Das darf man dann einfach konsequent weiterdenken. Am Ende landet man möglicherweise bei dem Ergebnis, dass Energie nicht der Spekulation ausgesetzt werden sollte.
Angenommen: 1 Windkraft kWh erzeuge ich für 5ct, erhalte aber 30ct dafür - wäre das nicht in jedem anderen Industriezweig Wucher?
Außerdem zahle ich damit indirekt ebenfalls eine CO2-Abgabe (Zertifikat), weil für Kohle und Gas diese ja entrichtet werden muss.
Bei allen erklärungsversuchen die hier gebracht werden, kann ich weiterhin nicht verstehen, dass es möglich ist, Strom sehr günstig zu produzieren aber aufgrund der Marktregeln am Spotmarkt zum Preis für Kohlestrom oder Gasstrom zu verkaufen. Der Vergleich mit dem Fernseher hinkt, aber wenn ich weiß dass Händler a das gleiche Produkt zum halben Preis im Vergleich zum Händler b liefert, gehe ich nicht zu a und zahle den Preis von b.
Nein, bitte googeln.
Indirekt im Sinne von nicht. Du zahlst dem Windkraft-Betreiber Geld für Strom, dieser behält den gesamten Betrag als Einnahme.
Händler a wird seinen Preis daran orientieren, zu welchem Preis gerade der letzte Fernseher (dieses Modells) in seiner Region verkauft wird. Dass er ihn für die Hälfte eingekauft hat, spielt nur eine untergeordnete Rolle.
Kein Händler würde seine niedrigen Einkaufspreise ohne Not weitergeben, solange die Nachfrage hoch genug bleibt, um seinen Lagerbestand zu verkaufen.
Dass der gleiche Fernseher manchmal zu unterschiedlichen Preisen verkauft wird, liegt an Informationsmangel, Verzögerungen in der Preisanpassung oder Marketingmaßnahmen.
Das Merit-Order-Modell ist das Prinzip von Angebot und Nachfrage in Reinkultur.
Das kannst du prinzipiell auch bei Strom machen - wenn du Zeit hast, sprich Strom im Voraus einkaufst, direkt bei den Produzenten per Laufzeitvertrag. Dann einigst du dich individuell mit dem Produzenten auf einen Preis und der muss nicht dem aktuellen Börsenpreis entsprechen. Diese Art Langzeitverträge machen übrigens auch bei Strom meines Wissens den größten Teil der gehandelten Volumina aus.
Wenn du aber Strom jetzt sofort willst, keine Zeit hast, ewig alle Versorger abzulaufen ob sie noch Kapazität haben (weil sonst in der Zwischenzeit dein Netz zusammenbricht, siehe mein verlinktes Posting), dann gehst du zu einer Institution, die es im Fernsehermarkt so nicht gibt (weswegen der Vergleich auch dann hinkt, wenn wir es auf ein einziges Fernsehermodell beschränken): eine Strombörse mit einem Spotmarkt! Da bieten alle, die Kapazitäten über haben, diese für kurzfristige Verfügbarkeit an, und je nach aktueller Nachfrage bestimmt sich ein Preis, zu dem genug Anbieter willens sind, diese Nachfrage gänzlich zu decken. Und diesen Preis, zu dem das der Fall ist, den bekommen dann alle, weil der Strom vollkommen austauschbar ist.
Ich glaube, dein Missverständnis speist sich daraus, dass du Spotmarkt und Langzeit-Lieferverträge nicht trennst. Dein Modell eines „ich such nach dem billigsten Anbieter und wähle den gezielt aus, um von günstigen Preisen zu profitieren“ ist zwar für langfristige Vorab-Einkäufe möglich, aber aus praktischen Gründen nicht der Modus, wie Strom kurzfristig eingekauft wird.
Und der Vergleich mit dem Fernseher hinkt halt überall. Wenn du deinen Fernseher ein paar Tage später einkaufst, geht daran die Welt nicht zugrunde, das ist meist eine realistische Option, wenn du denkst, durch Sonderangebote oder so was sparen zu können - wenn du deine Energie ein paar Tage zu spät einkaufst, hast du kein Netz mehr!
