Coronastufenplan

Liebe Lage,

ich fand es gut, dass ihr probiert habt, einen Schritt zurück zu treten und mal wieder ein bisschen das bigger picture einzuordnen. Der Bericht über den jetzt beschlossenen Stufenplan reiht sich ein in die Betrachtungen der letzten Wochen, aber mir haben ein, zwei Aspekte gefehlt. Auch finde ich die starke Fundamentalopposition, die ihr übt, nicht gerechtfertigt und habe das Gefühl, dass sie die folgenden Punkte ignoriert:

  • Aus einer psychologischen Sicht erscheint es mir sehr sinnvoll, einen Plan zu haben. Menschen sind sehr belastbar und können sich auf enorm viele Situationen einstellen. Allerdings ist Ungewissheit sehr quälend für viele. Ein Stufenplan mit klar definierten Öffnungs- und Einschränkungsbedingungen und dann abgestuften Maßnahmen hilft hier eindeutig, sich zurecht zu finden. Auch die von euch sehr positiv gesehen Initiativen wie 0Covid und co sind nichts anderes als Stufenpläne. (Bei Bedingung X passiert Y.)
  • Insbesondere ein Einschränkungen lassen sich so deutlich schneller einführen. Es wurde bereits darüber diskutiert, wann sie kommen sollen, und wie sie aussehen. Das hilft dabei, schneller zu reagieren. Eine Forderung, die ihr regelmäßig vortragt.
  • Es werden geistige Kapazitäten frei, wenn der Stufenplan eingeführt wurde. Es ist keine tägliche detaillierte Beschäftigung mit politischen Details mehr notwendig. Das betrifft Politik, die sich wieder um andere Probleme kümmern kann (Klimakrise, Mieten, Digitalisierung, you name it), sondern auch in der Gesellschaft.

Ich lebe in Spanien und habe deshalb einen anderen Blick auf Deutschland und erlebe die Situation nicht aktiv. Vielleicht ist meine Perspektive zu naiv.
Es gibt sicher einen Jojo-effekt. Allerdings wackelt dieses Jojo sehr langsam. Es ist kein „ein Tag auf, ein Tag zu“. Es sind mehrere Wochen oder sogar wenige Monate. Dies kann psychologisch helfen, für 1 Monat erlaubt zu bekommen, Menschen zu besuchen, weil in diesem Moment das Risiko geringer ist.
In Spanien gibt es diesen Stufenplan seit Ostern letzten Jahres. Zwischenzeitlich wurden Regelungen angepasst und verändert, aber das Prinzip ist etabliert und wird eingehalten. Die politische Diskussion beschränkt sich nicht nur auf Corona, es gibt kein relevantes Problem mit Wissenschaftsfeindlichkeit von covidioten. Die Wirtschaftsstruktur Spaniens ist sehr auf Gastronomie und Hotels ausgelegt, deswegen gibt es hier extrem weitreichende Öffnungen und hohe Fallzahlen. Das ist sicher kritisch zu sehen.

Über die konkreten Maßnahmen bei welchen Inzidenzen sollte sicher einmal diskutiert werden. Aber doch bitte einmal, und nicht im März 2020, im Juni, im August, im Dezember, im Januar 2021, im Februar, im April, … Wenn die Situationen sich so sehr gleichen. Ende des rant

1 „Gefällt mir“