Echokammern und Ermittlungen

Hallo LdN

im letzten Podcast fand ich euer Thema zu den radikalisierten Chats und Echokammern interessant. Ich bin selber in Ermittlungsbereich Cybercrime tätig und ich muss leider sagen, dass eure Sichtweise sehr einseitig ist. Die Gff in allen Ehren, aber euer Beispiel mit dem Vater der seinem 11 jährigen Sohn die Schuld gibt und auf jedenfall straffrei davon kommt, ist doch etwas arg verkürzt. Da den Polizeien quasi keine Vorratsdaten vorliegen, muss man festhalten bleiben viele Straftaten nicht aufgeklärt. Man hat zwar meistens 7 Tage aber das ist viel zu knapp, da sich Opfer oft erst nach Tagen für eine Anzeige entscheiden und dann IP Adressen verfristet sind.
Das Problem Telegram ist leider real da dieses Unternehmen so gut wie gar nicht mit Polizeien kooperiert, siehe auch deren Transparenzbericht.

Ich denke man sollte in dieses Thema endlich mal eine ehrliche Diskussion anstoßen und miteinander reden von der Gff von Netzaktivisten von Politikern von Ermittlern bis zur Justiz. Bislang wurde immer nur Stimmung gemacht und das wird weder der Freiheitsdiskussion noch den Opfern gerecht.

Erst einmal vielen Dank für die Nachricht und deine Perspektive!

Ich würde nie bestreiten, dass ohne die Auflösung der IP-Adresse schon ein Ermittlungsansatz fehlt. Daher fühlt es sich sicherlich aus der Perspektive der Polizei so an, als wenn das der Schlüssel zur erfolgreichen Ermittlung wäre.

Ich glaube, der entscheidende Unterschied liegt in der Beurteilung, was danach passiert. Natürlich ist der Anschlussinhaber ein Ermittlungsansatz, nur reicht das wirklich für einen Tat-Nachweis?

Und natürlich spiegele ich meine Auffassung auch mit Menschen, die damit täglich zu tun haben - und darauf beruht ja meine Skepsis, wie weit man mit der IP letztlich kommt.

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Ip Adressen sind ganz sicher kein Allheilmittel, es ist ja unbestritten das IT affine Kriminelle diese sehr einfach verfälschen oder verschleiern können.

Aber ich denke im einfachen Betrug ( sagen wir mal den klassischen Ebaybetrug) oder auch Hate Speech Bereich sind die Beschuldigten meistens nicht so bedacht unterwegs, gerade Hate Speech passiert ja meistens aus aufgeheizten Diskussionen oder Stimmungen heraus. Und gerade da wäre es wichtig den Polizeien mehr Möglichkeiten zu geben, das man dies dann kritisch evaluiert von unabhängiger Stelle wäre zum Beispiel eine Möglichkeit, um eine fortlaufende Güterabwägung zu haben und auch die Maßnahmen als mildestes Mittel einzuordnen.
Eine aufgelöste IP dient als Türöffner um überhaupt einmal einen Tatverdächtigen zu haben und Informationen zu sammeln und dann weiterführende Maßnahmen bei der Justiz anzuregen.
Diese Folgemassnahmen helfen enorm, zum Beispiel Durchsuchungen und Beschlagnahmen von IT Geräten, auf denen es dann eindeutig klar ist, da eben nicht der 11 jährige fremdenfeindlich hetzt sondern doch der Vater. Dies ist dann aber auch sehr oft klar nachweisbar, gerade im Bereich fremdenfeindlicher/ antisemitischer Kriminalität

Hier eine schöne Erklärung, wie das mit den Echokammern und Filterblasen funktioniert, und wie das z.b. gerade bestimmte politische Strömungen versuchen zu nutzen:

Zitat:

"Bayern ist ein sehr gutes Beispiel für die Echokammer-Berichterstattung. Weil dort die nächste große Wahl stattfindet und mehrere Interessengruppen seit vielen Monaten die Chance eines Machtwechsels sehen bzw. befürchten (je nach Blickwinkel), fokussieren sie sich auf die Versäumnisse der bayrischen Energiepolitik. Ein beiläufiger Nebensatz hier, eine flapsige Bemerkung da – und aufgrund der abnehmend diversen Berichterstattung finden diese Zitate oft ihren Weg in alle großen Nachrichtenportale.

Da ich selbst schon solche Pressemitteilungen verfasst habe, kann ich sagen, dass man es in der Regel in alle großen Onlinezeitungen schafft, sobald man es in den dpa-Newsticker schafft. Ich habe mal eine Pressemitteilung geschrieben, die deckungsgleich in den Lokalteilen der Süddeutschen, des Spiegels, der Zeit, T-Online und Bild gelandet ist. Alle identisch. Keiner hat irgendetwas überprüft, obwohl mein damaliger Auftraggeber ein bekannter Interessenvertreter war.

