Drohender Wohlstandsverlust durch Energiekrise

Gestern bin ich zufällig über einen Twitter-Thread gestolpert, in dem der Übersetzer und Anwalt Andrew Hammel einen aus der Energiekrise
drohenden, tiefgreifenden Wohlstandsverlust in Deutschland
ableitet: https://twitter.com/andrewhammel1/status/1568160427569184769

Er beginnt mit der Aussage: „viele Deutsche realisieren nicht, dass die Energiekrise die Zukunft Deutschlands als wohlhabendes Land direkt bedroht“.

Die zugrundeliegende Kausalkette führt aus, wie die Finanzierung von Bildung, Kultur etc. deutlich erschwert wird, wenn Deutschland aufgrund immens steigender Energiekosten als Produktionsland vollumfänglich nicht mehr geeignet sei und dadurch essentielle Steuereinnahmen wegfielen. Der verbleibende Finanzierungsspielraum würde dann für Energie- und Nahrungssubventionen aufgewendet werden. Dies führe zu einer Abwärtsspirale, da die Standortfaktoren bzw. Wertschöpfungsmerkmale wie Bildung, Effizienz, Technologie und Qualität durch diese Finanzierungsproblematik zu kurz kämen.

„ Once Germany reaches the point where it has to subsidize energy and food to prevent social unrest – something it’s about to start doing right now – then money for non-essential things dries up.“

Über eine Einordnung im Rahmen eines Kapitels zur Energiekrise würde ich mich sehr freuen. Am besten samt weiterer Lösungswege.

Danke & beste Grüße!

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Ich denke auch wir werden Wohlstand verlieren.*) Den oben verlinkten Thread finde ich persönlich zu schwarzmalerisch.

Wir werden in Deutschland nicht Millionen Obdachlose bekommen, aber sicherlich weniger Auto fahren, weniger in den Urlaub fliegen, weniger heizen, weniger Essen gehen und weniger Lohnerhöhungen erhalten. Vielleicht erhöhen wir dann endlich die Steuern für hohe Einkommen. Mal sehen.

*) Falls Ihr anderer Meinung seid, dieses Video: „Wieso wir ärmer werden“ von Prof. Riek liefert viele Argumente.
Zusammenfassung: Wir haben die letzten 30 Jahre von einer Friedensdividende gelebt, ohne Geld „für schlechte Zeiten“ zu investieren. In der Zeit, in der es uns gut ging, hätten wir Brücken, Schulen etc. sanieren müssen, haben wir aber nicht getan.

  • Warum ging es uns gut? Wir hatten billiges Erdgas zum „Freundschaftspreis“. In Zukunft müssen wir am Weltmarkt einkaufen, bis wir die Erneuerbaren hochgefahren haben.
  • Wir haben die komplette Produktion ohne Redundanzen: Just in Time gefahren. In Zukunft müssen wir wieder mehr Lagern und die Zulieferer dafür bezahlen, dass sie Resourcen vorhalten, um im Notfall Lücken zu schließen.

Diese zwei Punkte werden alle Produkte aus Deutschland teurer machen und das auf einem Weltmarkt, in dem große Player (China und Indien) jetzt die Rohstoffe zu Discount-Preisen einkaufen und günstiger werden.

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Sogesehen würde ich gar nicht von einem drohenden, sondern einem realen Wohlstandsverlust sprechen.

Der Einkauf im Supermarkt ist bereits ca. 20% teurer als letztes Jahr und meiner Mutter z. B. wurden die Abschläge für Wärme letzte Woche um 75% erhöht. Das wird sicherlich viele andere auch treffen.

Ich bin seit Fukoshima bei einem Ökostromanbieter. Bin gespannt ob der die Preise erhöhen wird.

Wird er, weil es wohl keinen Ökostromanbieter gibt, der ausschließlich selbst produzierten Ökostrom anbieten kann.

Für so eine Entwicklung bräuchte es viele Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte. Das aktuelle Preisniveau von Energie ist aber nur vorübergehender Natur. Auf der einen Seite werden neue Import- und Exportkapazitäten aufgebaut. Nicht über Nacht, aber in ein paar Jahren haben wir beim Erdgas mehr potentielle Lieferanten als heute. Gleichzeitig werden die extrem hohen Preise dafür sorgen, dass ein paar der energieintensivsten Unternehmen den Laden dicht machen. So kommt Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht.

