Mal losgelöst von Einzelfällen und eher Generell betrachtet denke ich dass das Thema so Komplex ist dass man es in mehreren Unterthemen diskutieren könnte / müsste.
Auf der einen Seite haben wir oft Menschen die aus Ländern kommen wo es nachvollziehbar ist eher Angst und Misstrauen vor der Polizei zu haben als Respekt - vereinzelt sind sie evtl. sogar traumatisch vorbelastest. Dazu mischen sich dann potenzielle „Erfahrungen“ mit Racial Profiling die hier nun auch nicht gerade für ein positives Gefühl sorgen wenn dies die ersten Erfahrungen mit unserer Polizei sind. So etwas legt man nicht mal einfach so ab.
(diesbezüglich halte ich im übrigen das britische System wonach man für jede Kontrolle eine Quittung erhält für einen sehr guten Ansatz um für derlei Problematiken auch mal Belege und Grundlagen für Studien zu schaffen).
Da kann ich mir schon vorstellen dass bei manchen eher Panikreaktionen ausbrechen und sie auch nicht mehr einfachen Anweisungen folgen können wenn sie plötzlich mit der Polizei konfrontiert werden die sie unter Umständen auch noch anschreit. Da ist dann Fingerspitzengefühl gefragt.
Auf der anderen Seite haben wir Polizeikräfte die durch ihre Überstunden und Schichtdienste vereinzelt auch sehr gestresst sind. Nicht ohne Grund sind die Scheidungs- und Suizidraten in derlei Berufen (auch in der Medizin, Pflege etc) mit am höchsten weil das Privatleben extrem darunter leidet. Dies ist nun gewiss keine Entschuldigung für derlei Ausschreitungen, aber ich glaube es mit eine Ursache für den uralten und extrem hinderlichen „Korpsgeist“ in der Polizei. Der Prof für Polizeiwissenschaften Rafael Behr nennt ja auch immer die Kasernen artige Ausbildung, aber eben auch den fast schon etwas militärisch anmutenden „Korpsgeist“ für ein großes Problem der ganzen Situation.
Was wir brauchen sind Polizeibeamtinnen die auf das Fehlverhalten der Kolleginnen achten und deeskalierend eingreifen, und das wird derzeit noch durch die internen Strukturen und Mentalität verhindert. Wenn ich in die eigene Familie Blicke, in dem auch einer dem Job nachgeht, wundert es mich nicht da durch die Arbeitszeiten und Schichtdienste der größte Teil des Freundeskreises aus Kollegen besteht weil für andere soziale Kontakte kaum noch Zeit bleibt. Dadurch verschwimmt zum einen total der Blick auf die Gesellschaft weil einem das wozu man tagtäglich im Job gerufen wird viel größer erscheint als es tatsächlich ist (Verlust der Neutralität), und zum anderen wird halt vieles plötzlich als ein „Ausrutscher“ abgetan weshalb man einem Kollegenin nicht in die Quere kommen möchte. Hinzu kommen teils wirklich grundlose Anzeigen gegen Beamtinnen die dann intern noch mehr zusammenschweißen, aber auch bei den Staatsanwaltschaften dafür sorgen dass evtl nicht mehr so genau hingeschaut wird.
So absurd es klingt, aber genau das was immer von den Innenministern, Polizeigewerkschaften und Medien den Clans vorgeworfen wird trifft 1:1 letztendlich auch auf die Polizei zu. Die teils schwierigen Umstände haben sie zusammengeschweißt und am Ende pinkelt keiner dem anderen mehr ans Bein - egal was geschieht. Sei es die Polizei oder Staatsanwaltschaften. Job und Privatleben, Kollegen und Familie … alles vermischt sich weil in dem Job für anderes kaum Zeit und Raum existiert. Eine äußerst fatale Kombination.
Unabhängige Ermittlungsstellen wären unglaublich wichtig - ebenso wie anonyme Meldeverfahren gegen Kollegeninnen. Die steigende Anzahl an Frauen in den Teams scheint auch zu helfen, zumal es erstaunlich oft sie sind die den Mut haben im Zweifelsfall gegen Kolleginnen auszusagen. Nur leider erleben gerade diese derzeit noch erhebliche Rückschläge, wie man ja auch bei der Polizeischülerin im Kölner Fall sah (Link ) die anschließend ihren Job verlor nachdem sie gegen ihren nachweislich gewalttätigen Ausbilder aussagte. Damit setzt man genau die falschen Zeichen.
Aber ich glaube letztendlich muss ich auch was an den Arbeitsbedingungen ändern. Gerade in solchen Jobs darf der Job nicht zum einzigen Lebensinhalt werden und die Kollegen nicht zur „Familie“, denn genau solche Umstände begünstigen dann so Dinge wie den Verlust der Neutralität, falscher Korpsgeist usw…
Externe Ermittlungen sind super wichtig, aber da sie nur im Nachhinein reagieren können sollte man sich auch darum kümmern das intern mehr deeskalierend aufeinander geachtet wird.