Beim Abschätzen der materiellen und militärischen Kriegskosten liefert Deutschlands Außenpolitik Putin ein Sonderangebot nach dem anderen.
„Das ukrainische Volk und seine frei gewählte Regierung haben unsere volle Solidarität,” sagte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner TV-Ansprache zum russischen Überfall auf die Ukraine. (Quelle: Fernsehansprache von Bundeskanzler Scholz anlässlich des russischen Überfalls auf die Ukraine) Diese Solidarität ist allerdings nur rhetorisch.
Denn Deutschland, beliebter Waffenlieferant bei Arabischen Staatschefs und mittelamerikanischen Drogenkartellen, liefert ja bekanntlich nicht einmal Defensivwaffen in das Land, dessen Bevölkerung sich zum einen Teil gen Europa, zum anderen Teil gen Russland orientiert. Dieses Nein zu Waffenlieferungen bekräftigte Scholz noch vor drei Wochen (Quelle: Bundeskanzler Scholz bekräftigt Nein zu Waffenlieferung an Ukraine - Video - WELT).
Die Weigerung, die Ukraine mit militärischer Ausrüstung zu unterstützen wird ergänzt von der Ablehnung ihres NATO-Beitritts durch Scholz’ Bundesregierung. Der könnte ja schließlich dazu führen, dass sich das militärische Verteidigungsbündnis am Ende noch militärisch verteidigen müsste. Die Türen zur NATO bleiben also zu. Diese Haltung der deutschen Bundesregierung sorgt auch für Ärger in Schweden und Finnland, wo die Option eines NATO-Beitritts wichtiger Pfeiler der außenpolitischen Strategie ist. (Quelle: Scholz‘ Nein zum NATO-Beitritt der Ukraine sorgt in Finnland für Ärger – EURACTIV.de)
Die Ukraine, die nun nach monatelanger und öffentlicher Vorbereitung durch Russland überfallen wurde, bekommt also keine deutschen Verteidigungswaffen. Sie bekommen bloß rhetorischen Beistand. Die russischen Angreifer können gleichzeitig auf deutsche Ausstattung zurückgreifen. Denn Deutschland lieferte sogar noch nach dem russischen Überfall auf Georgien 2008 Militärtechnik nach Russland, bis die NATO-Partner auf die Barrikaden gingen. (Quelle: How Germany helped blaze Putin’s path into Ukraine – POLITICO)
Auf die Barrikaden gehen viele westliche Partner:innen Deutschlands auch wegen der Pipeline Nord Stream 2. Dabei tun sie so, als würden sie selbst keine Rohstoffe aus Russland importieren, was nicht stimmt. Der Bloomberg-Kolumnist Javier Blas rechnet vor, dass der Westen täglich Rohstoffe im Wert von 700 Millionen US-Dollar aus Russland einkauft. Die Devisen helfen Putin, seinen Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren. Rhetorisch bewertet es der Westen als großen Schritt, dass die Betriebszulassung der Pipeline Nord Stream 2 verzögert wird, während andere Pipelines, zum Beispiel die parallel geführte Nord Stream 1 ganz einfach weiter Gas aus Russland in den Westen pumpen. (Quelle: Bloomberg - Are you a robot?)
Das ist die Handschrift des Westens: Sanktionen treffen, die man selbst verschmerzen kann. Eine Pipeline abzuschalten, die noch nie eingeschaltet war, tut natürlich nicht weh. Seit 2014 haben Hunderte von Sanktionsmaßnahmen Russland nicht davon abgehalten, die Ukraine anzugreifen. Und nun will man mit weiteren Sanktionen erreichen, dass die größte militärische Landnahme seit dem Unternehmen Barbarossa der Wehrmacht 1941 abgebrochen wird? Das ist bloße Rhetorik, um zu verschleiern, dass der Westen bzw. die NATO bzw. die EU Russland rein gar nichts entgegenzusetzen haben. Möchte Putin im nächsten Jahr Serben annektieren: Bitte. Moldawien? Belarus? Go ahead.
Deutschland verzeiht Russland alles. Den Einmarsch in Georgien, die Annexion der Krim, getarnte Militäroperationen und schließlich die de-facto Annexion des Donbas. Ein abgeschossenes Zivilflugzeug mit rund 300 Toten. Auftragsmorde mitten in Berlin. Die Vergiftung Alexey Navalnys. Das alles führt seit Jahren nur dazu, dass deutsche Politiker:innen weiter daran appellieren, den Dialog mit Putin zu suchen, und mit Russland und nicht gegen Russland Sicherheit in Europa zu gestalten. Eine Farce. Als Ukrainer:in würde ich mich langsam fragen, auf welcher Seite Deutschland überhaupt steht.
Denn an der Seite der Ukraine steht Deutschland vor allem rhetorisch. Faktisch finanziert es durch seine Rohstoff-Importe den russischen Einmarsch. Seit Jahren beweist Berlin, dass es der engste Partner Moskaus im Westen ist. Das ihm aus Berlin nichts droht, ist Teil von Putins Kriegskostenschätzung.