Ein Mindestlohn für ein Auskommen ohne staatliche Leistungen?

Ulf hat es auf den Punkt gebracht (LdN vom 17.11). Anstatt die Leistungen zu kürzen wegen Lohnabstandsgebot, den Mindestlohn anheben! Carsten Linnemann sagte neulich bei Anne Will, dass der Mindestlohn dann bei 18/19 Euro liegen müsste, damit ergänzende staatliche Leistungen nicht mehr notwendig wären.

Ich würde gerne mal ein Modell durchrechnen, welche Auswirkungen das auf das Preisgefüge hätte. Wie teuer würden dann Lebensmittel, Restaurantessen, Putzdienste, Lieferungen? Kann es sein, dass diese Dinge so teuer werden, dass der höhere Mindestlohn durch den allgemeinen Preisanstieg aufgefressen würde? Kann ich mir nicht vorstellen. Restaurantessen und Putzfrau waren für Niedriglöhner noch nie drin, so viel Krempel bestellen, dass die Lieferkosten einem über den Kopf wachsen, ist nur für Extremfälle denkbar, die für sich schon ein Problem sind. Um wieviel würden Lebensmittel teurer? 30% maximal könnte ich mir denken, mit dem guten Mindestlohn bezahlbar schätze ich.

Warum soll dann dieser Mindestlohn nicht funktionieren? Weil die Gut- und Mittelverdiener damit schlechter gestellt wären als zuvor? Das muss sich dann erst jemand aus dieser Gruppe zu sagen trauen. Wäre ein Zweig der Exportwirtschaft betroffen? Maschinenbau und sonst. Hightech sicher nicht. Schweinefleisch nach China vielleicht, fiele aber eher unter erwünschte Effekte.
Ansonsten sehe ich nur positive Auswirkungen:
• Drastisch weniger Sozialausgaben des Staates
• Entsprechend weniger Verwaltungsaufwand
• Eine würdige Arbeit auch für Ungelernte und viele nebenher verdienende Frauen
• Mehr Zufriedenheit, die sich auf die ganze Gesellschaft auswirkt
• Lohnangleichung, von unten wie von oben gleichzeitig
• Dadurch wieder besserer gesellschaftlicher Zusammenhalt durch Annäherung der Standards
• Vielleicht wechseln auch von den 5% Arbeitsvermeidern Einige die Seiten, müsste aber nicht sein in einer dann besseren Welt…

Eine Diskussion dazu fände ich sehr interessant. Ich habe ja nichts felsenfest behauptet.

Eine off-topic-Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen zu den aktuellen LdN-Themen: Blockade des Bürgergelds, „Sicherungsverwahrung“ von Klima-Aktivisten in Bayern, deren Verleumdung als „Terroristen“ – das kann doch nicht mehr wahr sein! Die Union ist im politischen Sumpf angekommen. Das ist nicht mehr staatstragend. Würde doch die FDP dieser ehemals noch rechtsstaatlich orientierten Union alle rational denkenden Konservativen abjagen, anstatt Politik hauptsächlich für ihre nicht wachsende 10%-Klientel zu machen.

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Zur Frage warum dieser hohe Mindestlohn nicht funktionieren soll, kann ich dir das Interview von Tilo Jung mit dem Ökonom Hans Werner Sinn empfehlen . Konkret ist die These, dass bestimmte Jobs durch einen höheren Mindestlohn nicht mehr rentabel wären und dann einfach wegfallen würden. Dies führt dann zu mehr Arbeitslosen und dadurch zu höheren Sozialausgaben.
Herr Sinn argumentiert im Interview dafür, statt einer Mindestlohnerhöhung die Leute staatlich zu unterstützen damit sie auf den selben Endlohn herauskommen (also sowas wie aufstocken). Das führt zum selben Ergebnis wie eine Eröhung des Mindestlohns, aber ist billiger für den Staat, da diese Menschen einen Teil des Geldes ja selbst verdienen. Ebenfalls haben diese Menschen dann eine Arbeit was sie beim Wegfallen der Jobs nicht mehr hätten.

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Nun ja, genau genommen sind das einfach nur die Argumente, die er schon vor der Einführung des Mindestlohns gebracht hat. Das ist nur damals und auch bei jeder weiteren Erhöhung des Mindestlohns nicht eingetreten. Mir ist such nicht bekannt, dass er das jemals mit einer Studie anhand anderer Länder, die einen Mindestlohn haben belegt hätte. Insofern wäre ich höchst vorsichtig, was seine Aussagen an dieser Stelle angeht (wie auch bei vielem anderen, was er als Experte inzwischen so von sich gibt).

