Markus Söder bläst zur Zeit mal wieder gewaltig die Backen auf. Er schließt eine Koalition der Union (! nicht der CSU) mit den Grünen nach der Bundestagswahl kategorisch aus.
Dabei ist er Chef einer Partei, die bundesweit vermutlich an der 5%-Hürde scheitern würde und nur durch das Konstrukt der Flächenaufteilung mit der CDU so gut dasteht. Jedenfalls hat seine CSU weit weniger Wähler als die Grünen.
Je nachdem, was vorteilhaft ist, tritt die Union mal als Einheit auf und dann auch wieder als zwei Parteien (beispielsweise ist der CSU-Vorsitzende immer in der „Elefantenrunde“ nach einer Bundestagswahl vertreten, obwohl er nur eine kleine Splitterpartei vertritt).
Als Thema würde mich das interessieren. Ist dieses Konstrukt nicht rechtlich fragwürdig? Welches Demokratieverständnis wird hier transportiert? Warum behandelt man die CSU überall (beispielsweise im ÖRR) wie eine „große“ Partei? Warum nehmen die anderen Parteien das einfach so hin?
Wurde doch bereits traurigerweise bei der letzten Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur Wahlrechtsreform als legitime Konstruktion und sogar als Grund für die Wiedereinführung der Grundmandatsklausel oder etwas Ähnlichem benannt. Von daher leider bestätigt sich wenn ich es wie du schlicht falsch finde, dass ein Bundesland so bevorteilt wird und regelmäßig Gelder vom Bund umleitet.
Da die CSU nur in Bayern antritt, kannst du sie schlecht mit den bundesweiten Ergebnissen der Grünen vergleichen. Würde die CSU auch bundesweit antreten, würde sie der CDU sicherlich einige Prozentpunkte abnehmen, da lässt sich schwer sagen wo sie landen würde.
Ein bundesweit umgerechnetes Ergebnis von mehr als 5% ist keine Splitterpartei mehr. Und in der Runde sind halt die Generalsekretärys/Vorsitzendys aller entsprechend im Bundestag vertretenen Parteien. Die Grünen, die FDP oder die Linke sind ja auch da, auch dann als sie weniger Prozente als die CSU hatten.
zu Beginn der BRD musste dieses seltsame Konstrukt, CSU tritt nur in einem Land an, CDU nur in allen anderen, jedes Mal neu bestätigt werden. Bis man das dann das unterliess.
Nach der Wiedervereinigung gab es ein oder zwei östliche Bundesländer, die das gleiche Konstrukt benutzen wollen. Also dort keine CDU, sondern noch eine extra Partei, die aber zur Union gehört. Das wurde dann aber (vom Verfassungsgericht??) gekippt. Mir war nicht klar, warum damals nicht auch die Sonderrolle der CSU neu bewertet wurde.
Da hätten wir dann drei Zwerge gehabt, die die Backen aufblasen.
Das Ganze verschafft der CxU immer den Vorteil, mal als zwei Parteien, mal als eine aufzutreten, wie es grade besser passt.
Ansonsten hindert niemand die CSU überall anzutreten, und dann könnte endlich auch die CDU in Bayern antreten. FJS wusste schon, warum er da gekniffen hat.
Das stimmt. Aber in dem Fall würde die CDU auch in Bayern antreten und ich vermute, dass dies der CSU richtig wehtun würde. Aber wie es unter dem Strich herauskommen würde, wissen wir natürlich nicht.
