Der Fall Maja T - Bundesverfassungsgericht missachtet, Rechtstaat unterlaufen,

Wie kommst du zu der Einschätzung? Die ungarischen Behörden haben glaubhaft versichert, dass sie sich an alle Abmachungen und Bestimmungen mit Deutschland halten werden. Eine etwaige Haftstrafe wird die Person z.B. in Deutschland absitzen können. Das Verfahren lief durch alle Instanzen, immer mit dem gleichen Ergebnis. Mit dem Urteil des Berliner Gerichts war der ordentliche Prozess letztlinstanzlich bestritten. Jetzt ist zusätzlich noch das Bundesverfassungsgericht gefragt, um sich mit dem Fall zu beschäftigen. Ich sehe aber keine Anzeichen, dass dies anders entscheidet.

Wir sollten sehr vorsichtig mit solch verherrenden Aussagen sein. Letztlich ist das die gleiche zersetzende Rhetorik, die auch Reichsbürger und anderes rechtes Pack benutzen um das Vertrauen in unsere staatlichen Institutionen auszuhöhlen.

5 „Gefällt mir“

Welche Möglichkeiten hat Deutschland hierfür? Mit der Übergabe an Österreich hat Deutschland doch alle Befugnisse an der Grenze abgegeben, oder? Welche Bedeutung hätte ein Anruf bei den Österreichern gehabt. Hätten die tatsächlich Maja zurückgeben müssen/dürfen ohne, dass die Gerichte dort das juristisch prüfen?

Gleiches gilt für die Rückholung aus Ungarn. Ich hätte erwartet, dass das nur noch über diplomatische Verhandlungen geht?

Ich kann deiner Logik nicht folgen. Es hätte keinen Sinn ergeben, Österreich zu bitten, die Überführung um ein paar Stunden zu verzögern (um die Auslieferung gerichtlich überprüfen zu können), weil Österreich die Überführung ohne juristische Prüfung eines Gerichts womöglich gar nicht stoppen darf?

Das sind alles Schutzbehauptungen von Leuten, die alles in ihrer Macht stehende getan haben, um eine Auslieferung einer Deutschen nach Ungarn möglichst ohne gerichtliche Prüfung durchziehen zu können.

Wenn wir einen linken Kanzler, Innenminister oder ein liberales Justizministerium hätten, dann hätte das politische Konsequenzen.

Ich finde hier werden ganz schön harsche Behauptungen über Justiz, Polizei und das Innenministerium aufgestellt. Hierzu gibt es keine Fakten und das alles laut zeitlichem Ablauf korrekt abgelaufen ist wird ignoriert oder es werden wirklich Unwahrheiten aufgestellt. Man kann ja über die Abschiebung an dich gern streiten, aber die Durchführung war laut den aktuellen Fakten zu 100% rechtens. Man sollte vorsichtig sein rechtspopulistische Rhetorik zu verwenden, nur weil einem ein Vorgang nicht passt.

2 „Gefällt mir“

Was mich wundert, das hier die Herausgabe von Namen der Beteiligten Beamten verlangt wird.
Um was zu tun? Das würde ich im Umfeld einer Terrorismusverdächtigen auf keinen Fall tun.
Da überwiegt ja wohl der Schutz der Beamten.

4 „Gefällt mir“

Das ist ja schön. Der ganz ähnlich gelagerte Fall Ilaria Salis wurde aber ja schon an anderer Stelle angesprochen.

Insofern erlaube ich mir Zweifel.
Und natürlich kann man mir hier vorwerfen, ich wäre etwas hart in meinem Urteil. Es ist nun an Ungarn, das zu beweisen. Allerdings müssen sich die deutschen Behörden vorwerfen lassen, die Unversehrtheit eines deutschen Staatsbürgers gefährdet zu haben, sollte es doch anders kommen und das wäre dann durchaus ein schwerer Schaden für den Rechtsstaat. Denn die Staatsbürgerin diesem Risiko auszusetzen geschah völlig ohne Not.

1 „Gefällt mir“

Entschuldigen sich die Kritiker dann eigentlich auch bei den deutschen und ungarischen Behörden wenn alles gut geht?

Wir sind schließlich noch immer Bündnispartner, also zumindest auf dem Papier Freunde. Muss es da nicht auch Vertrauen in Versprechen geben? Was sind Bündnisse und internationale Abkommen sonst wert?

Wir neigen in Deutschland meiner Meinung nach sehr zu Risikoaversion, statt Risiken zu managen. Warum sollte man Ungarn nicht vertrauen und gleichzeitig 24/7 konsularischen Zugang und eventuell sogar ein Exitszenario bei Verletzungen der Garantien einfordern?