Vergleichs mit der Situation, dass WM ist, du die gesamte Nachbarschaft eingeladen hast und deine Glotze genau jetzt den Geist aufgibt, 30 Minuten vor Anpfiff. Dann möchte ich sehen, wie du zig Händler abfährst um den billigsten Ersatz zu finden. Stattdessen wirst du zum nächstbesten Elektrohandel fahren und dem für nahezu jeden beliebigen Preis, den der gerade fordert, seinen größten Fernseher abkaufen. Und dir vermutlich wünschen, es gäbe einen Fernseher-Spotmarkt, an dem alle Hersteller teilnehmen und der dir garantiert, dass du zumindest den niedrigstmöglichen Preis bezahlst, der aufgrund der aktuellen Nachfrage nach Fernsehern mit sofortiger Verfügbarkeit möglich ist.
Das ist ein schönes Beispiel. Im neoliberalen Kapitalismus wird uns eingeredet es wäre „ marktgerecht“, dass der Händler das dreifache verlangt. Mit unserem inneren Wertesystem wäre das nicht vereinbar. Eher, dass der Händler ihn bringt und als Dreingabe eine Kiste Bier mitliefert.
Und wie würden die Anforderungen, die @Slartie richtig beschreibt, antikapitalistisch bzw. nicht marktwirtschaftlich geregelt? Gibt es da Ideen?
Das hat mit Neoliberalismus exakt gar nichts zu tun. Mit marktgerechten Preisen schon eher.
Warum sollte der Händler, der dir gerade die Blamage vor deiner gesamten Nachbarschaft erspart, dir auch noch eine Kiste Bier schenken? Er gibt dir doch schon etwas, was für dich gerade einen enorm großen (immateriellen) Wert darstellt.
Ja gibt es.
Danach wird der Markt nicht nach der Nachfrage gesteuert, sondern nach dem Angebot.
Das wiederum bedeutet, dass du nicht alle elektrischen Verbraucher nach Belieben ein und ausschalten kannst, sondern erst schauen musst, ob notwendiges Angebot verfügbar ist.
Ich denke bei 100% EE werden wir sowas dabei haben (Angebotssteuerung) und uns vom Sommerurlaub/-ferien verabschiedet haben. Schlicht weil Energie im Sommer am billigsten ist. Dafür wird die Produktion im Winter heruntergefahren, wenn Energie teuerer ist.
Und warum ist das nicht Marktwirtschaft?!? Preis runter, wenn viel da ist, Preis rauf wenn wenig da ist.
Das denke ich auch, aber
a) nur für die großen Verbraucher, bei denen eine zeitliche Verschiebung des Energiekonsums automatisch regelbar und minimal unpraktisch für den Nutzer ist (E-Auto, Waschmaschine, Trockner z.B.). Niemand wird mitmachen, dass er erst auf eine angebotsseitige Freigabe hoffen muss, um seine Schreibtischlampe oder seinen Herd einzuschalten.
b) wird das in keiner Weise „antikapitalistisch“ ablaufen, sondern genauso kapitalistisch und marktwirtschaftlich wie jetzt, nur dass der Markt in diesem Bereich umgedreht ist. Du wirst als Verbraucher für gewisse Geräte Strom beziehen können, bei dem der Preis flexibel an den Marktpreis gekoppelt ist, und dann kannst du Preisschwellen vorgeben, für die du maximal dein Auto laden willst. Wenn der Marktpreis darunter fällt, lädt es dann - oder notfalls halt auch mal teurer, falls du eine zweite Vorgabe hast, derzufolge der Wagen voll sein soll bis Zeitpunkt X, koste es was es wolle.
Die zarten Anfänge in dieser Richtung sehen wir ja schon in der Praxis, und je mehr EE im Netz umso größer werden die Anreize für solche Modelle. Aber das klassische Modell des komplett verbrauchsgesteuerten Stromnetzes, das wird nicht verschwinden, weil es einfach so unglaublich bequem und praktisch für den Nutzer ist, dass dieser bereit sein wird, eine Menge Aufpreis zu bezahlen, damit ihm „irgendwer“ weiterhin diese bequeme Nutzungsweise für alle alltäglichen Geräte, deren Nutzung er nicht im Vorhinein planen will oder kann, ermöglicht. Und dieser Aufpreis fließt dann in große Energiespeicher entweder zentral im Netz oder dezentral in den Häusern, mit denen genau das ermöglicht wird.
So funktioniert Energiewende nicht und diese Probleme sind auch technisch gelöst, nur die Umsetzung fehlt. Natürlich ist es immer sinnvoll Energie zu sparen und sein Verhalten anzupassen.