Das ist es ja, was ich meine. Wenn es der Union hilft, treten CDU und CSU als zwei Parteien auf und schicken zwei Vorsitzende in Diskussionsrunden oder die Elefantenrunde. In anderen Fällen betonen sie die Einheit, beispielsweise wenn sie sagen, dass sie die größte Fraktion im BT stellen und daraus etwa Ansprüche auf Ämter im BT stellen. Ich erlaube mir, hier eine Antwort von ChatGPT auf die Frage nach den Privilegien der größten Fraktion zu posten:
„Die größte Fraktion im Bundestag hat mehrere Privilegien und Vorteile, die ihr durch ihre Größe und politische Bedeutung zukommen. Diese Privilegien betreffen insbesondere die parlamentarische Arbeit und den Einfluss auf die politische Agenda. Hier sind die wichtigsten:
Recht auf Vorschlag des Bundestagspräsidenten
• Die größte Fraktion hat traditionell das Vorschlagsrecht für die Wahl des Bundestagspräsidenten. In der Regel wird der Präsident aus ihren Reihen gewählt.
Mehr Einfluss auf die Tagesordnung
• Die größte Fraktion hat erheblichen Einfluss auf die Gestaltung der Tagesordnung des Bundestages. Zwar wird diese im Ältestenrat abgestimmt, aber die größte Fraktion kann durch ihre Mehrheit eine zentrale Rolle spielen.
Stärkerer Einfluss in Ausschüssen
• Die Sitze in den Ausschüssen des Bundestages werden nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen verteilt. Die größte Fraktion erhält daher die meisten Sitze und kann oft den Vorsitz wichtiger Ausschüsse übernehmen.
Führungsrolle bei Regierungsbildung
• Wenn die größte Fraktion Teil einer Koalition oder alleine regierungsfähig ist, stellt sie in der Regel den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin. Dies ergibt sich aus der parlamentarischen Mehrheit und der Notwendigkeit, eine Kanzlermehrheit zu bilden.
Mehr Redezeit im Plenum
• Die Redezeiten im Bundestag werden proportional zur Stärke der Fraktionen vergeben. Die größte Fraktion erhält dementsprechend die meiste Redezeit.
Finanzielle und organisatorische Vorteile
• Fraktionen erhalten finanzielle Mittel, die sich nach ihrer Größe bemessen. Die größte Fraktion verfügt daher über mehr finanzielle und personelle Ressourcen, um ihre Arbeit zu unterstützen.
Einfluss im Ältestenrat
• Der Ältestenrat, der für die Organisation der parlamentarischen Arbeit verantwortlich ist, setzt sich ebenfalls nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen zusammen. Die größte Fraktion hat dort entsprechend viel Einfluss.
Diese Privilegien sichern der größten Fraktion eine zentrale Rolle im politischen Betrieb des Bundestages und ermöglichen es ihr, die politischen Geschicke maßgeblich zu beeinflussen.“
Du vergleichst hier die Prozentpunkte, die die Grünen, die FDP oder die Linke bundesweit bekommen mit den Prozentpunkten, die die CSU eben nur in Bayern bekommt. Da von weniger zu sprechen, wird der Situation nicht gerecht.
Ja. Und das ist ganz schön knapp. Wenn also nun die CDU auch in Bayern anträte und im Gegenzug die CSU auch in allen anderen Bundesländern… dann würde die CSU vermutlich mehr verlieren als gewinnen, da sie stark Bayern in ihrer Politik bevorzugt.
Es ist halt dieser Bayern-Schonraum der ihnen hilft.
Ja, das ist in Bayern sicher ein Zugpferd.
Man muss allerdings auch sehen, dass die bayerische Politik gerade bei konservativen CDUlern sehr verfängt. Sie könnte also am rechten Rand der CDU gut fischen und die CDU sich als gemäßigte Schwester darstellen.
Danach geht man sowieso wieder zusammen.
Realistischer wäre allerdings eine Fusion mit der CDU und in Bayern läuft der rechte Rand zu freien Wählern und AFD.
Auch andere Parteien könnten eine gemeinsame Fraktion bilden, solange sie bei den Wahlen nicht unmittelbar gegeneinander antreten.
Ich schrieb bewußt „auch dann als“, aber das hätte ich vermutlich ausführlicher formulieren sollen. Es gab Bundestagswahlen bei denen die CSU bundesweit gerechnet mehr Prozentpunkte erzielte als die anderen genannten Parteien. (1994, 1998 und 2002 war sie beispielsweise jeweils drittstärkste Kraft hinter SPD und CDU.)