1 „Gefällt mir“

Zum Beispiel wegen solchen Vorfällen:

Eine Gefährdung bleibt eine Gefährdung, auch wenn sie nicht eintritt.

Wofür entschuldigen? Egal was Ungarn macht, in meinen Augen haben Polizei in Sachsen und Staatsanwaltschaft in Berlin bewusst eine Situation herbeigeführt, in der einem Deutschen Staatsbürger keine angemessene Chance zur rechtstaatlichen Überprüfung der Auslieferung eingeräumt wurde. Wäre ebenfalls kritisch, wenn die Auslieferung nach Frankreich gegangen wäre.
Das ist das rechtsstaatbeschädigende Verhalten, nicht dass man es kritisiert.

Wir reden hier davon, dass man vielleicht 8 Stunden später mit der Auslieferung begonnen hätte. Wahrlich nicht zu viel verlangt, in Angesicht der Auswirkungen!

Und sorry, wer glaubt, dass der Anwalt von Maja vergessen hat zu erwähnen, dass er Verfassungsbeschwerde einreichen wird, das LKA mit der Staatsanwaltschaft dann beraten hat, ob „irgendeine Beschwerde bei der Justiz“ denn aufschiebende Wirkung hat und das die Staatsanwaltschaft mangels Zuständigkeit in Österreich nicht um einen kurzen Aufschub der Auslieferung hätte bitten können, der will vielleicht kein Problem sehen.

Wer will findet Möglichkeiten, wer nicht will findet Ausreden.

4 „Gefällt mir“

Natürlich kann man die Bitte stellen. Die Frage ist für mich aber, ob der Grenzbeamte dem nachkommen darf. Es gibt schließlich internationale Regeln und verbindliche Abkommen zu solchen Vorgängen und ich würde vermuten, eine aufschiebende Wirkung kann nicht von deutscher Seite eingefordert, sondern muss von Behörden in Wien entschieden werden.

[Satz gelöscht Mod.] Es hat eine gerichtliche Prüfung gegeben, die am Donnerstag Nachmittag abgeschlossen war. Dabei war der Sachverhalt schon früher klargestellt. Es fehlten nur noch Garantien von Ungarn zum Umgang mit Maja T.

Ich glaube Maja ist hier ein Spielball internationaler Interessen geworden. Bestimmt gab es Leute, die Druck für eine schnelle Überstellung ausgeübt haben. Aber man kann nicht behaupten, dass rechtsstaatliche Standards nicht eingehalten wurden. Und wir sollten uns nicht dazu aufschwingen die Gültigkeit rechtsstaatlicher Standards nach unseren Wünschen zurecht zu biegen.

Und an die Rechtsexperten gefragt, wäre es für den Anwalt nicht möglich gewesen den Eilantrag schon vorzubereiten und damit vor Freitag morgen in Karlsruhe auf der Matte zu stehen?

Das soll Maja keine Schuld für die Situation zuspielen. Es kommt mir nur sehr komisch vor, dass man die absehbare Entscheidung des Gerichts nicht antizipiert.

1 „Gefällt mir“

Das kann man so oder so sehen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Auslieferung nachträglich untersagt, damit fehlt die Rechtsgrundlage.

Edit: recht aufschlussreich die Erklärung des Bundesverfassungsgerichts.
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2024/bvg24-055.html
27. Juni 2024: Auslieferung wird für zulässig erklärt
27. Juni 2024 17:26: Maja T. wird über die Entscheidung informiert.
28. Juni 2024 07:38: es geht der Antrag auf einstweilige Verfügung ein

Am 27. Juni blieben maximal 34 Minuten für den Antrag, maximal, da womöglich die Annahme bereits vor 18 Uhr geschlossen ist.
Am nächsten Tag wurde direkt bei Öffnung der Kammer der Antrag gestellt.

3 „Gefällt mir“

Schön, was du für Nebenschauplätze aufmachst. Das LKA kann Zeitpunkt und Transportmittel der Abschiebung nach eigenem Ermessen wählen, aber wenn die österreichische Polizei gebeten wird, sich etwas Zeit zu lassen (eine Stunde! mehr war gem. BVerfG nicht notwendig!), dann sind internationale Regeln und verbindliche Abkommen in Gefahr? Die österreichische Polizei hätte ja die Anfrage aus Deutschland als Grund nehmen können, erstmal zwei oder drei Stunden juristisch zu prüfen ob die Anfrage aus Deutschland aufschiebende Wirkung hat… lol wirklich, das sind halt nur Ausreden weil man die Auslieferung trotz des laufenden Eilverfahrens durchziehen wollte (natürlich weil man befürchtet hat, das BVerfG kassiert die Entscheidung, sonst hätte man es ja nicht eilig gehabt).