Dieses Umdenken muss aber in den Köpfen der Menschen einsetzen, Aufklärung etc.
Energie in jeglicher Form ist im Grunde genommen im Überfluss vorhanden es darf nur bzw. sollte nicht fossil atomar sein außer in Notfällen.
Das sieht unsere geliebte FDP aber anders.
Wenn dieser Artikel stimmt (kenne RND nicht) dann möchte Herr Lindner den „Profit-Autopiloten“ an den Strommärkten abschaffen.
„Kunden sollten auf Ihrer Stromrechnung stärker von den günstigen erneuerbaren Energien profitieren“ und „die entstehenden Übergewinneffekte im Strommarkt, die durch die sogenannte Merit-Order für Kraftwerke mit sehr geringen Produktionskosten entstehen, [sollen] adressiert werden“.
Der Herr Lindner wusste auch immer schon, wann man gut damit beraten war, eine populistische Meinung zumindest zum Schein zu vertreten, um beim Volk Punkte zu sammeln. Und diese Gelegenheit ist dafür hervorragend geeignet, weil er hier ausnahmsweise nicht mal auf seinen Kumpels aus dem Bereich der fossilen Energien herumhacken muss, sondern sogar im Gegenteil mal die Wind- und Solarbetreiber als die „Bösen“ hinstellen kann.
Schwierig ist der Übergang hin zu einem neuen System, das dann auch innerhalb des kompletten europäischen Binnenmarktes gelten müsste.
Aber die Randbedingungen scheinen mir recht klar zu sein:
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Stromerzeuger, deren Leistung für sie unbeeinflussbar schwankt (also vor allem PV und Windkraft, aber auch Laufwasser-Kraftwerke), haben nichts davon, für ihr Produkt ein variables Preissignal zu erhalten. Also gibt es keinen systemischen Vorteil, sie den Unwägbarkeiten eines täglich schwankenden Marktpreises auszusetzen. Ideal ist dagegen ein garantierter Abnahmepreis durch einen zentralen, staatlich kontrollierten Aufkäufer, so ähnlich wie es mit dem EEG realisiert wurde. Wie Kosten und Gewinne, die sich aus der Differenz zwischen Marktpreis und Garantiepreis ergeben, zu verteilen sind, ist dann Aufgabe der Politik.
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Alle übrigen Stromerzeuger (und auch Speicher) werden zunehmend in die Rolle eines „Backups“ gedrängt, das je nach aktueller Leistung von PV und Windkraft angefragt wird oder nicht. In welchem Umfang das Backup benötigt wird, lässt sich nicht vorhersagen (gerade bei der Windkraft gibt es deutliche Schwankungen zwischen „guten“ und „schlechten“ Jahren). Aber klar ist, dass das Backup in Höhe der maximal zu erwartenden Last bereitstehen muss. Auch hier sehe ich keinen Nutzen darin, auf einen im Viertelstundentakt schwankenden Marktpreis zu setzen, um den Bau und die Bereithaltung dieser Kraftwerke zu motivieren. Besser wäre ein Kapazitätsmarkt sowie eine Vergütung des angeforderten Stroms nach Kostennachweis. Gegenpartei wäre wie im Falle der EEG-Vergütung eine zentrale, staatlich organisierte Stelle.
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Für die Stromnachfrager ändert sich nichts. Anstatt mit einer Strombörse hätten sie es nun jedoch mit dieser Gegenpartei zu tun, die sozusagen als Zwischenhändler sämtliche Stromerzeuger hinter sich versammelt.
Das ist halt das Problem, wenn man meint Werte hätten was mit Geld zu tun.
Also mit anderen Worten: Planwirtschaft. Alles geht durch ein staatlich kontrolliertes Nadelöhr, das dann durch „irgendwie“ (aber grob an Erzeugungskosten orientiert) festgelegte Preise bestimmt, welche Stromerzeuger wie viel verdienen dürfen.
Was tut dieser zentrale Stromhändler, wenn…
…die Kunden den plötzlich günstigeren Strom so toll finden, dass sie mehr davon verbrauchen, als er Erzeugerkapazität verfügbar hat?
…einige Stromerzeuger es nicht so toll finden, dass sie ihr Erzeugnis für deutlich weniger Geld verkaufen sollen als andere Erzeuger, und deswegen drauf verzichten, ihren Vertrag mit dem zentralen Händler zu verlängern und stattdessen ihren Strom lieber direkt an jemanden verkaufen, der ihnen dafür mehr zahlt - auch wenn ihnen dafür die Abnahmegarantie verloren geht, kann sich das ja dennoch lohnen, wenn die reine Marktlage ihnen eine Abnahme quasi garantiert?
