Das "schwierige Verhältnis" der SPD zu Russland

Im Rahmen der aktuellen Situation klingt in Berichten häufig an, dass es insbesondere für die SPD wohl besonders herausfordernd sei, sich klar gegenüber Russland zu positionieren – auch in der Lage habe ich das zuletzt in einem Nebensatz gehört. Dazu ein Beispiel aus der heutigen Zeit-Onlineausgabe:

Um die ganze Tragweite dieser Rede zu verstehen, muss man sich an dieser Stelle noch mal vergegenwärtigen, dass Scholz Sozialdemokrat ist. Mitglied der Partei also, die es über Jahre nicht geschafft hat, auf das Thema Russland eine Antwort zu geben, in der nicht Willy Brandt vorkommt. Das war mindestens Arbeits-, wahrscheinlich eher Realitätsverweigerung. Jetzt sagt Scholz: „Präsident Putin sollte unsere Entschlossenheit nicht unterschätzen, gemeinsam mit unseren Alliierten jeden Quadratmeter des Bündnisgebiets zu verteidigen.“

Leider wird selten darauf eingegangen, woher diese Einschätzung kommt. Anscheinend fehlt mir da als Kind der 90er Erfahrung und/oder Hintergrundwissen. :slight_smile: Vielleicht geht es anderen Hörer:innen ja ähnlich – daher fände ich es spannend, wenn ihr (vielleicht wenn die Breaking News vorbei sind) einmal Fragen beleuchtet wie:

  • Was genau wirft man der SPD hier vor?
  • Gibt es einen konkreten geschichtlichen Hintergrund dieser Vorwürfe, oder geht es hier um die allgemeine Positionierung der SPD im politischen Spektrum?
  • Sind die Vorbehalte (noch) berechtigt, oder handelt es sich um Klischees? Wenn ja, an welchen konkreten Fällen oder Personen kann man dies festmachen?
  • Welche Rolle spielen Sie im aktuellen Konflikt?

Sollten das Thema in einer früheren Lage-Folge schon einmal behandelt worden sein, würde ich mich ebenfalls über einen Hinweis freuen.

Ich hab mal ein paar Analysen & Artikel rausgesucht, die deine Fragen vllt zum Teil beantworten können.

Naheliegend ist der Gedanke, der sich als Rosneft-Aufsichtsrat verdingende und mit Wladimir Putin kumpelnde Altkanzler präge die Russland-Perspektive der Partei mit. Tatsächlich ist der frühe Förderer des neuen SPD-Vorsitzenden Klingbeil nur die bekannteste Figur in einem ganzen Ensemble an Sozialdemokraten, die aus unterschiedlichen Motivationen für ein gutes Verhältnis zu Russland auch mal beide Augen zuzudrücken bereit sind.

Die Positionen changieren verlässlich zwischen dem Wunsch, einerseits Präsident Wladimir Putin klare Grenzen aufzuzeigen und andererseits Verständnis für Moskau aufzubringen und ohne andauernde Drohgebärden zu Lösungen zu kommen. […] „Wir müssen davon wegkommen, all jene, die für ein gutes Verhältnis zu Russland sind, mit Putin-Verstehern gleichzusetzen.“

Ein immer noch großer Teil der heutigen SPD-Mitglieder ist unter dem Eindruck der Friedenspolitik von Willy Brandt in die Partei eingetreten. […] Das ist die Grundlage, auf der sich […] ganz verschiedene Motivationen für enge Beziehungen zur Russland entwickelt haben. Dazu gehörten stets Geschäftsinteressen, die immer schon mit sibirischem Erdgas, dessen Förderung und Transport zu tun hatten. In den 1970er-Jahren, als Brandt und Helmut Schmidt Kanzler waren, schlossen westdeutsche Konzerne wie Mannesmann, Thyssen und Ruhrgas Milliardenverträge mit der Sowjetunion über den Bau von Pipelines, den Moskau mit Erdgaslieferungen bezahlte.

Da sind die eher konservativen russlandkritischen Hardliner: […] Sie verlangen Klartext. […] Putin habe doch nicht in erster Linie Angst vor NATO-Soldaten. Er habe Angst vor der Kraft von Freiheit und Demokratie.
Da ist als nächstes das Lager der Altstrategen: […] Russland einbinden in eine neue europäische Sicherheitsarchitektur, das die NATO langfristig ersetze, ist das Credo der Entspannungspolitiker alter Schule, dem nicht wenige in der SPD anhängen.
Da ist als dritte - mit den Wirtschaftsinteressen des eigenen Bundeslandes im Rücken, die mächtige Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Sie will die Gaspipeline, will das Geschäft, gründete zuletzt sogar gemeinsam mit Gazprom-Millionen eine sogenannte Klimastiftung, die ein eigenes Schiff charterte, um die Pipeline fertigbauen zu helfen.
Und da sind die freien Radikalen. Altkanzler Schröder und Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel, die vom Rand Steine ins Wasser werfen und schauen, was für Kreise das zieht.

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Vielen Dank für die Mühen! Die führe ich mir gern einmal zu Gemüte.

In dem Zuge könnte man auch erörtern ab wann Sanktionen gegen den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, der ja mit mehreren Aktivitäten in Staatsnahe russische Konzerne eingebunden ist, notwendig und möglich wären.