Digitalisierung: Software für Datenaustausch als Ergänzung zu Standards

Hallo lieber Ulf, lieber Philip und liebe interessierte Lage-Hörer:innen,

ich kann euren Analysen und Vorschlägen eurer 7-monatigen Recherche nur in allen Punkten zustimmen. Ein zentraler Aspekt, an dem es aktuell noch scheitert, ist ja wie ihr sehr eindrücklich demonstriert habt das Fehlen von Standards oder eine fehlende Verpflichtung, sie einzuhalten.

Zu dem Thema hatte ich schon nach Hören der ersten Folge eine praktische Idee für ein Produkt, das zur Lösung des Problems einen hohen praktischen Nutzen haben könnte: Eine flexible Software, die das Mapping (= „Zuordnen“) von Daten einer Software zu einer anderen Software für Hersteller und Nutzer so einfach und elegant wie möglich macht. Da eine solche Idee auch im zweiten Teil nicht vorkam, wo es mitunter um Lösungen ging, möchte ich sie hier im Folgenden im Detail erläutern, in der Hoffnung, dass die Idee ggf. die richtigen Leute erreicht und in Betracht gezogen wird.

Motivation

Während ich im Grunde ein sehr großer Fan von offenen Standards bin und euch völlig zustimme, dass wir sie in Deutschland weiter fördern müssen, sehe ich auch die Seite der praktischen Probleme, die Standards gerade im IT-Bereich mit sich bringen. Anforderungen und Wünsche entwickeln sich im Softwarebereich ständig weiter und es ist somit schwierig einen Standard zu definieren, der länger als 1 oder 2 Jahre aktuell ist und alle wichtigen Funktionen abdeckt. Das Weiterentwickeln eines Standards ist zwar möglich, aber geschieht dies zu häufig, ist ein Zoo von miteinander inkompatibler Software die Folge. Gerade das Beispiel mit den E-Mail-Standards SMTP und IMAP, die ihr in der Folge genannt habt, zeigen etwa die Probleme gut auf: Bis heute ist es nicht gelungen, E-Mails flächendeckend abzusichern mit Erweiterungen der E-Mail Standards (Versuche gab es genug: STARTTLS, GPG, PGP, S/MIME, etc.). Und auch modernere Mail-Funktionen wie „Mail morgen früh versenden“ haben es nicht ansatzweise in die Standards hinein geschafft und werden es wohl auch lange nicht tun.

In anderen Worten: Standards sind ein wichtiges Element, um Software unterschiedlicher Hersteller miteinander kompatibel zu machen und eine Basis für Datenaustausch zu haben. Auch ihre ständige Weiterentwicklung ist wichtig (wie etwa im Web mit HTML), damit man mit der Zeit mitgeht. Aber Standards müssen gerade wegen dieser Schwierigkeiten von Natur aus langsam entwickelt und evaluiert werden.

Für eine schnelle Digitalisierung unserer Behörden werden sie alleine also nicht reichen. Es fehlt eine Brückentechnologie, zu deren Nutzung alle Hersteller von Behörden-Software verpflichtet werden, die den Austausch auch ohne spezifische Normen und Standards schon kurzfristig digital ermöglicht. Langfristig wäre eine solche Software auch für schnelle Anpassungen an neue Anforderungen sehr nützlich, ohne den langen Weg von langfristigen Standards zu erfordern, bis diese die schnellen Änderungen dann langfristig ersetzen können.

Lösungsvorschlag

Wir entwickeln eine quelloffene Software, die eine lange Liste von gängigen Datenformaten importieren, intern in eine „normalisierte Form“ überführen und wieder in eine lange List von gängigen Datenformaten exportieren kann. Nennen wir diese Software mal „Data Connector“, oder kurz „DaCon“.

Jede bestehende Behörden-Software bekommt verpflichtend die Anforderung, alle Daten in ein einziges beliebiges der unterstützen langen Liste von Formaten von DaCon exportieren und ein einziges beliebiges der unterstützten Formate importieren zu können. Zusätzlich müssen die Hersteller dokumentieren, welches Format sie unterstützen, die Formate erhalten also alle eine eindeutige DaCon-Kennung. Ziel ist es, die Formate so vielfältig zu unterstützen, dass die Unterstützung für die Hersteller möglichst einfach umzusetzen ist. Das spart Kosten und Zeit.