Aber seine Position ist zum Mindestlohn muss ohnehin im Kontext seiner Meinung zu Löhnen gesehen werden. Die sieht er nämlich im Allgemeinen eher als zu hoch an und damit als Gefahr für die Wirtschaft.

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Wenn Jobs nicht rentabel sind, dann gibt es auch keine echte Nachfrage. Das kann ich mir bei Eisverkäufern im Winter vorstellen. Vielleicht gegen einige Paketdienste pleite, weil es vernünfiger ist, bei höheren Löhnen die Lieferwägen besser auszulasten und dafür garantierte Lieferung am nächsten Tag nicht mehr anzubieten, manche Leute werden bei höheren Versandgebühren vielleicht doch lieber lokal im Laden einkaufen usw. Ich meine damit, sobald höhere Löhne gezahlt werden, reagiert der Markt ganz schnell, und schon ist wieder alles im Lot. Deswegen wandert niemand aus. Mit subventionierten Löhnen wuchern unsinnige Produkte und Dienstleistungen.

Man hat lange gemeint, nur Industriearbeit wäre produktiv, und gerade in DE hat man die Autoindustrie gepäppelt, deren Über- und Luxusproduktion einen verheerenden Schaden angerichtet hat. Man hat vergessen, dass soziale Arbeit auch produktiv ist, und im Gegensatz zu Luxusautos lebensnotwendig für eine Gesellschaft ist und keinen ökologischen Schaden hinterlässt.

Im Pflege- und Bildungsbereich fehlen so viele Kräfte, bei der Instandhaltung der Bahn gibt es unendlich viel zu tun, in der Produktion gesunder Lebensmittel würden viele Arbeitskräfte mehr benötigt werden usw. Damit würde DE sicher nicht mehr „Exportweltmeister“ werden, aber das ist eh der lächerlichste Titel, den sich vor allem deutsche Journalisten ausgedacht hatten und von Peter Altmaier immer neu auf andere „Weltmeister“-Titel angewendet wurde, um einem plumpen Nationalstolz zu kitzeln und so Sympathien für eine verfehlte Wirtschaftspolitik zu bekommen.

Sinn hatte ja vor dem ersten Mindestlohn schon den Untergang vorausgesagt. Wie @BamChiller sagt, kann man Sinn beinahe nicht mehr ernst nehmen.

Habe in das Interview hineingehört, aber das ist so lang, dass ich die Stelle nicht gefunden habe. Zu Anfang sagt er ja, dass man die Reichen gut behandeln müsse, sonst gingen sie woanders hin. Wer von denen wirklich alles hinter sich lassen will, weil er/sie auch nicht einen kleinen Teil vom Vermögen zurückgeben will an eine gesellschaftliche Struktur, die den Reichtum erst ermöglicht hat, dann braucht man diesen sich als asozial erweisenden Menschen nicht nachtrauern. Auch da irrt Sinn mE.

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Das habe ich da jetzt so nicht heraus gelesen, aber ja: Sinn macht den Eindruck, als tue er sich schwer, sein Weltbild im Lichte neuer Erkenntnisse zu überdenken. Besonders problematisch in dem Zusammenhang sein Vortrag „Energiewende ins nichts“, wo er versucht erneuerbare Energien mit fragwürdigen Methoden kaputt zurechnen und im Gegenzug Atomenergie als Weg aus der Krise anpreist – diesen aber auf wilde Spekulationen über z.B. Urangewinnung aus Meerwasser aufbaut.

Der Punkt ist: die Tatsache, dass man Sinn als Person hinterfragen sollte, sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass seine These

im Grundsatz von Ökonomen nicht angezweifelt wird. Der Streit besteht nur darüber, bei welchem Level an Mindestlohn solche Effekte auftreten.

Dienstleistungen wie Paket- und Essenslieferungen, Taxifahrer, Bewirtung aller Art, Friseure, Umzugsunternehmen, bestimmte Handwerksleistungen, und viele mehr werden selbstverständlich mit einer sinkenden Nachfrage konfrontiert sein, wenn der Mindestlohn ein bestimmtes Level übersteigt.

Die Tatsache, dass es bei der Einführung des Mindestlohns nicht zu Massenarbeitslosigkeit gekommen ist, hat mit der Höhe des Mindestlohns, mit der Lage auf dem Arbeitsmarkt und dem Wirtschaftswachstum zu tun. Allerdings nicht damit, dass es den o.g. Effekt grundsätzlich nicht gibt.

