Corona und Kinder

Ihr benennt klar, wie wichtig es ist Kinder in Schule (beim Homeschooling) zu unterstützen, damit hier insbesondere Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern nicht benachteiligt sind. Das finde ich super.
Schwierig ist nur, dass ihr die Probleme und Schicksale von Kindern und Jugendlichen durch Corona darauf reduziert.
Eine Vielzahl an Forschungsliteratur zeigt die unbedingte Notwendigkeit auf, dass Kinder und Jugendlichen Kontakte zu anderen Kindern in ihrem Alter haben und Kita, Schule und andere Bildungsinstitutionen nicht nur aus Zwecken der Bildung besuchen, sondere um dringend notwendige Entwicklungs- und Sozialisationsaufgaben bewältigen können - die eben nicht nur in Familie und Onlineveranstaltungen stattfinden - egal wie erfolgreich das passiert. Familie kann dies nicht ersetzen.
Ohne diese elementaren Sozialisationsinstanzen ist eine erfolgreiche Persönlichkeitsentwicklung stark beeinträchtigt bis unmöglich. Kinder leiden unter Corona und das meisten still und leise - ohne, dass uns die weitreichenden Konsequenzen jetzt bewusst sind.

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Das hat mich auch zunehmend gestört in den letzten Lagen - Homeschooling und Digitalisierung als Lösung für geschlossene Schulen und Kindergärten. Das mag (oder würde) funktionieren ab einem bestimmten Alter, aber wenn ich bei mir selber sehe, wieviel mühsamer es ist, den Arbeitsalltag im Homeoffice zu organisieren und konzentriert zu arbeiten, würde ich das Mindestalter für Homeschooling recht hoch ansetzen, wahrscheinlich so ungefähr ab der Oberstufe, aber keinesfalls unterhalb der Mittelstufe. Sechs- bis 12jährige per Fernunterricht zu unterrichten, ist allenfalls eine Krücke und keinesfalls eine Dauerlösung, auch bei guter Ausstattung, motivierten Lehrern etc. Wenn ich dann von euch höre, das soll das ganze Jahr so bleiben, läuft es mir kalt den Rücken runter. Und Kindergartenkinder, die seit Monaten statt mit Gleichaltrigen nur noch mit ihren Eltern Kontakt haben, werden an dieser Stelle von euch immer völlig fallen gelassen, die kommen nur in der „Überschrift“ vor („Öffnungvon Kindergärten und Schulen?“). Hier wünsche ich mir eine differenziertere Sichtweise.

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Leider hat „Familie“ und insbesondere die Kinder keine wirkmächtige Lobby - hier versagt u.a. die Familienministerin schon seit Pandemiebeginn. Die Kultusministerien scheinen sich mit Maßnahmen auch eher auf die reine Lehre zu fokussieren und lassen die zwischenmenschlichen Bedürfnisse wie beschrieben links liegen.

Da hilft auch kein extra Geld (mit Geld kann eben nicht jedes Problem gelöst werden). Das fügt sich eigentlich gut in den gesamten Komplex Familie: Man wünscht sich auf Regierungsseite zwar viele Kinder (Rente etc.), hat als Lösung aber häufig nur monetäre Anreize, die auch oft nichts bringen.

Mal schauen, ob es eine Art Corona-Knick geben wird…

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Ich höre bzw lese in letzter Zeit sehr häufig, dass die Kinder in der Pandemie „vergessen würden“ und Homeschooling keine Dauerlösung sein könne. Ich verstehe, dass gerade Eltern und Kinder an und über ihre Grenzen kommen - auch weil ich selbst ein Kleinkind habe, das bisher kaum eine Bindung zu Leuten außerhalb unseres Haushalts aufbauen konnte.

Ich frage mich allerdings, was denn die Alternative sein soll? Offene Schulen und Kitas ohne Rücksicht auf Verluste können aus meiner Perspektive genausowenig die Lösung sein. Dass Schulen und Kitas als erstes nach diesem Lockdown geöffnet werden müssen ist ja mittlerweile (sogar) bei den verantwortlichen Politikern Konsens. Was soll in der Zwischenzeit bzw bei einem weiteren Lockdown anders gemacht werden? Solange es keine Alternativvorschläge gibt, finde ich die Diskussion hierum mittlerweile müßig, einfach weil sich so ziemlich alle, die ich hierzu höre/lese einig zu sein scheinen.