Nur als winzig kleines Beispiel dafür, was mit „unterstützte Formate“ gemeint ist (hiervon würde es in DaCon natürlich hunderte weitere geben): Ein Datumsformat etwa für ein Geburtsdatum könnte von jeder Software anders gespeichert sein und deshalb in unterschiedlichem Format ohne großen Aufwand exportiert werden können. Etwa: 1999/05/17, oder 1999-05-17, oder 1999/17/05, oder 99-5-17, oder 17.05.1999, oder 17.5.1999, oder 1999-05-17T00:00:00+00:00 (ISO 8601), oder 926899200 (Unix time) und so weiter. Auch könnte jede Software in einer anderen technischen Umgebung umgesetzt sein, die das Format der exportierten Datei selbst je nach Wahl einfacher oder komplexer gestaltet. Einige der gängigen zu unterstützenden Formate wären daher: JSON, XML, CSV, YAML. Wohlgemerkt: Sowohl im Import als auch im Export.

(Fortsetzung folgt … [wg. Zeichenbeschränkung])

(Fortsetzung)

DaCon kennt zwei Typen von Benutzern: Data-Mapper und Endanwender:innen. (Die Entwickler von Behörden-Software benutzen DaCon nicht direkt, unterstützen nur die definierten Formate.)

Data-Mapper sind technisch versierte Benutzer, die einmalig eingesetzt werden müssen, um die Verbindung vom unterstützten Export-Format einer Software A zum unterstützten Import-Format einer Software B zu definieren. Um dieses „Mapping“ möglichst einfach zu flexibel zu machen, bietet DaCon viele vorgefertigte Mapping-Beispiele und unterstützt auch den Import und Export diese Mapping-Dateien, sodass Behördern diese beliebig miteinander teilen können. Auch eine Art „Mapping Store“ wäre möglich, um eine globale Lösung zum Teilen von Mapping-Dateien anzubieten.

Endanwender:innen sind beliebige Behördenmitarbeiter:innen, die entweder Daten aus ihrer Behörden-Software an eine andere Behörde weiterleiten sollen, oder die weitergeleiteten Daten einer anderen Behörde in ihre eigene Behördensoftware einpflegen möchten. Ein:e weiterleitende Endanwender:in benutzt die bestehende Export-Funktion der Behördensoftware, die ja verpflichtend ein beliebiges DaCon-Format unterstützen muss, und verschickt diese Daten auf sicherem Wege an eine andere Behörde. Eine empfangende Endanwender:in der anderen Behörde wählt eine von einem Data-Mapper zur Verfügung gestellte Mapping-Datei und importiert mit ihr die von der vorigen Behörde zur Verfügung gestellten Daten in ihrem Behördenprogramm. Die Mapping-Datei kümmert sich darum, dass die in einem beliebigen unterstützten Format exportierte Daten durch einen Normalisierungsprozess laufen und in eine durch diese zweite Behördensoftware importierbare Form gebracht werden.

DaCon selbst lässt sich sowohl lokal auf einem Gerät direkt, als auch als Web-Anwendung über den Browser benutzen. Hierdurch muss nur ein einziges Backend („Server“) und ein einziges Frontend („App“) entwickelt werden und man deckt alle gängigen Nutzungsfälle (online, offline, mobil) ab. Technisch gesehen kann die Software etwa sowohl sicher abgeschirmt und offline nutzbar auf Einzelrechnern laufen (Server + Browser), als auch getrennt als „Server“ auf einem einzelnen Rechner in einem lokalen Netzwerk oder sogar in der Cloud laufen und von beliebig vielen Anwendern über den Browser (mittels Login) benutzt werden.

Beispielanwendung

Für die Anmeldung meiner Vermählung benötigt das Standesamt Karlsruhe Daten aus dem Geburtenregister in Tübingen (jeweils mein Wohn- und Geburtsort).