Daher halte ich solche pauschalen Aussagen für extrem gewagt:

Selbstverständlich muss man ökonomischen Auswirkungen auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt im Hinterkopf haben, wenn man die Höhe eines Mindestlohns festlegt. Allerdings sind diese Auswirkungen durch ein neoklassisches Modell nicht ausreichend beschrieben und man muss die etwaigen negativen ökonomischen Auswirkungen gegenüber den nicht von der Hand zu weisenden sozialpolitischen Vorteilen abwägen.

Ich finde daher die Idee einer durch Ökonomen beratenen Mindestlohnkommission gar nicht so schlecht. Natürlich kann man sich über deren Besetzung streiten.

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Warum?

Mal zum Vergleich: der Herrenhaarschnitt trocken kostet hier umgerechnet 30€
Das Tagesgericht im Restaurant zur Mittagszeit gibt es nicht unter 10€
u.s.w.

Der Punkt ist doch, dass diejenigen die unterhalb des gedachten Mindestlohn arbeiten die von dir aufgezählten Dienste eh nicht in Anspruch nimmt.

Es dürfte also eher so sein, dass Friseure dann eben doch mal eine Bewirtung in Anspruch nehmen und die Kellner eben auch mal zum Friseur gehen werden.

Und welche Jobs wären das?
Brauchen wir die oder sind die nur Beschäftigungstherapie auf Staatskosten?

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Stimmt, diesen Effekt gibt es auch. Die Arbeitsverhältnisse, die das betrifft, liegen etwa im Bereich von 20% [1]. Bei allen Arbeitnehmern und auch Nicht-Arbeitnehmern, die das nicht betrifft, werden wir einen gegenteiligen Effekt sehen:
Möglichkeit 1: Die betroffene Leistung wird anteilig reduziert. Der Student, der sich alle drei Wochen nen Friseurbesuch leisten konnte, macht es jetzt alle vier Wochen.
Möglichkeit 2: die Leistung wird eingespart. Für manche Leute ist es jetzt günstiger die alte Waschmaschine selber zu reparieren oder sogar eine neue zu kaufen, als den Handwerker kommen zu lassen.
Möglichkeit 3: die Leistung wandert ab: bestimmte Produktionen lohnen sich ggf. im Ausland wegen geringeren Lohn- und vor allem Nebenkosten jetzt mehr als in Deutschland.
Möglichkeit 4: die Leistung wird unverändert nachgefragt. Der Restaurantbesuch ist für die betroffene Person z.B. persönlich so wichtig, dass sie auch mehr dafür zahlt. Dann muss das dafür verwendete Geld aber anderswo eingespart und dort der Konsum reduziert werden.

Solange es nicht zu signifikanter Abwanderung von Arbeitsplätzen kommt, könnte man diese (bis vielleicht auf Möglichkeit 4) negativen Effekte dadurch kompensieren, dass diejenigen Personen, deren Niedriglohn-Arbeitsplätze nun wegfallen, andere Arbeiten annehmen. Das müssten dann aber eher besser bezahlte Arbeitsplätze sein, denn die Nachfrage nach Niedriglohn-Tätigkeiten ist ja zurückgegangen. Das geht theoretisch. Allerdings stellt sich dann die Frage, warum jemand, der auch für eine besser bezahlte Arbeit eingestellt würde, dann vorher im Niedriglohn-Sektor gearbeitet hat.

Anders herum könnte es meiner Meinung nach funktionieren. Wenn ich Menschen besser qualifiziere, können sie in besser bezahlte Jobs gehen. Dadurch sinkt das Arbeitskraft-Angebot im Niedriglohn-Bereich, die Nachfrage steigt und ich kann die (Mindest-)Löhne dort erhöhen.

[1]
7,8 Millionen Niedriglohnjobs im April 2021 - Statistisches Bundesamt.

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Die können es sich aber leisten. Wenn sie, obwohl mittel bis gut verdienend, plötzlich anfangen zu sparen und nicht mehr zum Essen gehen - warum? Käme mir wie eine irrationale Trotzreaktion vor, nur weil es vorher spottbillig war. Leute einfach schlecht zu bezahlen, weil die erpressbar sind und nur die Alternative einer erniedrigenden Arbeitslosigkeit haben, ist schäbig. Wer damit kein Problem hat und trotz ausreichendem eigenen Einkommen das gesparte Geld höher bewertet - geht auch.

Wie gesagt, vor einem Verbot von Niedriglohn hatte er keine Wahl. Warum haben vor 200 Jahren die Fabrikarbeiter (auch Kinder) 16 Stunden am Tag schwerste Arbeit bei schlechter Ernährung geleistet? Die Fabrikbesitzer haben sie nicht gezwungen. Die Arbeiter hätten jederzeit gehen können, nur wären sie dann verhungert. Wie gut für die Fabrikbesitzer.

