicht alleine. Wenn Ihr aber bereit wärt, diese Idee zu verwirklichen und Eure durchaus schlauen Köpfe zusammenzustecken und Euch Mitverschwörer zu suchen (ich denke da zum Beispiel an Tommy Krappweis „nachsitzen“ Crew), dann habe ich die stille Hoffnung, dass Ihr das hinbekommt. Eine Demo Deutschlandweit getragen von Allen die nicht AfD sind. Und falls das bei den Rechten keinen bewegte, dann diente es dazu Menschen wie dem Söder, dem Merz, aber auch dem ein oder anderen FDPler und vielen Anderen zu zeigen, dass es sich auf der Suche nach willigem Wahlvolk viel mehr lohnt in demokratischen Gewässern, anstelle der stinkenden Kloake des braunen Brachwassers zu fischen.
Also wenn hier im Ruhrgebiet irgendwo eine Nazi-Demo ist, gibt es eigentlich immer (i.d.R. deutlich größere) Gegendemonstrationen, meist unter dem Motto „[Stadt] ist Bunt“.
An diesen beteiligen sich manchmal - leider nicht immer - auch die örtlichen CDU-Gruppen.
Grundsätzlich haben wir, wenn es um den Kampf gegen Rechtsextremismus geht, das Problem, dass der Begriff „Antifaschismus“, der in diesem Kontext gerne verwendet wird, selbst politisch stark belastet ist (siehe z.B. „antifaschistischer Schutzwall“ oder das Selbstverständnis der DDR als Antifaschistischem Staat - oder aktuell die Propaganda Russlands, den „Faschismus“ in der Ukraine bekämpfen zu wollen).
Daher ist Antifaschismus leider für manche CDUler ein rotes Tuch. Genau deshalb heißen solche Anti-Nazi-Demonstrationen dann eben „[Stadt] ist Bunt!“ oder „[Stadt] gegen Rassismus“ - darauf kann man sich eher einigen. Aber auch dieser Kampf gegen Rechts wird von vielen Konservativen noch als „potenziell links unterwandert“ betrachtet.
Kurzum:
Breite Bündnisse gegen Rechts gibt es vielerorts, oft auch unter Einschluss der CDU. Leider funktioniert das nicht überall.
Das ist denen durchaus bewusst. Aber um die Demokraten schlagen sich halt alle Parteien, die Rechten (=Konservative und alles Rechts davon…) sind nur für CDU, AfD und - mit Abstrichen - FDP zu gewinnen. Ich hoffe einfach, dass die Rechnung von Merz nicht aufgeht und er im Kampf um die Wähler am rechten Rand lediglich der AfD ein paar Wähler abnimmt, dafür aber in der Mitte viel mehr Wähler an die anderen Parteien verliert. Das wäre letztlich sogar wünschenswert (dh. Union und AfD sind beide geschwächt), ist aber wohl eher Wunschdenken, da der Anteil der „rechten Wähler“ eher zu steigen scheint.
Ja, ich habe mich ungenau ausgedrückt. Ich meinte eben genau nicht die kleine einzelne, politisch motivierte Demo am Mittwoch in Wanne Eickel und Donnerstag in Schwerin.
Mein Traum wäre, wenn Alle demokratisch gesonnenen Bundesbürger am Sonntag Vormittag mal 1 Stunde mit einem Pappschild „Pro Demokratie! Gegen AfD!“ demonstrieren würden. Einfach mal die Macht, die Größe, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Demokraten zeigen, steigern, vielleicht zu einem gewissen Teil auch erstmal wieder reparieren.
Und für einen solchen Traum - glaube ich - darf es ben keine Partei sein, die das organisiert. Das müsste überparteilich und von aussen kommen.
Was die Nazis ihren Anhängern bieten, das muss uns klar sein, ist ein „Wir“-Gefühl und ein „Die haben Angst vor uns“-Gefühl. Das sind sehr starke Emotionen. Das bindet Leute. Das ist psychologisch so gut, dass ich das auch auf unserer Seite möchte.Denen mal auf der Strasse zeigen wie klein man sich dann fühlt und andererseits uns zerstrittenen Demokraten ein bisserl mehr „Wir“ vermitteln.
Hier ein Beispiel:
Wurde überregional beworben (auch bei uns, 100km entfernt), ein paar bekannte Bands. Und hat gut funktioniert.
Ist aber immer auch Glückssache.
Wie ist das Wetter? Welche Konkurrenzverantaltungen? Und natürlich hat die bevorstehende Wahl auch beigetragen, dass viele Gesicht zeigen wollten.