  1. Das Standesamt fragt das Geburtenregister (mit meiner Erlaubnis) an und bittet sie um bestimmte Daten.
  2. Die Mitarbeiterin im Geburtenregister exportiert die Daten in einem DaCon-kompatiblen Format und sendet sie zu.
  3. Das Standesamt Karlsruhe führt diesen Datenaustausch zum ersten mal durch (da ich der erste bin, der in Karlsruhe seit Einsatz von DaCon diese Daten benötigt), daher wird ein Data-Mapper vom Standesamt Karlsruhe beauftragt, für diese Kombination eine Mapping-Datei zu erstellen.
  4. Der Data-Mapper importiert die Daten in DaCon (dies geht direkt) und definiert, wie aus der normalisierten Darstellung der Daten (die Normalisierung hat DaCon erledigt), das von der Standesamt-Software unterstützte Import-Format erstellt werden kann und speichert diese Info in einer Mapping-Datei ab und schickt sie an das Standesamt.
  5. Der Standesamt-Mitarbeiter kann nun Dank der Mapping-Datei die Daten des Geburtenregisters in ihre eigene Behördensoftware importieren. Die Mapping-Datei wird in den Pool bekannter Mapping-Dateien aufgenommen und kann bei künftigen Anfragen wieder verwendet werden.

So oder so ähnlich könnte ein Prozess mithilfe von DaCon ablaufen, sofern alle Hersteller verpflichtet wurden, ein beliebiges DaCon-Format zu unterstützen. Im Gegensatz zu einem einheitlichen Standard, muss weder der Anwendungsfall im Detail abgesprochen, noch der Prozess im Detail geklärt werden. Wenn nötig kann jeder Prozess und jeder Anwendungsfall schnell mithilfe eines Data-Mappers so automatisiert werden. Mehrere Behörden können miteinander ihre Mapping-Dateien teilen und ggf. können sie Mapping-Regeln voneinander lernen. Wird eine Mapping-Regel sehr häufig verwendet, so kann man darauf basierend einen Standard entwickeln und diesen einen Prozess noch weiter beschleunigen, sodass ein Data-Mapper nicht mehr nötig wird. Aber für andere, noch nicht standardisierte Prozesse ist dieser dennoch eine große Hilfe.

(Fortsetzung folgt … [wg. Zeichenbeschränkung])

(Fortsetzung)

DaCon sollte auch für Data-Mapper so einfach zu bedienen sein, dass jede:r technisch versierte Nutzer:in es entweder intuitiv oder nach kurzer Einschulung bereits verstehen und neue Mapping-Dateien erstellen kann. Ziel ist, dass in (fast) jeder Behörde ein:e Mitarbeiter:in sich zutrauen kann, die Data-Mapper-Rolle zu übernehmen. Für komplexere Fälle kann es dann IT-Spezialisten geben, die sogar Code-Skripte ins Spiel bringen könnten, um komplexere Mapping-Fälle abzudecken und für die Endanwender dennoch zu einem einfachen Klick werden zu lassen.

Aufwandsschätzung

Diese Schätzung ist sehr grob, da auch die Produktbeschreibung sehr vage ist. Sie soll lediglich als grobe Orientierung dienen, ich würde sie aber als sehr realistisch einschätzen (IT-Projekte zu schätzen und in leitender Position durchzuführen ist mein Beruf):

Konzept (Anforderungsaufnahme von Behörden, Software-Design): ca. 150 Personentage
Backend (Import, Normalisierung, Export): ca. 400 Personentage
Frontend (Import-Formular, Export-Formular, Data-Mapper): ca. 400 Personentage
Dokumentation (für Unternehmen, für Endanwender:innen, für Data-Mapper): ca. 50 Personentage

Eine erste finale Version würde mit einem Team aus 12 Personen (3 Backend, 3 Frontend, 3 Design, 1 Management, 2 Dokumentation) in etwa 9 Monaten stehen (2 Monate Konzept, 6 Monate Backend + Fontend, 1 Monat Dokumentation).

Gesamtkosten (bei Dienstleister á 100 EUR/Personenstunde): 800.000 EUR


Selbst, wenn es das Doppelte kostet – ich halte das immer noch für einen überschaubaren Preis, wenn das Produkt am Ende hilft, die Digitalisierung in unserem Land schneller voran zu treiben.

Was meint ihr? Findet ihr die Idee gut? Habe ich etwas übersehen oder unverständlich erklärt?
Freue mich über jedes Feedback.

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