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Ich bin voll bei dir, hätte aber tatsächlich eine kleine Alternative anzubieten, die, wie ich es wahrnehme, nicht von der Politik forciert wird, obwohl sie in Baden-Württemberg zumindest ausdrücklicher Teil der Corona-Verordnung ist:

Man könnte Eltern mit ganz viel Ansprache und Werbung sagen, dass sich jede Familie EINE Kontaktfamilie suchen soll, mit der sich getroffen wird.
Manche Familien machen das, aber vielleicht braucht es wirklich etwas Unterstützung, etwa von den Schulen und Betreuungseinrichtungen für Familien, die das eigenverantwortlich nicht auf die Reihe kriegen. Die Unterstützung könnte schon darin bestehen, passende Partnerfamilien vorzuschlagen.
Wir haben zum Beispiel erst gestern erfahren, dass es noch 2 andere (von 15) Kindern gibt, die wie unser Kind nicht in den Kindergarten gehen und fragen da vielleicht mal nach, ob man sich die Betreuung teilen will.

Infektionstechnisch dürfte das deutlich besser als ein offener Kindergarten sein und für die soziale Entwicklung besser als nur zu Hause zu bleiben.

Zum Rest des Threads hab ich auch noch was:

Das ist so natürlich richtig, aber es gibt da durchaus verschieden gute Krücken. Eine Freundin der Familie ist etwa Grundschullehrerin und nach allem, was ich da sehe, klappt das hervorragend mit ihrer dritten Klasse.
Unser Kindergarten bietet online-Vorschule an und auch das klappt ziemlich gut.

Die beiden Anekdoten sollen jetzt nicht bedeuten, dass wir nie wieder Schulen mit Präsenz brauchen, nur nahelegen, dass man mit guten Lehrer*innen und guter Ausstattung auch durchaus eine gewisse Zeit überbrücken kann.

Es gibt eigentlich genug Alternativvorschläge, z.B. wöchentlicher Wechsel im Präsenzunterricht, also halbe Klassen mit genug Abstand, wobei die zweite Gruppe per Videochat teilnimmt.
So wie es jetzt ist, schicken Eltern, die keine andere Möglichkeit sehen, oder asoziale Eltern, die sich auf Kosten anderer nicht am homeschooling beteiligen wollen, Ihre Kinder in die „Notbetreuung“, während andere sich die Arbeit und den Stress zu Hause antun. Bei der derzeitigen Ausführung geht es also auch noch um ein Gerechtigkeitsproblem.

Und ich frage mich, wenn es darum geht, was dann das Thema rund um die Büros soll.
Kinderschutz ist nun mal gleichzeitig Gesundheitsschutz.
Ich bin im öffentlichen Nah- und Fernverkehr tätig und was zur Zeit dennoch an Personen in den Zügen unterwegs ist, ist im Grunde so wie vor der Pandemie. Züge sind teilweise brechend voll, es kontrolliert aber keiner, wohin jeder so dringend muss.
Es ist einfach absurd, Kinder sind neben den Menschen die Gesundheitlich unter Corona leiden, die verlierer. Auch wenn einem nicht bewusst ist, was für Folgen das hat, der weiß einfach nur nicht genug darüber, wie sehr Dinge in der kindlichen Entwicklung auf die Psyche schlagen für die späteren Lebensabschnitte.

Kitas und Schulen sind geschlossen, Büros und Fern/Nahverkehre sind voll, Ausgangssperre in Bayern, auf dem Papier vorhanden - ich kann euch sagen, was ich alles da einsammel sind keine Arbeitstätigen Pfleger ö.ä.

Der eigentliche Witz in der Frage Corona und Kinder ist ja, dass sie bei der Pandemie selbst schon völlig ausgeblendet werden.

Heute in der TAZ:

Dazu kommt zumindest hier in Schweden, dass Kinder unter 6 Jahren nicht getestet werden.

Auch was man so aus Deutschland mitbekommt, versucht man Kindergärten und Schulen möglichst aus der Pandemie Betrachtung herauszuhalten, weil ja COVID angeblich nur für ältere Menschen gefährlich ist.

Auch dazu ein Einzelbeispiel aus Brasilien:

Man sollte also eigentlich die Forderung aufstellen in diesem Bereich deutlich ehrlicher zu werden, dann kann man auf diesen Erkenntnissen auch Konzepte entwickeln.

Grundlegend aufgrund von mangelnden Erkenntnissen würde ich ja auf das Blasenmodell setzen, als Gruppenbetreuung ja, aber in geschlossenen Gruppen mit festgeschriebenen Mitgliedern.

Diese Konzept wird von einigen schwedischen Kommunen gefahren, was dann zumindest die Ausbreitung verringert, wenn es denn passiert.

Bei den ganzen Diskussionen geht es immer nur um Einrichtungen. Den größten sozialen Kontakt mit gleichaltrigen hatte ich (BJ65) Nachmittags beim spielen. Dieses Thema scheint es heute in unserer Zeit überhaupt nicht mehr zu geben.

