Digitalisierung: Stadt Ulm setzt Hacker/Makerspace "Verschwörhaus" vor die Tür

Das Verschwörhaus ist ein Hackerspace in Ulm.
Es gab da wohl eine Kooperation mit der Stadt, wo sie auch explizit mit der Kooperation warb und das ehrenamtliche Engagement lobte. Irgendwann wollte der Oberbürgermeister eine Neuausrichtung des Verschwörhauses.

Im Zuge dessen wurde

  • das Verschwörhaus der Räumlichkeiten verwiesen,
  • die Schlösser getauscht
  • den Verein abgemahnt
  • den Verein verklagt

Die Stadt Ulm wollte auf Biegen und Brechen die erfolgreiche Arbeit für sich beanspruchen. Da hat der Verein aber nicht mitgemacht und es kam dann zu der Eskalation.

Ich glaube, beim ubahnverleih hatte ich irgendwann mal gelesen, dass ein Teil des Problems auch sein könnte, dass aus dem Umfeld des Verschwörhauses nicht alles bejubelt wurde, was an Digitalisierung aus der Stadtverwaltung kam. Es wurde vielmehr kritisch begleitet, wie es im Hackerumfeld üblich ist.

Links:

3 „Gefällt mir“

Ein paar Hintergründe dazu gibt es auch bei LNP Folge 433 aus dem Juni dieses Jahres:

4 „Gefällt mir“

Nachdem das LG Stuttgart in der Sache jetzt gegen das Verschwörhaus geurteilt hat, wäre eine Aufarbeitung des Themas auch in rechtlicher Hinsicht in einer zukünftigen Lage sehr spannend, @vieuxrenard.

Hier die Stellungnahme des Vereins (über die Wayback Machine, da die Domain wohl bald ohne Weiterleitung stillgelegt werden muss): Stellungnahme und Ausblick zum Urteil im Markenrechtsstreit | verschwoerhaus

2 „Gefällt mir“

Ich habe mich da nicht eingearbeitet, aber wie kann denn ein Verein von Ehrenamtlichen allen Ernstes zehntausende von Euro in einen Namensstreit investieren? Man hätte doch einfach einen neuen Namen verwenden können, ist ja nun nicht so, dass Verschwörhaus besonders attraktiv klänge.

Aber wie gesagt, ich habe mich nicht eingearbeitet, sondern nur die Pressemitteilung des Vereins gelesen, doch selbst der gelingt es nicht einmal im Ansatz, Verständnis für die eigene Position zu wecken.

Naja, was wäre denn, wenn z.B. das Bundesjustizministerium irgendeinen Winkelzug finden würde, um die GFF ihre Wort- und Bildrechte am eigenen Name samt Internetadressen und dazu noch ihrer Räumlichkeiten zu „erleichtern“ um dann mit dem Label eigene Aktionen zu fahren.

Würde die GFF sich da nicht juristisch wehren?

Ich habe mir auch eine mal eine längere Zusammenfassung der Verschwör-Haus-Aktivisten
zu dem Rechtsstreit durchgelesen (Link: Verschwörhaus 2022 - Das Update).

Mein Eindruck ist, dass sich die Stadt Ulm einen gemeinnützigen Verein, der für die Stadt z.B. Video-Call-Infrastruktur während Corona betrieben hat oder technischen Support für Veranstaltungen stellt, als Gratis-IT-Dienstleister dienstbar zu machen bzw. halten versucht.

Eigentlich wollte der Verein u.a. Projekte zur Digitalisierung der Stadtverwaltung anschieben, dass ist aber wohl alles oder wenigstens größtenteils im Sand verlaufen.

Die Stadt hat zwar über Jahre die Raummiete für den Verein bezahlt und natürlich auch auf Verwaltungsebene mit dem Verein zusammengearbeitet, aber die Arbeit, die dort von Mitgliederseite in Form vom Arbeitsstunden und Equipment (auch genutzt durch die Stadt) investiert wurde, erscheint mir deutlich höher.

Der größte Fehler, denn der Verein vermutlich gemacht hat, war zu gutgläubig gegenüber der Stadt zu agieren, was aber wohl daran lag, das die ersten Jahre ein Mitarbeiter der Stadt das Projekt begleitete, der dort sehr gutmütig vermittelte und dem Projekt sehr positiv gegenüber stand.
Und wahrscheinlich hätten sich die Aktivisten, die die ersten Jahre ja auch nicht als Verein auftraten, früher um einen rechtlichen Rahmen und die eigenen Namensrechte kümmern sollen, aber das rechtfertigt für mich nicht, wie die Stadt hier freiwillige, gemeinnützige Arbeit zur eigenen Außenwirkung und Kostenersparnis vereinnahmen will.

edit:
Hier noch ein paar Links:
1. Stellungnahmen der Stadt Ulm zu dem Vorgang
2. Netzpolitik.org zu dem Urteil

3 „Gefällt mir“

Ich sehe hier auch das Problem vor allem in der Art der Stadt Ulm, hier ihre Rechte durchzusetzen. Hier gibt es einfach einen großen Graben zwischen dem, was juristisch zulässig ist, und dem, was moralisch geboten ist.