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht Interpretationsspielraum gelassen, ob diese neu zu gründende Partei die gleichen Privilegien wie die CSU bekommen müsse oder der CSU diese zustehen, weil das historisch so gewachsen ist. Es wäre also nicht nur eine große Herausforderung diese Strukturen und die Bekanntheit aufzubauen, am Ende könnte das Gericht auch noch reingrätschen.
Du meinst die DSU. Die ist vor der letzten DDR-Volkskammerwahl als Schwesterpartei der CSU gegründet worden, hat bei der Wahl dann 6% geholt, bei den ersten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen noch etwas über 3%, und bei allen weiteren Wahlen nur noch Ergebnisse im Promillebereich. Diese Partei ist aber immer in Konkurrenz zur CDU angetreten und konnte sich gegen diese nicht behaupten.
Nachtrag: Die Ost-CDU ist aus der DDR-Blockpartei CDU hervorgegangen, die natürlich in allen Landesteilen der DDR existierte. Um dort ein Konstrukt wie in Bayern zu etablieren, hätten sich die CDU in den betreffenden Ländern auflösen oder ausgründen müssen. Das war natürlich nie ein Thema.
Bei uns auf kommunaler Ebene bilden die Parteien regelmäßig gemeinsame Fraktionen. Auch wenn sie gegeneinander antreten, um bestimmte Fraktionsstärken zu erreichen, ab denen es dann mehr Geld, Stellen usw. gibt. Ist das im Bund und kommunaler Ebene anders gegelt?
Gab es nicht sogar einmal auf Bundesebene Einzelkandidaten, die von einer Fraktion aufgenommen wurden?
Klar, bei einer Wahl treten alle gegeneinander an. Der Knackpunkt bei der Fraktionsbildung im Bundestag ist die Frage, ob sie sich generell im politischen Wettbewerb befinden (also z.B. SPD gegen FDP) oder ob sie unmittelbar um dieselbe räumliche und inhaltliche Zielgruppe werben. In der Geschäftsordnung des Bundestages heißt es:
Die Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen.
(1) Die Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen. Schließen sich Mitglieder des Bundestages abweichend von Satz 1 zusammen, bedarf die Anerkennung als Fraktion der Zustimmung des Bundestages.
Also ja, das ist überall etwas anders geregelt. Aber an sich könnte der Bundestag auch eine Fraktion konkurrierender Parteien erlauben. Mir fällt nur eigentlich nur ein Grund ein, wieso das angestrebt werden sollte. Das wäre, wenn zwei Parteien so wenige Abgeordnete haben, dass sie jeweils nur eine Gruppe sind und durch den Fraktionsstatus dann einen wirklichen Vorteil erhalten.
scheint schon eine sehr spezielle Regelung auf Bundesebene zu sein. Im MV Landatag finde ich dazu auch nichts. „Eine Vereinigung von mindestens vier Mitgliedern des Landtages bildet eine Fraktion.“ Da steht noch nicht einmal, dass sie derselben Partei angehören müssen. Im Europaparlament scheint es auch keine analoge Regelung zu geben.
Genau passiert bei uns in der Stadt regelmäßig nach jeder Wahl.
Das Problem mit der CSU ist doch, dass diese Partei den Bundesrat für Bayern schon in den Bundestag verlegt. Sie hat ja für Deutschland und für andere Bundesländer keinen Mehrwert. Sie ist die Vertretung Bayerns in der Bundesregierung.
Schon allein dies mal deutlich zu machen war die Wahlrechtsreform der Ampel in ihrer Ursprungsform nicht schlecht.
Und das ist zutiefst Demokratie gefährdend, denn es stellt ein Bundesland dauerhaft über alle anderen und somit über alle anderen Bürger Deutschlands. Und es stellt die Institutionen natürlich in Frage, wenn die Parteien selbst entscheiden, ob das so OK ist.