DIW-Studie zu "Randproblemen" des Mindestlohns

Kürzlich veröffentlichte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Studie, in welcher sie den geforderten Mindestlohn von 12€/Stunde genauer untersuchten. Präsident des Instituts, Marcel Fratzscher, Hörerinnen und Hörern bestimmt aus der LdN oder Philips „Das Interview“ bekannt, äußerte sich im Spiegel nochmals zum Mindestlohn, verwies aber auf vom Institut untersuchte Gefahren. Links zu allen hier Bezug genommenen Studien sind unten aufgeführt.

Ich möchte dies zum Anlass nehmen, kurz einen Blick auf den Mindestlohn zu werfen, und zwar nicht mit Blick auf die Idee und die Wirksamkeit des Mindestlohns als solchen, sondern eher in Hinblick auf die wissenschaftliche Debatte, wie der Mindestlohn in ein bestimmtes „Regelungssystem“ einzubetten ist, welches über die bloße Lohnsteigerung hinaus geht und notwendig ist, damit der Mindestlohn seinen verfolgten Zweck wirklich erreichen kann.

Los geht es mit einer Feststellung, die die meisten Wirtschaftsforschungsinstitute im Jahr 2018, drei Jahre nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns und nach Erhebungen des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP), nahezu d´accord getroffen haben: Der Mindestlohn führte seit der Einführung (logischerweise) zu einem Anstieg der Stundenlöhne, dieser Anstieg schlug sich aber nicht notwendigerweise in den Monatsentgelts wieder; Vielmehr stagnierten diese von 2015 bis zum Zeitpunkt der Erhebung teilweise, und zwar dies überwiegend in den Minijobs. Die Gründe hierfür liegen laut verschiedener Studien (links kommen weiter unten im Text) bei drei Kernpunkten:

  1. Der Erhöhung der Stundenlöhne wird im Minijobbereich mit einer Verkürzung der Arbeitszeiten entgegengewirkt

Minijobs, also Jobs mit einem Monatsentgelt von maximal 450€, finden sich üblicherweise in Branchen, in denen für die Ausführung der Arbeit keine besondere Qualifikation benötigt wird, was dazu führt, dass es Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern leichter fällt, die Arbeitszeiten flexibler zu gestalten, um die Kosten durch den Anstieg der Löhne auszugleichen. Die Kürzung der Arbeitszeiten konzentriert sich deswegen auf Minijobber/Innen und Teilzeitarbeitende, wie Erhebungen des SOEP zeigen.

  1. Mangelnde Kontrolle wegen unzureichender Arbeitszeiterfassung

Die Einhaltung des Mindestlohns kann nur wirksam kontrolliert werden, wenn die Arbeitszeiten konsequent erfasst werden. Hier offenbart sich aber das Problem, dass die Arbeitszeitenerfassung oft weder digital und im schlimmsten Fall ohne ein wirklich konsistentes System stattfinden. Dies erschwert es, darauf zu achten, dass Mindestlöhne tatsächlich gewährt werden.

  1. Mangelnder Rechtsschutz für Minijobber/Innen

Das dritte Problem baut ebenfalls darauf auf, dass Menschen, die Anspruchsberechtigte des Mindestlohns sind, zumeist in Anstellungen arbeiten, in denen eine besondere Qualifikation nicht benötigt wird. Dass es deswegen schnell zu einer Fluktuation der Arbeitnehmer/Innen kommt können sich Arbeitgeber/Innen zunutze machen und Mindestlohn-Anspruchsberechtigte, die beispielsweise eine korrekte Arbeitszeiterfassung fordern oder den Mindestlohn ausgezahlt bekommen wollen und ihre alten Arbeitszeiten nicht verkürzt sehen möchten, kurzerhand gekündigt werden.

Das DIW und weitere Studien führen hierzu Lösungsvorschläge an, die – stark verkürzt – auf folgende Kernpunkte zusammengedampft werden können:

  1. Zum ersten Problempunkt

Es sollen tendenziell die Minijobs in sozialversicherungspflichtige Jobs umgewandelt werden. Hier werden ein paar Vorschläge genannt, zumindest das DIW lässt aber vorerst offen, was sie nach bisherigem Erkenntnisstand als die beste Lösung empfunden. Möglichkeiten wie die Absenkung der Minijobgrenze (von 450€ zu einem darunter liegenden Monatsentgelt) oder die Beschränkung der Minijobs auf Student/Innen und Rentner/Innen werden genannt.

  1. Zum zweiten Problempunkt

Gefordert werden digitalisierte und im Zweifel staatlich geförderte, wenigstens aber verpflichtende Systeme zur konsequenten und nachvollziehbaren Arbeitszeiterfassung.

  1. Zum dritten Problempunkt

Hier gibt es natürlich mehrere Baustellen, welche mit kleinen Nachjustierungen am Arbeitsrecht gelöst werden sollen. Überdies sollen die Möglichkeiten des Rechtsschutzes durch beispielswiese Meldestellen bei Aufsichtsbehörden gestärkt werden.

Die Wahlprogramme der demokratischen Parteien sprechen manche dieser Themen an. Vor allem die Austrocknung des Niedriglohnsektors ist bei den Mitte-links-Parteien immer wieder gefordert, auch wenn konkrete Vorschläge fehlen.

Das Bundesfinanzministerium (Scholz) und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Heil) haben ein Papier mit den Eckpunkten für den Mindestlohn ausgearbeitet, der besonderen Wert auf den zweiten Problempunkt legt und hier recht konkrete Konzepte vorlegt. Alles unten verlinkt.

Besonders was die Wahlprogramme angeht finden sich mit Sicherheit noch viel mehr Anhaltspunkt und Anstöße der Parteien in richtige Richtungen, die ich gerne mit euch diskutieren würde. Auch die Wissenschaft bietet eine unglaublich breite Palette an Vorschlägen und Diskussionen die ich aber stark einkürzen musste.

Es ging mir hier eher darum, erstmal die Diskussion aufzumachen, denn ich finde, dass der Mindestlohn oft schnell gefordert wird, in der öffentlichen Debatte aber diese ganzen „Randregelungen“ wenig Beachtung finden, ohne die der Mindestlohn stark an Effektivität verlieren würde. Wie gesagt, ich musste stark kürzen, ich freue mich aber darauf, mit euch in den Punkten gerne in die Details einzusteigen.

DIW 2021, 3 Kernprobleme des Mindestlohns

Marcel Fratzscher im Spiegel zum Mindestlohn

BMAS und BMF, Eckpunkte zum Mindestlohn

https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arbeitsrecht/fairer-mindestlohn.pdf;jsessionid=26DC406FE4F5C868C371748D7609A997.delivery1-replication?__blob=publicationFile&v=3

DIW, Auswertung der Daten des SOEP

Ifo-Institut, Bilanz nach fünf Jahren Mindestlohn

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