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Es reicht völlig, wenn diese Gruppe wählen geht. Die Stimmen von Mittelschicht und Gutverdienern zusammen reichen locker zu einer verfassungsändernden Mehrheit. Kein Wunder, dass sich deren Interessen häufig durchsetzen.

Was die Folgen eines deutlich höheren Mindestlohns angeht, stimme ich allem, was du geschrieben hast, zu. Zu beachten wäre noch, dass höhere Preise für den „kleinen Luxus“ wie z. B. Essen gehen, beim Metzger einkaufen, etc. die Nachfrage etwas dämpfen werden. Zumindest anfänglich, bis das höhere Preisniveau als neue Normalität wahrgenommen wird. Das werden viele kleinere Unternehmen nicht überstehen, weil ihnen die paar Kunden, die sie bisher über die Profitabilitätsschwelle gehoben haben, wegbleiben.

Spannendes Thema, bei dem es wie vielfach beschrieben Sinn macht, auf Expertenemfehlungen zu hören (Mindestlohnkomission). Ich hoffe daher sehr, dass die Wahlkampf-12 € Erhöhung die letzte parteipolitisch motivierte war (was nicht heisst, dass ich gegen Erhöhungen bin…).

Bauchschmerzen macht mir aber beim Mindestlohn auch immer die Frage, wie sich das auf die Lohngerechtigkeit in den Betrieben auswirkt, weil dann natürlich Leute, die vielleicht schon 1-2 Gehaltserhöhungen hatten plötzlich wieder auf Mindestlohnniveau liegen. Was passiert dort in der Praxis und wäre es nicht besser, wenn man stattdessen die Tarifbindung versucht zu erhöhen und die Gewerkschaften zu stärken? Ich glaube dass in Tarifverhandlungen die Realität in den Betrieben besser abgebildet werden kann als mit Untergrenzen, ich bin mir aber nicht sicher. ob so ein Mindestlohn im Endeffekt die Gewerkschaften nicht sogar eher schwächt?

Genau das kann aber passieren. Allein dass darüber geredet wird, dass Produkte teurer werden führt auch bei Gutverdienern dazu ihre Ausgaben instinktiv zu hinterfragen.

Ich kenne das von mir selbst. Allein das viele sprechen über Inflation hat bei mir dazu geführt, dass ich meinen Konsum eingeschränkt habe. Dann habe ich kürzlich mal Kassensturz gemacht und festgestellt, dass ich trotz Inflation eher weniger ausgebe als zuvor und mehr Geld verfügbar habe.

Wirtschaft ist irrational.

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Den Konsum zu reduzieren, wenn die Preise hoch gehen halte ich für ziemlich rational. Für die obere Mittelschicht ist es die eigene Altersvorsorge für die untere Mittelschicht schlicht die laufenden Ausgaben die sonst darunter leiden würden. Dass ich seltener Essen gehe, zum Friseur gehe, Reparaturen selber mache, den Umzug privat organisiere wenn darunter sonst meine Altersvorsorge leidet, oder ich mir keinen Urlaub mehr leisten kann, fände ich nachvollziehbar.

Deswegen sollte man nach Möglichkeiten suchen, sie besser zu bezahlen, OHNE dass für Sie dadurch die Chance auf Arbeitslosigkeit steigt. Der sauberste Weg dazu ist für mich immer noch dieser hier:

Wie gesagt: ich kann mir gut vorstellen, dass man den Mindestlohn noch ein gutes Stück anheben kann, ohne dass es zu Problemen auf dem Arbeitsmarkt führt. Den Lohn einfach auf 18/19 € zu erhöhen und darauf zu hoffen, dass der Markt das schon ausgleicht halte ich für ein ziemlich gewagtes Experiment. Ich kenne allerdings auch niemanden der das fordert (nicht mal die Linke). Selbst der Arbeitnehmernahe Ökonom Achim Truger geht davon aus, dass man ab einem Mindestlohniveau von ca. 60% des mittleren Stundenlohns negative Beschäftigungseffekte eintreten können. Das wäre aktuell etwa die 12€ Schwelle. Insofern wäre ich für schrittweises Anheben und Beobachtung der Situation.

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Konsequenter Weise müsste man da aber schon in der Grund- und Hauptschule ansetzen dass es nicht so viele „Schulversager“ gibt.
Denn das sind später die klassischen Harz4empfänger und Niedriglohnarbeitnehmer.

Das ist immer ein echtes Problem, wenn z.B. die Schuhfachverkäuferin die vorher nur knapp über Mindestlohn bezahlt wurde auf einmal mit der ungelernten Aushilfskraft gleichgestellt wird.
Vor allem kleine Betriebe haben da Probleme einen gerechten Lohnabstand zu halten.

weil Wahlen geheim sind … Ich meine, die sollen das öffentlich so kommentieren.

