Der Anfang vom Ende des Krieges in der Ukraine (?)

  • Warum sollten wir eine Rückeroberung der Krim nicht unterstützen? Wir haben die völkerrechtswidrige Annexion durch Russland aus gutem Grund nie anerkannt.

  • Was spricht gegen die Unterstützung von Forderungen nach Reparationszahlungen? Gerechtfertigt wären die doch unzweifelhaft nach diesem völkerrechtswidrige Angriffskrieg.

  • Oder gegen die Auslieferung von Kriegsverbrechern? Sollen wir nicht dem Völkerrecht Geltung verschaffen? Wozu haben wir es dann?

  • Und was gegen Auslieferung von Ukrainischen Kriegsgefangenen spricht, versteht ich überhaupt nicht.

Da muss doch ein Missverständnis vorliegen.

Zwei Gründe: 1) die Krim ist im Wesentlichen von Russen besiedelt. Ukrainisches Militär wird dort von der großen Mehrheit der Bevölkerung nicht als Befreier wahrgenommen werden. Eine Rückeroberung wird vermutlich sehr, sehr hässlich werden. Im schlimmsten Fall kommt es nach einer erfolgreichen Besetzung zu Guerillaaktionen, gefolgt von Vertreibung der russischen Bevölkerung. 2) Ich weiß nicht, zu welchen Wahnsinnstaten sich eine russische Führung genötigt sieht, wenn Russen z. B. aus Sewastopol vertrieben werden. Das war ja selbst während der Zeit der ukrainische Unabhängigkeit de facto russisches Gebiet. (Man stelle sich vor, Mexiko würde Texas zurückerobern.)

Nehmen wir an, die russische Armee ist vollumfänglich aus der Ukraine vertrieben. Wie geht es nun weiter, wenn die Ukraine noch weitergehende Kriegsziele hat (Reparation, Auslieferung von Kriegsverbrechern, Rückholung entführter Staatsbürger, etc.)? Wenn Russland diese Forderungen nicht im Gegenzug zurück Rücknahme der westlichen Sanktionen erfüllt, könnte die Ukraine zusätzlichen Druck nur durch einen Einmarsch auf russisches Staatsgebiet aufbauen? Aber wird der Westen überhaupt bereit sein, die Aufhebung von Sanktionen an die Erfüllung der oben genannten Forderungen zu knüpfen?

Es geht mir hier um Ukrainer, die auf russischer Seite tätig waren. Sprich: Ladesverräter
Viele davon werden in Russland Schutz suchen.

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Das musste ich unbedingt nochmal loswerden:

So, wie Du das jetzt framest, habe ich das nicht gesagt. Vielmehr:

Du willst doch nicht im Ernst einem in seiner Souveränität angegriffenen und als Nation von der Vernichtung bedrohtem Staat untersagen, dass es auf russischem Boden stationierte Angriffswaffen (Raketen, Flugzeuge, Panzer, …), Munitionsdepots oder sonstige Nachschublogistik anzugreifen und auszuschalten.

Man stelle sich das mal bildlich vor: Die Ukraine drängt alle Russischen Soldaten auf russischen Boden zurück und schaut dann hilflos dabei zu, wie Russland vom russischen Boden einen zerstörerischen (Terror)angriff auf zivile Ziele und Infrastruktur nach dem anderen führt und seinen Truppen auf eigenem Boden für einen neuen Artillerie- und Infanterie-Angriff formiert.

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Ich bin beileibe kein Putin-Versteher im landläufigen Sinne, aber versetzen wir uns doch mal ansatzweise in die mögliche Denkweise von Wladimir Putin.