Die Stadt hat ihre deutlich professionellere Struktur (vor allem im juristischen Bereich) gegen Ehrenamtliche, die juristische Laien sind, einfach knallhart ausgenutzt. Kann man machen, die Gerichte scheinen das auch zu bestätigen, aber sinnvoll oder nachhaltig ist das halt nicht.

Statt gemeinsam etwas zu erreichen (was sowohl die Stadt Ulm als auch die Ehrenamtlichen wollen) wird ein Projekt wegen Namens- und Markenrechtsstreitigkeiten zerschossen. Hier hätte die Stadt Ulm sich selbst einfach einen großen Gefallen getan, ihr Vorgehen bei der Anmeldung der Markennamen vorher mit den Ehrenamtlichen zu kommunizieren und Lösungen zu finden, die für alle Beteiligten „fair“ sind - es gab hier denke ich keine unüberbrückbaren Differenzen. Stattdessen hat die Stadt einen Alleingang gemacht und als Gegenwind kam, quasi as Projekt „ausgesperrt“, statt eine Lösung zu suchen. Hier muss man schon fragen: Warum?!?

Juristisch mag das Verhalten der Stadt legitim sein, aber moralisch ist es eine Bankrotterklärung und praktisch-inhaltlich ist es ein maßgebliches Hindernis für eine weitere, sinnvolle Zusammenarbeit… und es setzt definitiv die falschen Signale für ähnliche Projekte.

2 „Gefällt mir“

Nach lesen des Background Artikels vom Tagesspiegel erscheint mir der grundsätzliche Vorgang komplexer als nur einen Namensstreit.

Das folgende ist am Handy geschrieben. Verzeiht die damit fast zwangsläufig auftretenden Typos, bitte.

TLDR: Es scheint mir vor allem um gekränkte Egos bei den Ehrenamtlern zu gehen, die sich von der Stadt für billige PR instrumentalisiert führen. Die Ehrenamtler hätten den Namen anscheinend sogar weiterführen und die Räumlichkeiten weiter nutzen dürfen. Aber ihnen ging es darum dafür zu sorgen, dass die Stadt Ulm die Rechte nicht besitzen darf.

Der ursprüngliche Konflikt scheint eher aus unterschiedlichen Vorstellungen der Protagonisten zur Aufgabe des Verschwörhaus zu resultieren. Die Stadt Ulm wollte wohl im Projekt „Wirtschaft, Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wissenschaft“ zusammen an der Digitalisierung arbeiten lassen und hat dafür Räumlichkeiten bereit gestellt und die Miete bezahlt.

Aus Sicht der Stadt (und hier interpretiere mangels besseren Wissens teils zwischen den Zeilen) haben Zivilgesellschaft und die anderen Gruppen aber nicht zueinander gepasst und so zogen sich Wirtschaft und Wissenschaft aus dem Projekt zurück. Ich könnte mir, auch aus eigener Erfahrung in der Branche, gut vorstellen, dass die Ehrenamtler vielleicht einfach einen anderen Fokus haben als (vor allem) die Wirtschaft und Verwaltung. Letzteren geht es um die schnelle, belastbare Lösung. Für Ehrenamtler (inkl. mir) geht es eher um die elegante, optimierte oder maximal sichere Lösung, auch wenn die länger dauert und noch 10 mal grundlegend refactored wird. Ganz sicher ging es aber auch direkt um Fragen der Räumlichkeiten und Mitnutzung der anderen Projektbeteiligten. Die Stadt spricht direkt davon, dass das Verschwörhaus für andere Interessenten nicht offen genug gewesen sei.

Aus Sicht der Ehrenamtler fehlte hingegen die Wertschätzung der Stadt für ihr Engagement und ihre Kritik. Benannt wird ein durch Ehrenamtler eingerichtetes Internetcafé für ukrainische Flüchtlinge. Die Stadt habe anscheinend den Anteil der Ehrenamtler daran nicht deutlich genug gemacht. Auch an anderen Stellen hätte die Stadt von Ehrenamtlern entwickelte Ideen und Projekte zunehmend in Kontexten gezeigt, bei denen man gern mit am Tisch gesessen hätte.