Deshalb mache ich generell einen Faktencheck, wenn ich Nachrichten lese.
In der Regel macht den nämlich sonst niemand.

Ein Faktencheck zur bayrischen Energiepolitik zeigt:

  • Bayern hat mehr installierte PV-Kapazitäten, als Platz 2 (BaWü) und 3 (NRW) zusammen.

  • Bayern hat mehr installierte Wasserkraft, als die restliche Bundesrepublik zusammen.

  • Bis zur Reform des EEG in diesem Jahr hatte Windkraft einen erheblichen Standortnachteil in Bayern, Baden-Württemberg und in Teilen von Hessen. Windenergie wird nämlich nicht stur nach eingespeister Leistung vergütet. Ein interregionaler Ausgleichsfaktor soll dafür sorgen, dass windreiche Standorte gegenüber windarmen Standorten keinen Vorteil haben und Windräder nur an den wirtschaftlichsten Standorten gebaut werden. Dieser Ausgleichsfaktor war jedoch zu niedrig, damit sich Windräder in den windärmsten Regionen (Teile Hessens, BaWü, Bayern) rechnen. Entsprechend wurde in diesen Bundesländern nur an den besten Standorten gebaut, während in anderen Bundesländern deutlich mehr Flächen genutzt wurden.

Diesem Fehlanreiz wurde jetzt Rechnung getragen, indem ein Südfaktor im neuen EEG eingebaut ist. Weiterhin sind die Bundesländer in den kommenden Jahren verpflichtet, mindestens 2 Prozent ihrer Flächen für die Produktion von Windkraft zur Verfügung zu stellen. Legen die Länder bis zu einem bestimmten Stichtag keinen Plan dafür vor, verlieren sie ihre Zuständigkeit und der Bund übernimmt die Planung.

https://www.gesetze-im-internet.de/eeg_2014/__36h.html

Lange Rede kurzer Sinn:

Die Probleme beim Ausbau Erneuerbarer Energien sind erkannt und teilweise gelöst worden. Die bestehenden Vorbehalte gegenüber Bayern sind größtenteils faktenfremd oder überzogen. Die deutsche Presse berichtet darüber … unangemessen und fungiert dabei als Echokammer …"

Zitat Ende.

Ich habe diesen Ausführungen unter folgendem Artikel entdeckt, und stimme diesen voll zu:

Abs Seite 3 Ängste Depressionen und Echokammern, Filterblasen

Auszug aus der Trollfabrik:
„Ein typischer Auftrag für Troll… sah so aus: Er bekam einige Schlüsselwörter – wichtig für die Suchmaschinen.
Zum Beispiel EU, Merkel, Sanktionen. Dann die Idee für seinen Troll-Auftrag: «Die EU handelt auf Anweisung der USA.»
Die Schlussfolgerung seiner Arbeit in den Foren müsse lauten:
«Europa muss von den USA unabhängig werden.»

Für das Gedankengebäude müsse er einen Experten zitieren, der darlege, wie die Sanktionen Europas gegen Russland seiner eigenen Wirtschaft schadeten, wie Deutschland Washington nicht widersprechen könne, weil ja Washington Deutschlands Sicherheit garantiere.
Diese Themen musste Marat in den Online-Foren russischer Städte unterbringen, von Wladiwostok bis Nowosibirsk. Um den Anschein einer Diskussion zu wecken, arbeiteten drei Trolle an einem Thema, erklärt mir Marat.
– Der eine ist der Bösewicht.
– Der andere widerspricht.
– Ein Dritter vertritt ausgleichend die Kreml-Sicht.
«Einmal musste ich die Leser überzeugen, dass eine Mehrheit der Deutschen Putins Politik unterstützt. ‚
– Der Böse schreibt: <Quatsch, die Deutschen lieben Putin nicht.)
– Dann kommen wir und schreiben: <Natürlich lieben die Deutschen ihn. Schau mal, hier.)

Und dann gibt’s einen Link zu einem dubiosen russischen Nachrichtenportal. Und die Schlussfolgerung: Putin wird verehrt in Deutschland. Merkels Popularität sinkt. Europa ist im Fall und so weiter.»“

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Alles klar Herr Kommissar :notes:

Sry musste sein ^^

Ich finds gut dass du versuchst den Mission creep instutionalisiert einzuhegen mit einer gewissen Transparenz in diesem aufbau könnte man auch sicherlich notwendiges vertrauen aufbauen.
Aber mich würde interessieren wie man das jetzt konkret eu konform machen würde und wie konkret deine abwägung zwischen liberalen grundsätzen und durchsetzungsfähigkeit der Polizei ist?
Denn totale verfolgung ist meist ebenso unerwünscht wie eine rein formelle rechtsordnung. Also wo die Grenze ziehen und auf Basis welcher prinzipien ?

Viele Netzpolitischen Aktivisten ziehen die Grenze hier meist deutlich stärker in Richtung liberaler Grundsätze daher vielleicht auch deine Diskurs Wahrnehmung.