Das ist ja auch so eine Frage (eine Schieflage mE): wie erklärt man den Lohnunterschied zwischen einem gelernten und einem ungelernten Arbeiter? Gut, der gelernte Arbeiter hat in seine Ausbildung investiert, also die Lehrjahre über weniger Lohn erhalten. Aber wie lange soll der Ungelernte das „zurückzahlen“. Nach hiesigen Verhältnissen bis zum Lebensende. Aber das ist nicht mehr nachvollziehbar. Man kann ja nicht sagen, es gäbe nach der reinen Arbeitsleistung einen grundsätzlichen Unterschied. Beide machen ihre 8 Stunden und schlafen nicht.

Ausserdem sind die Lohnunterschiede so stark abhängig davon, ob eine grosse Gewerkschaft dahintersteht oder eben nicht. Das hat weder mit Leistung noch primär mit Ausbildung zu tun. Sehr ungerecht! Wenn eine Ungerechtigkeit über Jahrzehnte herrscht, wird sie zur unhinterfragten Normalität, sogar die Benachteiligten haben das verinnerlicht.

Das ist eben ein irrationaler Automatismus dann, wenn sowohl Altersvorsorge wie tägliche Ausgaben gesichert sind. Es ist geradezu eine Hysterie bei denkfaulen Gutverdienern (die jammern reflexartig über die höheren Lebensmittelpreise z.B.), und am Ende bekommen die Kinder das griesgrämig Ersparte, ich beobachte das in meinem Umfeld sehr häufig.

Deswegen würde ich das ja gerne mal durchspielen (Computersimulation). Es einfach weiter laufen zu lassen, halte ich für noch riskanter.

Wenn beide die gleiche Tätigkeit mit der gleichen Verantwortung gleich gut verrichten, sollten sie natürlich die gleiche Entlohnung haben. Praktisch ist das eher selten der Fall. So hat die Fachkraft üblicherweise die Verantwortung für die Arbeit des Ungelernten oder der Ingenieur eine andere Aufgabe als der Werkstattgeselle.

Nach diesem Maßstab müsste ein Quereinsteiger im, z.B. Lehramt aber nach einigen Jahren mit dem studierten Lehrer gleichgestellt sein.

Das kannst du ja mal der GEW- oder VBE-Führung vorschlagen. Ich habe einige frühere Kollegen, die nach der Promotion im Lehramt quer einstiegen und bei denen Gründe gesucht wurden diese möglichst niedrig einzustufen (E10 statt E12).

Ist dass denn wirklich ein entweder oder? Man kann durchaus beides machen und m. E. ist ein gesetzlicher Mindestlohn ein Argument für die Gewerkschaften, mit Verweis auf unterschiedliche Qualifikationen, höhere Abschlüsse zu fordern. Gleichzeitig ist denen geholfen, die außerhalb von Tarifverträgen arbeiten und ich habe den Eindruck, dass dies gerade im Niedriglohnsektor der Fall ist.

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Schlechtes Beispiel für Deutschland:
Die staatliche deutsche Post subventioniert mit ihren Briefen kartellrechtlich zu beanstanden den Paketversand und verhindert somit eine Paketpreisbildung am Markt.
Wenn der Mindestlohn erhöht wird, werden nur weitere private Paketdienstleister aus dem Markt verschwinden und die Paketpreise der deutschen Post sind noch weiter durch Briefpreise zu subventionieren. Eine sinkende Briefnachfrage (infolge von Digitalisierung) würde diese Interventionsspirale dann weiterdrehen - bis das System der vom Marktpreis entkoppelten Paketzustellung nicht mehr finanzierbar ist.

Der Link führt bei mir leider nur auf die allgemeine Seite des Kartellamts. Schnelles googeln hat auch nur zu veralteten Meldungen und z.T. eingestellten Verfahren gegen die deutsche Post geführt.

Aber abgesehen davon, wie sollte eine gegebenenfalls festzustellende kartellrechtlich illegale Quersubventionierung, ein Argument gegen einen Mindestlohn sein?

Das eine hat mit dem andere nichts zu tun. Das sind zwei unabhängig voneinander zu betrachtende Fälle. Eine Quersubventionierung sorgt dafür, dass im Markt der Paketzustellung kein gleicher Wettbewerb mehr geführt werden kann. Das ist aufzulösen und dann haben alle die gleichen Rahmenbedingungen. Das Problem, was du ansprichst ist also ein ganz anderes.

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