Jetzt wirds wild. Welche internationale Interssensgruppe hat denn Druck auf LKA und Staatsanwaltschaft ausgeübt? Du unterstellst also fremden Mächte die Fäden unserer Justiz zu ziehen? Das ist natürlich wesentlich vertrauenserweckender als die Unterstellung, unsere Sicherheitsorgane würden manchmal „gegen Links“ über die Strenge schlagen…

Wenn es Standard ist, eine Auslieferung nachts um 3:30 mit dem Heli vorzunehmen, dann hast du Recht. Hier geht es weniger darum, ob Regeln gebrochen wurden sondern darum, wie Ermessensspielräume und Handlungsoptionen genutzt wurden um ein Ergebnis herbeizuführen. Zum Schaden eines deutschen Staatsbürgers und zum Nutzen von niemanden.

Die Vogonen haben auch alle Regeln befolgt: die Pläne für den Abriss der Erde hingen schon seit Jahrzehnten im nur vier Lichtjahre entfernt gelegenen Sternensystem Alpha Centauri aus und niemand hat Einspruch erhoben.

Wahrscheinlich hatte er ein zu großes Vertrauen darauf, dass die Staatsanwaltschaft unter einem fairen Verfahren das Selbst versteht wie er. Aber das ist reine Spekulation.

Ich bin überrascht, dass bei Auslieferung (deutscher) Staatsbürger keine Freigabe durch das Bundes-Justizministerium o.ä. erfolgen muss. Damit sind ja gelegentlich auch außenpolitische Themen verknüpft. (Das Ministerium sollte kein echtes Veto haben, aber z.B. eine letzinstantliche Prüfung durch das BVerfG verlangen können.)

2 „Gefällt mir“

Heute kam eine Folge des öffentlich-rechtlichen Podcasts „Die Justizreporter*innen“ zu dem Thema raus:

Dort wird der Fall sehr schön dargestellt und die vielen Fragezeichen bleiben. Der Anwalt von Maja sagt, er habe die Verfassungsbeschwerde angekündigt, die Staatsanwaltschaft behauptet, das sei nicht geschehen. In einem Fall dieser Eingriffsintensitivität würde ich schon sagen, dass die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, im Zweifel beim Anwalt der betroffenen Person nachzufragen.

Die Staatsanwaltschaft hat hier in jedem Fall den Eindruck erweckt, besonders scharf nach links zu schießen - ich würde auch bezweifeln, dass bei einem rechtsextremen Täter ähnlich schnell verfahren wäre. Letztlich werden wir die Aufklärung im Justizausschuss abwarten müssen.

Das ist ein wenig das Problem in der EU - wir vertrauen grundsätzlich darauf, dass es in der EU einen hinreichenden rechtstaatlichen Standard gibt, daher erkennen wir Rechtakte aus anderen EU-Staaten ohne Überprüfung an. Eine Auslieferung deutscher Staatsbürger an Drittstaaten (also außerhalb der EU) käme tatsächlich nicht in Frage.

Siehe dazu Art. 16 Abs. 2 GG:

Solche Abkommen existieren leider auch mit Ungarn, die Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze wurde dann noch mal über spezifische Zusagen (z.B. keine Benachteiligung von LGBTQ-Personen) sichergestellt. Das Problem ist daher nicht die Auslieferung an sich, sondern, dass man die Überprüfung der Zulässigkeit der Abschiebung nicht abgewartet hat. Und das hätte man tun müssen - auch wenn eine Verfassungsbeschwerde de jure keine aufschiebende Wirkung hat. Einfach, weil sonst der Rechtsschutz - wie in diesem Fall geschehen - völlig unterlaufen wird. Eine aufschiebende Wirkung ergibt sich daher aus den Umständen.

2 „Gefällt mir“

Mal ein Vergleich. Vor einiger Zeit wurde eine Tramperin von einem LKW Fahrer ermordet. Der Tatverdächtige wurde dann in Spanien (glaub ich) festgenommen. Nun könnte es in Spanien die Debatte gegeben haben, ob es verantwortbar ist, in nach Deutschland zu überstellen. Wo Gerichte nicht ganz so blind in der Rechtssprechung sind, wie sie sollten (wurde auch hier im Forum diskutiert). Wie stellt es sich für unser Rechtsempfinden dar, wenn ein Verfahren nicht durchgeführt werden kann, weil ein EU Staat sagt, wir vertrauen euch nicht. ?

Ich verstehe nicht ganz, worauf du mit dem Vergleich hinaus willst.

