Datenschutz vs. Pandemiebekämpfung/Innovation

Hallo Philip, hallo Ulf,

Zunächst nochmal vielen Dank für die neue Lage, gibt wie immer neue Denkanstöße.

Ich fand die letzten beiden Themenkomplexe zu Corona recht interessant, vor allem weil sie den Blick etwas weiten und nicht das übliche Maßnahmen-Klein-Klein sind.

Philip hat dabei geäußert, dass uns Daten fehlen, sowohl bezogen auf die Intensivbetten-Thematik als auch auf Pandemiebekämpfung in den Gesundheitsämtern.

Gleichzeitig macht ihr euch immer wieder für Datenschutz stark.

Dabei entsteht für mich ein gewisser Konflikt, bei dem ich gerne nach eurer Position fragen wollte. Dieses Thema lässt sich gerne weiter denken, die Pandemie dient hierbei nur als Brennglas:

Einerseits gibt es wie immer wieder dargestellt einen guten Case für starken Datenschutz. Andererseits entpuppt sich dieser in der Pandemie als Bremse (meine Frau forscht zu digitaler Geschäftsmodellentwicklung, da gibt es ähnliche Herausforderungen).
Hierbei meine ich ausdrücklich NICHT viele vorgeschobene Gründe (vgl. FAZ Einspruch 170), sondern einfach das Prinzip dass man in Deutschland immer spezifische Gründe angeben muss um Daten zu erfassen. Bezogen auf die Pandemie-Datensammlung bedeutet das, dass man im Vorhinein wissen muss welche Daten man denn braucht, anstatt zunächst die Daten zu haben und dann auszuwerten. Gleiches gilt auch für das Etablieren neuer Geschäftsmodelle. Bedeutet, dass man im Vorhinein antizipieren muss welche Fragen sich denn ergeben würden, was aus Erkenntnissicht den Horizont inhärent bereits einschränkt.

Für Maschinendaten wird dagegen bereits an Datenbankmodellen gearbeitet, die einerseits alle Daten (pseudonymisiert, für Pandemie/Gesundheitswesen/Geschäftsmodelle würde vermutlich ja auch meist anonymisiert gehen) erfassen, diese aber über Lese- und Zugriffsrechte Rollenbasiert und sicher zur Verfügung stellen. Eventuell wäre sowas auch für unsere persönlichen Daten sinnvoll.

Was ist eure Position zur Abwägung Datenschutz vs. Pandemiebekämpfung dazu? Ihr habt bereits verschiedene eingenommen, wie hat sich diese ggfs. auch durch die Pandemie geändert?

Das war tatsächlich schon mal Thema, ich meine es war in LdN234.

Ich hätte aber nichts dagegen, das noch mal ausführlicher zu hören.

Da soll mir doch mal jemand erklären wieso hier das Thema Datenschutz überhaupt eine Rolle spielen soll. Anzahl an belegten/freien Betten wird sicherlich nicht am Datenschutz scheitern.

Jedoch führen Sie direkt im Eingangsargument einen solchen an.

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Ja genau, auch dort wurde es angeschnitten im Rahmen der Corona-Warn-App und dann in der LdN 235 mit der zweiten Gruppe Apps.

Der Grundkonflikt erscheint immer wieder am Rande vieler Themen in der LdN, ich möchte die dahinter stehende Position erfragen.

Das war halt sehr bezogen auf die konkrete technische Implementierung. Meine Frage richtet sich ehr auf das politische Big-Picture, also bspw. verfolgen wir in Zukunft ehr Opt-In oder Opt-out Ansätze. Was für Weichenstellungen gibt es um vielleicht beides Ausgewogen zu berücksichtigen?

Ich ergreife doch in der Einleitung gar keine Position und das Argument von mir ist nicht auf die Intensivbettenthematik bezogen. Philip sagt selbst, dass es bei beiden Themen um das Fehlen/Vorliegen von Daten geht. Die Arbeit der Gesundheitsämter bspw. In Form der Corona-Apps und der damit verbundenen Erfassung der Pandemie-Lage sind aber definitiv getrieben vom Datenschutz persönlicher Daten (neben der Ausstattung der Ämter).

Außerdem kann man die Intensivbetten-Thematik sehr wohl auch in Richtung personenbezogene Daten denken. Wenn man bspw. die Chronologie von Patienten_innen erfassen würde, ließe sich daraus ableiten wie der typische Krankenhaus Aufenthalt bedingt durch Corona aussieht. Das wird in Einzelfällen in Studien mit Sicherheit erfasst, aber die Datengrundlage bei Default-Erfassung wäre natürlich noch eine andere. Vielleicht ist alleine das Studien-Set-Up bei sowas schon einschränkend, weil es an einem Uni-Klinikum gemacht wird und nicht in einem durchschnittlichen kommunalen Krankenhaus.

Kommt jemand direkt auf die Intensiv oder liegt er zunächst auf Normalstation? Kommt er/sie nur einmal auf die Intensiv und erholt sich danach direkt oder wird zwischen Intensivstation und Normalstation gependelt? Lässt sich daraus ein smarteres Modell für die Auslastung der Stationen ableiten?

Ok, kam bei mir anders an. Mir wird einfach zu oft das Todschlagargument „Daten fehlen weil Datenschutz sie verhindert“ benutzt, da stellen sich mir sofort die Nackenhaare hoch. Wenn man genauer hinsieht ist nämlich in den meisten Fällen nicht der Datenschutz das Problem, sondern weil sich gewisse Kreise eben generell an allen Daten bedienen wollen, ohne dass sie zielführend wären.

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Es sollte ja einen gescheiten Mittelweg geben. Hat man diesen mit der aktuellen Form wie in Deutschland die DSGVO ausgelegt wird und auch politische Diskussion zu dem Thema geführt wird erreicht?

Die Extremposition will glaube ich keiner im LdN-Forum und in diese Richtung wollte ich es auch nicht steuern.

Da gibt es bestimmt interessante Expertenmeinungen und die LdN kann bei so differenzierten Diskussionen oft neue Inputs geben, daher mein Vorschlag.

Es gibt beim Thema Datenschutz ein grundlegendes Problem, dass dem Argument „Datenschutz verhindert xy“ sehr viel Vorschub leistet:

Ich weiß nicht genau, ob ich es „Komplexität des Datenschutzes bzw. der DSGVO“ oder „Unwissenheit über den Datenschutz“ nennen soll. Das sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

Unser zentrales Datenschutz gesetzt, die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), mit dem die Regelungen der DSGVO ergänzt bzw. (v.a. im Hinblick auf Öffnungsklauseln bzw. Konkretisierungsklauseln) konkretisiert wird wird sehr oft nicht verstanden. Und anstatt sich zu informieren oder isch beraten zu lassen, gehen viele Unternehmen und v.a. Behörden lieber den bequemeren und risikolosen Weg und machen unter Verweis „auf den Datenschutz“ die Dinge kompliziert und unmöglich, die eigentlich unkompliziert und durchaus möglich wären.

Ja, die Deutschen mit ihrer Abneigung dagegen, selbst Risiken zu übernehmen und seit es das Risiko, dass ein Vorgesetzter sagt „Warum haben Sie das überhaupt erlaubt“.

Wäre also eventuell genau der Gegenteilige Mindset zielführender:
Wieso haben Sie das nicht genehmigt?

Wissen kann aufgebaut und eine Behörden/Unternehmenskultur kann geändert werden, wenn der politische Wille da ist.

Wenn das tatsächlich die Ursachen für unser Dilemma sind.

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