Das ging anscheinend lange gut, aber dann verließ der hauptamtliche Ansprechpartner der Stadt für die Ehrenamtler, der zuvor stets vermittelte, das Projekt. Ab da ging es bergab.

(Ende Teil 1)

(Fortsetzung)

In diesem Zeitraum sollte ein Nutzungsvertrag aufgestellt werden, der bestimmt „wer welche Aktivitäten in den Räumlichkeiten ausführen kann.“. Man einigte sich darauf fortan unter unterschiedlichem Namen aufzutreten. Die Stadt hatte zu diesem Zeitpunkt aber bereits den Namen Verschwörhaus als geistiges Eigentum eintragen lassen, "um die Nutzung des Namens (in der Zukunft) für das Verschwörhaus gewährleisten und vor Missbrauch schützen zu können.“. Die Ehrenamtler legten Widerspruch ein. Daraufhin forderte die Stadt im Nutzungsvertrag die Rücknahme des Widerspruchs und bot eine kostenlose Mitnutzung des Logos und des Namens an. Aber „das reichte aus Sicht der Ehrenamtlichen nicht aus.“, denn "Wir (die Ehrenamtler) möchten nicht, dass der maßgeblich von uns Aktiven aufgebaute Name künftig für PR-Inszenierungen missbraucht werden kann.“

Man konnte sich nicht einigen. Folglich wurde der Nutzungsvertrag nicht unterschrieben und damit ging man getrennte Wege und traf sich nur noch vor Gericht.

Klassischer Fall von eitlen Gockeln auf der einen Seite und einem Stakeholder, der denkt mit seinem Geld nicht nur eine Leistung einzukaufen, sondern auch alle Rechte und Ideen. Völlig unnötig, dieser Zank.

https://background.tagesspiegel.de/smart-city/verschwoerhaus-streit-lektionen-fuer-die-verwaltung

Du hast hier ein paar Dinge ausgelassen:

  1. Die Stadt Ulm hatte 2016 den Namen „Verschwörhaus“ nur widerwillig akzeptiert und ihrerseits den Namen „Stadtlabor“ in den Verwaltungsdokumenten geführt. (Link)
  2. Bereits 2019 hatten die Ehrenamtlichen den Verein „Verschwörhaus e.V.“ gegründet. Damals hatte die Stadt nichts dagegen.
  3. Die Eintragung der Marke „Verschwörhaus“ durch die Stadt Ulm 2021 kam erst 2 Jahre nachdem die Aktivisten ihren Verein gegründet hatten.

Dass die Stadt Ulm erst am Ende der Verhandlungen über einen Nutzungsvertrag plötzlich die Namensrechte haben will und die Ehrenamtlichen mit einer Markenanmeldung überrumpelt und dann direkt eine Aufgabe ihres 2 Jahre bestehenden Vereinsnamens fordert, hat schon deutlich den Anschein eines Druckmittels.

1 „Gefällt mir“

Ja das stimmt, ich habe das unterschlagen. Das liegt aber daran, dass ich das Problem woanders sehen würde. Der Namensstreit ist nur die Eskalation on top. Eigentlich geht es um gekränkte Eitelkeit auf der einen Seite und den krampfhaften Wunsch (nachvollziehbare) Regeln durchzusetzen auf der anderen Seite.

Für mich scheint das eine Egoshow von 2 sturen ehemaligen Partnern zu sein, die nicht ausreichend versuchen auf das Gegenüber einzugehen.

Spannend bei der ganzen Geschichte ist für mich vor allem, was genau hier schief gegangen ist. Warum hat die Stadt Ulm z.B. im Jahre 2019 den Aktivisten plötzlich einen Nutzungsvertrag vorgelegt?

2019 hat die Stadt Ulm bei der (damals noch BMI-gestützten) Förderungsinitiative „Smart Cities“, als eine der ersten deutschen Großstädte, den Förderzuschlag erhalten [1]. Die Stadt Ulm bekommt dadurch bis 2026 insgesamt 1,3 Mio. Euro für die Erarbeitung und 6,5 Mio. Euro für die Umsetzung einer Digital-Strategie [2].

Ob und inwieweit das „Verschwörhaus“ in die Erstellung dieses Antrages involviert war, lässt sich von außen natürlich nur schwer abschätzen. Allerdings legte das BMI bei der Vergabe neben anderen Punkten auch großen Wert auf eine Beteiligung der Bürger [3]:

Weitere Kriterien waren Partizipation und Teilhabe in Strategieentwicklung und bei der Umsetzung.