Ok, ich erkläre es dir nochmal separat: „Wert“ in der von dir zitierten Aussage von mir hat nix mit „Werten“ im Sinne von Ethik zu tun. Der immaterielle Wert, von dem ich sprach, ist das Vermeiden der unangenehmen Situation, die geladenen Gäste spontan wieder nach Hause schicken zu müssen. Das ist ein ganz realer Wert im Sinne von „Nutzen“, wenngleich nicht-materieller Natur, und somit direkt gegenrechenbar gegen eine Summe Geld, die einem dieser Nutzen „wert“ ist.
Das Mittel der Wahl sind Auktionen für große Akteure und festgelegte Abnahmepreise für Kleinanlagen. Das läuft nicht „irgendwie“, sondern ist ein Marktprozess. Nur setzt dieser beim Kontrahieren der Kapazität, nicht bei der Abnahme des Stroms an.
Die Vergütung und Vermarktung des ganzen EEG-Stroms läuft heute ja schon ungefähr so ab. Mit dem kleine, aber feinen Unterschied, dass nun alle Anlagenbetreiber, die dies können, zur Direktvermarktung wechseln, um statt der garantierten Vergütung den aberwitzig hohen Marktpreis zu erhalten.
Nix anderes als heute auch. Bei geringfügigen Differenzen muss die Regelenergie ran, bei einer großen Unterdeckung - wenn also etwas richtig schief geht - kommt es zum Lastabwurf.
Solange Erzeuger nicht kurzfristig, je nach Marktlage, zwischen den Systemen hin- und herspringen können, halte ich dies für nicht weiter problematisch.
Kann man so sehen, aber gibt genug Gründe wieso ein fixer Preis bei EE nicht zum optimalen Ergebnis führt. Beispiele wären bei fixer Vergütung, dass eine Überproduktion auch bezahlt werden müsste. Klar ließe sich da Abhilfe schaffen, indem z.B. über die Lebensdauer eine gewisse Menge gefördert wird, aber auch da hat der Regulierende einen Overhead an Transaktionskosten. Die Ermittlung der passenden Vergütung ist recht aufwendig.
Variable Preise dagegen bieten den Vorteil, dass Verbrauchende entsprechend Anreize bekommen auf diese zu reagieren.
Das stimmt so nicht ganz. Ja längerfristig ist die Einspeisung nicht eindeutig vorhersagbar, aber muss sie auch nicht. Kurzfristig sind die Prognosen sehr genau. Das aktuelle Strommarktdesign ermöglicht hier eine erstaunlich effiziente Bereitstellung der zusätzlich notwendigen Kapazität. Der Strommarkt an sich funktioniert weiterhin so wie er soll und solange Vertrauen vorhanden ist spricht nichts dagegen, dass es auch mit 100% EE so ist. Die Frage ist eher ob die Politik im Zweifel hohe Preise zulassen will. Da ist es dann aber fraglich, ob es mit einem Kapazitätsmarkt günstiger wird. Als Investor in diese flexiblen Anlagen will man ja mindestens das Invest wieder einspielen.
Das war damit nicht gemeint. Die Frage zielte eher in Richtung, was getan wird, um die Funktion des Preissignals als Instrument zur Einschränkung des Verbrauchs zu ersetzen, wenn man den Preis auf Verbraucherseite quasi aushebelt (der kann ja nicht mehr unlimitiert steigen, wenn der Händler nicht profitorientiert agiert und alle Preise, zu denen er den Strom bezieht, festgezurrt hat, dann verkauft er zu einem fixen Höchstpreis ab dem Moment, ab dem alle Kraftwerke voll zugeschaltet sind).
Das Ziel ist ja ein stabiles Stromnetz, nicht eines, in dem nur deswegen ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herrscht, weil jeder nur an 20 von 24 Stunden des Tages Strom hat.
Gilt das auch dann noch, wenn sich dadurch, dass das eine ganze Menge Anbieter attraktiv finden, wieder eine Strombörse mit einem Spotmarkt nach ähnlichem Schema wie aktuell - alle erhalten denselben Preis - parallel zu deinem zentralen Händler bildet?