Heute bei den Nachrichten von ARTE haben sie von dieser Initiative erzählt. Wenn ihr Kinder und Jugendliche kennt die dringend Unterstützung brauchen, ihr könnt das Info weiterleiten. Durch diesen App können sie sich direkt mit einem Psychologen verbinden. Es ist kostenlos:
https://krisenchat.de/

Nunja, es ist zwar eine Floskel, aber so ist das nun mal: Man kann nicht von sich selbst auf andere schließen. Deine Umstände/Umfeld in deiner Kindheit sind mit Sicherheit nicht auf die Mehrheit anzuwenden. Ich nehme auch an, dass Eltern in Speckgürteln oder ländlicheren Gegenden etwas mehr Raum haben, dass sich Kids mit anderen Kids treffen, ohne, dass es groß wird. Auch trifft deine Ansicht nicht auf Kitas zu. Welches Kind im Kita-Alter trifft sich mit Kindern draußen „auf der Straße“ alleine?
Wir reden hier ja nicht ausschließlich von Kindern in einem „Kann alleine rausgehen“ und „nicht Innenstadt“ Umfeld. Dort sind aber die meisten Kinder nun mal. Auch fällt die klasssiche Familienkonstellation ala „Mann geht Arbeiten, Frau hütet die Kinder“ nicht mehr so sehr, wie es vor 50 Jahren evtl. noch war. Und Schlussendlich ist das ein ganz schlechter Vergleich - denn du kannst nicht wissen, wie sich damals das Umfeld verändert hätte mit dem heutigen Ausmaß der Pandemie. Evtl. wärst du ebenso mit wenig Kontakt zur Außenwelt unterwegs gewesen.

Ich wollte damit Ausdrücken dass die Isolation und Vereinsamung bei Kindern und Jugendlichen sich nicht nur auf die Einrichtungen bezieht.

Ich weiß nicht wie es bei ihnen und ihren Kindern ist, aber ein wichtiger Teil des sozialen Umgangs mit gleichaltrigen findet halt nun mal in der Freizeit statt und das fehlt halt in der jetzigen Diskussion komplett. Zudem sind die Aktivitäten wie Sport, Musik usw. auch geschlossen.

Ich sehe was der fehlende Kontakt mit gleichgesinnten mit mir/uns macht und ich glaube dass es für Kinder/Jugendliche nicht unbedingt einfacher ist.

Einzelbeispiele (seltener Zufall, eine besondere Präposition etc.) wie oben eignen sich nicht unbedingt für eine solche Diskussion, da braucht man schon größer angelegte Fallstudien, um Aussagen treffen zu können.

Zumindest fehlt mir bei der Lösungssuche in D die Kreativität. So sind bei uns z.B. seit Beginn der Pandemie sämtliche Hörsääle an der Universität leer. Ähnliches gilt für viele Veranstaltungsorte. Ich habe bisher aber noch nirgends gehört, dass man solche Kapazitäten genutzt hätte, um die Konzentration von vielen Menschen an Schulen zu entzerren. Auch individuelle Lösungen (teil der Schüler in den Klassen, anderer Teil zu Hause; nicht einfach Wechselbetrieb sondern je nach Bedarf) sind ja vielerorts eher auf Widerstand gestoßen.

Dani, vielen Dank für dieses Thema. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass das Thema „Kinderbetreuung / Schule“ unterschätzt wird, gerade hinsichtlich der indirekten Effekte auf die Wirtschaft und die Gesamtstimmung der Bevölkerung.

Problematisch finde ich Argumentationen, wonach die aktuellen Verhältnisse (Homeschooling, Kitaschließungen, etc.) schlechter seien als die normale Betreuung - das finde ich müßig, denn dieser Meinung sind wir doch alle. Niemand behauptet, dass Homeschooling grundsätzlich besser sei als Präsenzunterricht, es ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen Beschulung und Infektionsschutz.

Direkte COVID-19-Folgen für Kinder:
Ich bin heilfroh, dass SARS-CoV-2 für Kinder vermutlich weniger gefährlich ist als für Ältere. Schwere COVID-19-Verläufe bei Kindern sind weiterhin eine Seltenheit. Es gibt Hinweise auf Folgeerkrankungen; so sammelt die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie z.B. aktuell Daten zum Auftreten von PIMS (PIMS Erfassung: Aktualisierung der Zahlen aus Deutschland, Oktober 2020 » DGPI: Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie).

Die von Natter angesprochene fehlende Kreativität sehe ich auch. Einige Vorschläge von mir wären:

  • Blasenbildung halte ich für eine grundsätzlich sinnvolle Option, im Idealfall die Schule und die Freizeit betrefend. Die praktische Umsetzung ist sicherlich schwierig.
  • Tests in den Einrichtungen, um stille Durchseuchungen zu erkennen.
  • Sobald altersmäßig FFP2-Masken durchgehend korrekt genutzt werden können, ist im Grunde modifizierter Präsenzunterricht möglich. Spätestens für Oberstufe / Universitäten sehe ich das als echte Option an.
  • Weshalb kann bei Unterricht und Betreuung nicht z.B. auch die Bundeswehr oder das THW helfen (Zelte / Container, Belüftungsanlagen, etc.)?