Europa wird dadurch etwas ärmer werden, weil das neue Preisniveau auf jeden Fall höher liegt als die letzten Jahrzehnte, aber das wird kein Game Changer werden. Brutal wird allein die Übergangszeit, die wir gerade durchleben. Aber innerhalb von 12 bis 24 Monaten wird nicht ein Großteil der Industrie abwandern, etc.

Gut wäre es jedoch, wenn sich ein Verständnis dafür breit macht, dass es unverantwortlich ist, wenn Europa einen Großteil seines Energiebedarfs nicht selbst decken kann. Auf ganz lange Sicht bedroht diese Situation tatsächlich unseren Wohlstand.

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Ich glaube in den nächsten Jahren / Jahrzehnten wird das noch deutlich schlimmer. Wir haben glaube ich den Knall nicht gehört und werden nun von der mangelhaften Zukunftsfähigkeit aufgeholt. Ich muss sagen, mir macht die Situation persönlich fast ein Bisschen Angst.

Seit über 10 Jahren lebe ich in der Schweiz und jedes Mal wenn ich meine Familie in Franken besuche, habe ich das Gefühl das alles immer mehr verfällt. Sehr schade.

Das ist jedoch nur temporär für 3-5 Jahre. Wenn die Berechnungen zu Energiekosten aus EE und H2 stimmen, sinken die Energiekosten in der EU auf 8-15 Cent/kWh. Damit wären fossile Energieformen nicht mehr Marktfähig. Das sagt übrigens auch Prof. Riek.

Der Aufbau der Redundanzen ist ohnehin notwendig. Hier hat die Wirtschaft einfach kurzfristig gedacht und gehandelt, was auch legitim war und ist, denn der Aktionär/ Eigentümer möchte Dividende sehen.

Wo ich persönlich große Einschnitte sehe ist bei den Themen Kunststoffen, Flug- und Schiffsreisen und Fleischkonsum. Hier wird ein Wohlstandsverlust stattfinden, wenn man dieses so benennen will.

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Sofern man übermäßigen Fleischkonsum jenseits aller Empfehlungen als Wohlstand betrachtet.

"Die Empfehlung der Ernährungswissenschaftler lautet: Nicht täglich Fleisch und nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche. "

"Der menschliche Fleischverbrauch in Deutschland summierte sich zuletzt auf rund 55 Kilogramm. "

Macht rund 1 kg die Woche für die Fleischesser, da ja die Veganer/Vegetarier den Durchschnitt drucken

Ähnliches gilt für Flug & Schiffsreisen.

Oder bin ich schon aus dem Wohlstand gefallen, weil ich keine Flugreisen unternehme und meine Schiffsreisen auf 2h Autofähre begrenzt sind?

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Hallo @Justjaythings,

die Angst kann ich nachvollziehen. ABER wir haben die Technologie und eigentlich auch das Geld zur Verfügung für diesen Wandel, der sehr sehr positiv sei kann. Es fehlt der politische Wille und das auch nur weil sonst FDP, CDU, CSU, SPD erläutern müssten warum über 20 Jahre falsche Entscheidungen getroffen wurden. Das wäre politischer Selbstmord, was die Ursache für diesen fehlenden politischen Willen ist.

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Ja, und ich sehe das eindeutig nicht als Wohlstandsverlust im Sinne von Verlust an Lebensqualität, eher im Gegenteil, am Beispiel Autoverkehr, vor allem in der Stadt. Die halbe Stunde pro Tag unterwegs im eigenen Auto kann man das Gefühl von mehr Komfort gegenüber ohne Auto haben, aber den Rest des Tages beeinträchtigen alle übrigen Auto die Lebensqualität objektiv und absolut. Da sollte die Bilanz doch klar sein. An hohem Fleischkonsum und Fernreisen hat man sich gewöhnt, aber man gewöhnt sich auch schnell um, auch die Letzten werden das tun, wenn einmal der Zwang vor der Erkenntnis da ist.

Aus einem anderen Grund halte ich die Begriffe „Verzicht“ und „Verlust“ in diesem Zusammenhang für problematisch, oder eigentlich für falsch: Was die besagten Elemente des sog. Wohlstandes betrifft, stehen sie uns gar nicht zu, man hat sie einfach genommen, geplündert, ohne die Folgen zu bedenken, wie uns langsam dämmert. Man kann also nicht auf etwas „verzichten müssen“, worauf man nie ein Anrecht gehabt hat. Aber wie bringt man das unter die Leute, ohne gelyncht zu werden? Aber langsam wird es schon gehen, wenn die Hetzer nicht zu sehr Schwung bekommen.

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