Deutschland hat nicht den internationalen Ruf, nicht hinreichend oder besonders hart gegen Mörder vorzugehen. Hier gäbe es einfach keine Grundlage für einen Zweifel am rechtsstaatlichen Verfahren. Dass es diese Zweifel in Bezug auf Ungarn gibt und diese auch ihre Berechtigung haben zeigen die unzähligen Vertragsverletzungsverfahren innerhalb der EU, bis hin zur temporären Sperrung von EU-Geldern wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit.

Dazu kommt: Deutschland darf aktuell gar keine europäischen Strafbefehle ausstellen, gerade weil die deutsche Staatsanwaltschaft nicht unabhängig genug ist:

Daher: Wir sind tatsächlich in so einer Situation - die anderen EU-Staaten sagen quasi, dass unsere Strafjustiz im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften nicht den europäischen Standards entspricht und man uns deshalb nicht das Recht zugesteht, überhaupt einen europäischen Haftbefehl zu erlassen, der Voraussetzung für eine Auslieferung wäre.

Dazu kommt, dass in dem von dir konkret genannten Fall der Tatverdächtige kein Spanier, sondern Marokkaner ist, Spanien daher keinen eigenen Staatsbürger ausliefern musste, sondern einen fremden Staatsbürger - das ist noch mal eine ganz andere Sache (und wäre es auch in Deutschland, siehe den oben verlinkten Art. 16 Abs. 2 GG, der ein Deutschen-Grundrecht ist und für Marokkaner nicht anwendbar wäre).

Also ich sehe wirklich keine Parallelen zwischen den Fällen, die einen sinnvollen Vergleich zulassen würden, weil die Fälle sich in allen relevanten Punkten unterscheiden und deine Konklusion unabhängig von dem Fall tatsächlich vorliegt, weil wir leider keine hinreichend unabhängigen Staatsanwaltschaften haben. Und daran sind einzig wir Schuld, ebenso wie einzig Ungarn daran Schuld ist, dass es erhebliche Zweifel am dortigen Rechtsstaat gibt.

4 „Gefällt mir“

Erschütternd, dass das seit fünf Jahren einfach so hingenommen wird und trotz mehrmaliger Anläufe der §147GVG nicht geändert wurde. Und auch nicht groß thematisiert, mir war das völlig neu

Ich geb zu, bei mir gab es eher eine intuitiven Widerstand. Themen wie dieses schwingen gern auf der „Wir sind besser als andere“-Ebene. Dass hier ein „Gauner“ auf den anderen „Gauner“ zeigt, während alle anderen die Augenbrauen hochziehen - made my day.

Es gibt eine schöne Quelle die zeigt, dass ganze Thema ist wirklich nicht schwarz/weiss:
Statistik BMJ. Da beruht die Ablehnung häufig auf gegenseitigem Misstrauen, bspw. Deutschland-Polen oder Deutschland-Ungarn. Interessant.

1 „Gefällt mir“

Ich möchte hier, zugegebenermaßen ohne alles gelesen zu haben auf die neueste Folge des Podcast „Die JustizreporterInnen“ hinweisen.

Alle Abläufe, sowie Einordnungen werden in einem der Lage ähnlichen Format vorgetragen.

1 „Gefällt mir“

Da ist es sehr lohnend, den gerade genannten Podcast anzuhören.
So waren demnach die Behörden bereits am Morgen des 27. informiert, dass die Abschiebung möglich sein wird, Majas Rechtsanwalt aber erst am Abend.
Es gab nachts noch ein Gespräch zwischen LKA, Maja und Majas Anwalt. Der Anwalt behauptet, er habe da den Eilantrag angekündigt, das LKA hingegen sagt aus, er habe angekündigt, sich beschweren zu wollen. In beiden Fällen hätte die Generalstaatsanwalt hellhörig werden müssen. Der Experte in dem podcast sagt, wenn ein Anwalt nachts sich auf den Weg macht, dann nicht, weil er sich „beschweren“ wolle. Die Ausrede mit den Störaktionen linker Gruppen lässt er auch nicht gelten. Die Auslieferung per Hubschrauber hätten sie auch am nächsten Tag oder in drei Tagen nicht verhindern können.
Es wird der Verdacht geäußert, dass ein Rechtsmittel, das den Bürgern zur Verfügung steht, gezielt ausgehebelt werden soll und das ist schlicht Rechtsbeugung.

8 „Gefällt mir“

Und wo steht geschrieben, dass die Ankündigung eines Antrages eine aufschiebende Wirkung hat? Eine Ankündigung ist unverbindlich.

1 „Gefällt mir“