Junger KGB-Agent der Sowjetunion, in der DDR-stationiert. Vom Großmachtgedanken des Sowjetreiches beseelt. Es kommt Gorbatschow, die Sowjetunion zerbricht, damit auch eine Illusion des jungen KGB-Agenten. Die Welt feiert ewigen Frieden, die NATO lässt sich möglicherweise zu Äußerungen hinreissen, die ein junger Putin als Verzicht auf eine Osterweiterung deutet. In den Jelzin-Jahren erlebt Putin ein Russland, das nur noch ein Schatten seiner selbst ist. Korruption, marode Wirtschaft, der Bevölkerung geht es offensichtlich schlecht.
Putin kommt in eine Machtposition, und versucht seine Vorstellung eines starken Russland im Geiste der damaligen Sowjetunion wieder zu beleben.
Er sieht aber, wie ehemalige Sowjetstaaten reihenweise der NATO beitreten. Darunter zeigt auch die Ukraine Ambitionen Richtung Demokratie, NATO und EU. Also alles ein Trend gegen ein neues russisch geprägtes Sowjetreich. 2014 dann der erste militärische Schlag gegen die Krim, möglicherweise ein Testballon. Keine Reaktion der NATO, verhaltene Proteste aus dem Westen, im Gegenteil verstärkte Handelsbeziehungen mit Europa, speziell Gas.
Alters- und gesundheutsbedingt scheint sich Putin danach mehr zu isolieren. Wer ihm da nun zuredet und mit Informationen versorgt wissen wir nicht, aber ein realistisches Bild von der Weltlage hat er offenbar nicht mehr, als er einen 3-5 tägigen Blitzkrieg gegen die Ukraine beschließt. Mit dem Ziel, eine Westbindung eines aus seiner Sicht russisch-zugehörigen Staates zu verhindern.
Der Plan misslingt, doch Putin scheint in seiner eigenen Wahrnehmung gefangen, und bastelt sich seine eigene Welt.
Problem einerseits ist, das man da mit Diplomatie kaum auf einen gemeinsamen Nenner kommt, zudem lässt sich schlecht einschätzen, wie weit Putin in seiner Weltsicht bereit ist zu gehen, ab wann wähnt er sich in einer direkten Konfrontation mit dem Westen und der NATO? Reichen Waffenlieferungen? Ein Angriff der Ukraine auf die Krim? Wo ist wirklich seine „rote Linie“?.

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Eine Konstante bleibt jedenfalls, dass die jeweils feindlichen Anführer vom Westen gerne irgendwie als blöd, irrational, senil, psychisch krank o.ä. dargestellt werden. Auf der einen Seite beweist man damit dann natürlich die Überlegenheit des eigenen Systems, das selbstverständlich nur rationale, abwägende, vernünftige Typen in Machtpositionen bringt, *hüstel*, und auf der anderen Seite ist dadurch die Bedrohung natürlich noch viel bedrohlicher, denn die anderen sind es ja, die jederzeit nur einen psychotischen Schub davon entfernt sind, den roten Knopf zu drücken und einen erweiterten Suizid mit Milliarden Opfern zu veranstalten.

Man sollte mal überlegen, ob das nicht alles ziemlicher Quark ist. Putins sicherlich komplett falsche Einschätzung der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine, die ihn zu diesem Krieg verleitet hat, wurde doch auch von den „Experten“ im Westen weithin geteilt, und wird es ja auch in Deutschland zum Teil immer noch, von irgendwelchen Ex-Generälen o.ä., die damit durch die Talkshows tingeln.

Solche Fehleinschätzungen passieren aber auch im Westen, wenn man bspw. (zu Recht) annimmt, im Irak oder Afghanistan in wenigen Wochen einen Regime Change erzwingen zu können, aber dann davon ausgeht, ohne größere Konflikte innerhalb weniger Jahre dort westliche Satelliten-Gesellschaften hochziehen zu können.

Dass Putin diesen Krieg vom Zaun gebrochen hat, liegt jedenfalls nicht daran, dass er irgendwie durchgeknallt ist, sondern an einem anderen Wertegerüst als der Westen es im Großen und Ganzen vertritt. Da sind zum einen die vielzitierten „demokratischen Werte“, die Putin als schwach betrachtet, während für ihn (insbes. militärische, gewalttätige) „Stärke“ ein wesentlicher intrinsischer Wert ist, was man im Westen wiederum überwiegend als Mittel zum Zweck, aber nicht als wünschenswerte dominante Eigenschaft in der Weltpolitik ansieht. Wenn man ehrlich ist, stehen da aber einige westliche Gesellschaften gar nicht mehr so eindeutig dahinter, und ob Leute wie Orban, Erdogan, Trump oder die polnische PiS nun auf der Seite Russlands oder des Westens stehen, erscheint da eher zufällig historisch hergeleitet als ideologisch.

Was aber den Westen von Putins Motivation bzw. faschistischen Systemen generell absolut unterscheidet, weswegen viele hier sich auch bis zum Abend vor dem Einmarsch nicht vorstellen konnten, dass Putin wirklich ernst macht, ist dass hier wohl niemand für einen Krieg wissentlich den Zusammenbruch der eigenen und/oder der Weltwirtschaft in Kauf nehmen würde. Auf russischer Seite von Putin war das aber von vornherein eingepreist, mit der Aussicht, erst mittel- bis langfristig dann vielleicht von einer mächtigeren Stellung in der Welt zu profitieren.

Ich will die Gefahr gar nicht kleinreden, dass daraus eine gefährliche Eskalationsspirale resultieren könnte, aber das Szenario, dass Putin eines Tages aufwacht und sagt „Wisst ihr was? Scheiß drauf. Wir machen jetzt das mit dem Atomkrieg.“ halte ich doch eher für unwahrscheinlich.

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