Es ist daher kaum vorstellbar, dass die Stadt Ulm in ihrer Projektbewerbung auf die Millionen-Förderung nicht auf das „Verschwörhaus“ als Beispiel für Bürgerbeteiligung verwiesen hat.

In welchem Umfang genau die Stadt Ulm hier den Fokus auf die Ehrenamtlichen im „Verschwörhaus“ legte, könnte ein Einblick in den Förderungsantrag der Stadt Ulm zeigen, dessen Einsicht über Frag-den-Staat beantragt wurde [4]. Hier liegt für mich schon sehr klar der Verdacht nah, dass das „Verschwörhaus“ für die Stadt, quasi über Nacht, von einem netten, kleinen, digitalen „good will“-Projekt zu einer echten Cash-Cow für die Stadtkasse wurde.

Warum aber hat die Stadt Ulm 2021 erneut auf einen Nutzungsvertrag bestanden und schlussendlich auch die Namensrechte des ehrenamtlichen „Verschwörhaus e.V.“ quasi gekappert?

Nun, die Millionen-schwere Förderung für das Modell-Projekt Smart Cities (MPSC), wird über die gesamte Förderzeit, also bis 2026, begleitet [5]:

Dafür besuchen die MPSC-Referentinnen und -Referenten die Modellprojekte Smart Cities zweimal im Jahr für einen Vor-Ort-Termin, in dem Erfolge, Hürden und Meilensteine der einzelnen Maßnahmen besprochen werden.

Für solche Besuche sind die Räume eines ehrenamtlichen Vereines, der Digitalisierung und Open-Data-Projekte betreibt, natürlich Gold wert. Für mich sieht es daher so aus, als habe die Stadt durch den Nutzungsvertrag versucht, sich der Mitarbeit der Ehrenamtler zu versichern um das „Verschwörhaus“ weiter als Aushängeschild der Digitalisierung in Ulm nutzen zu können. Eventuell gab es auch das Kalkül bei der Stadt Ulm, so leichter an zukünftige Förderprojekte zu kommen.

(Fortsetzung im nächsten Beitrag)

(Fortsetzung)

Nun wissen wir ja heute, dass sich die Stadt Ulm bei dem Versuch, das „Verschwörhaus“ unter Kontrolle zu kriegen, maximal ungeschickt angestellt hat, die Aktivisten mit z.B. ungerechtfertigten Schlösser-Tausch-Aktionen vergrault hat und durch die Reservierung der Namensrechte eines ehrenamtlichen Vereines ein Musterbeispiel für gescheiterte Bürgerbeteiligung geschaffen hat.

Dennoch bekräftigt die Stadt Ulm bei der „smart cities“-Initiative bis heute den Schwerpunkt der Bürgerbeteiligung [6]:

Als Teil der Smart Cities Modellprojekte legt die Stadt Ulm den Fokus […] auf eine Digitalisierung zum Wohle und unter aktiver Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

Die Stadt Ulm hat im Rahmen der Smart Country Convention 2020 an der Podiumsdiskussion „Modellprojekte Smart Cities“ teilgenommen. […] Im Fokus der Diskussion standen die Themen Bürgerbeteiligung und Netzwerke in Smart City Prozessen.

Wie realistisch solche Bürgerbeteiligung in Ulm jetzt noch ist, nachdem man augenscheinlich einen engagierten, fähigen Verein mit einer Mischung aus Kontrollwahn und übertriebener Selbstdarstellung vertrieben hat, bleibt fraglich.

Kleiner Fun Fact am Rande:
Der Vereinsname „Verschwörhaus“ ist weit weniger konspirativ, wenn man weiß, dass es eine Anlehnung an das Ulmer Schwörhaus ist [7], in dem traditionell z.B. der Oberbürgermeister von Ulm seinen Amtseid (Schwur) ablegt. Dass die Stadt anfangs einen so kreativen Namen mit historischen Anklang abgelehnte hatte, zeigt für mich, wie starr und unflexibel einige in der Stadtverwaltung zu denken scheinen, aber das nur am Rande.

Quellen:
[1] BMI - Presse - 13 Modellprojekte Smart Cities ausgewählt
[2] Wie der Bund die Entwicklung der Stadt Ulm zur „Smart City“ fördert - b4bschwaben.de
[3] BMI - Alle Meldungen - BMI fördert "Smart Cities made in Germany"
[4] Förderantrag Smart City Ulm - FragDenStaat
[5] Projektbüro der Koordinierungs- und Transferstelle Modellprojekte Smart Cities - Smart City Dialog
[6] Smart City Modellprojekt Ulm - Smart City Dialog
[7] Schwörhaus (Ulm) – Wikipedia