Corona und die Schulen - der Sinn von Schulschließungen

Lieber Philip, lieber Ulf,
ich habe mir gerade die Lage vom 11.12.2020 angehört und wollte etwas zum Thema Schulschließungen loswerden.
Ich gehe selber noch zur Schule (13. Klasse) und obwohl die Fallzahlen hier in meiner Heimatstadt im Vergleich niedrig sind, mache ich mir Sorgen um die Rolle der Schulen bei der Verbreitung der Pandemie. Ich denke hierbei nicht vor allem an die Ansteckungen in der Schule selbst, obwohl es diese ja auch gibt, sondern habe vor allem die Befürchtung, dass dadurch, dass Schüler*innen im Großen und Ganzen ihren normalen, alltäglichen Beschäftigungen nachgehen, der Ernst der Lage nicht so klar ist, wie er sein könnte. Im Frühjahr etwa war allen klar, dass private Treffen nicht stattfinden sollten und man mit solchen nicht nur sich, sondern auch seine Freunde und Verwandten gefährdet. Im Moment höre ich aber immer wieder das Argument, dass wir in der Schule ja eh dicht an dicht säßen und ein privates Treffen dann ja auch keinen Unterschied mehr mache. Ich selbst habe mich auch schon bei diesem Gedanken erwischt und musste mir dann klar machen, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob man 90 Minuten mit Maske neben jemandem sitzt oder mehrere Stunden ohne. Außerdem haben Freunde und die eingene Familie bei privaten Treffen ja häufig Kontakt und eine Ansteckung über mehrere Ecken ist natülich unwahrscheinlicher als bei direktem Aufeinandertreffen.
Ich sehe das Problem bei den Schulen also unter anderem im Anschein von Normalität, den diese vermitteln. Was denkt ihr dazu?
Liebe Grüße, Clara

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Etwa 30% unserer Schüler gehen von Montag an in den Heimunterricht, die jüngeren Jahrgänge liegen eher unter dem Wert, die älteren drüber. Insgesamt ist das eine Größe, die genau gar nichts bringt. Die nötigen Abstände können im Präsenzunterricht immer noch nicht eingehalten werden (zu viele Schüler anwesend), gleichzeitig kann man aber nicht mehr im normalen Unterrichtstempo weitermachen (zu viele Schüler im Distanzlernen). Alle Stunden müssen sowohl als Präsenz- als auch als Distanzversion geplant werden - doppelt so viel Arbeit, mit der man am Ende deutlich weniger erreicht.

Hallo,
Habe gestern die LdN 219 gehört und ihr sagtet an einer Stelle, dass seit dem Sommer sicherlich viel versäumt wurde (gebe ich recht) zb. die Digitalisierung an den Schulen (kann ich nicht bestätigen).
Als Lehrerin kann ich dazu sagen, die meisten Schulen die ich kenne haben sich sehr bemüht. Überall wurden sehr schnell Konzepte ausgearbeitet für den Fall eines weiteren Lockdowns, einheitliche Regelungen wie das Homeschooling an der jeweiligen Schule dann zu handhaben sein soll. An meiner Schule beispielsweise wurden in aufwendigen Prozessen mit allen Schülerinnen einzeln sowie mit den Eltern und Erziehungsberechtigten haarklein die Erreichbarkeiten, die Möglichkeiten der Mediennutzung usw. durchgesprochen und protokolliert. Jeder Schüler*in hat in 1:1 Betreuung mit der Klassenlehrkraft nochmals die Lernplattform (die wir an der Schule sowieso seit Jahren haben, für Mails, Dokumente, Chat, Videochat usw.) durchgesprochen.
Die Schulleituing hat immer sofort auf alle Erlasse reagiert, musste ständig „springen“.

ABER

Die Politik hat an dieser Stelle versagt! Längst hätte man wieder in Szenario B wechseln sollen, als unser Bildungsminister (Tonne, Niedersachsen) noch in väterlichem Ton schrieb, drei Tage früher in die Ferien zu schicken, das könne man nicht machen. Die Ministerer haben so lange herumgeeiert, dass es natürlich auch zu Hotspots an Schulen kam. Und dann aber z.T. nicht mal adäquat reagiert werden konnte, weil den Schulleitungen untersagt war, trotz Ausbrüchen z.B. ganze Jahrgänge in Quarantäne zu schicken.

Also, die Schulen haben immer sofort umgesetzt was ihnen geboten wurde, letzteres passierte aber meistens immer erst auf den letzten Drücker, so wie jetzt die Entscheidung zum harten Lockdown.

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Hallo liebes Lageteam,

Ich möchte in Bezug auf die letzte Sendung zum Thema Corona und Schulen noch etwas ergänzen. In Baden-Württemberg wird nicht nur ernsthaft darüber diskutiert, ab nächster Woche (18.1.21) die Grundschulen und Kitas wieder zu öffnen. Nein, nein. Seit heute (11.1.) sind die soganannten SBBZ (Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentren) für KInder und Jugendlilche mit einer geistigen und/oder körperlichen Behinderung uneingeschränkt geöffnet. Ich arbeite selbst an einer Schule mit jungen Menschen mit geistiger Behinderung und bin einigermaßen fassungslos über die Entscheidung unserer Kultusministerin. Gerade die besonders vulnerablen Gruppen „ins Feuer“ zu schicken erscheint mir völlig unverantwortlich.
Und das läuft sauber unter dem Radar. Selbst Teile unserer Elternschaft konnten es nicht glauben, dass wir wieder öffnen. Ehrlicherweise waren viele Eltern davon total begeistert… Hmmm.
Ich und meine Kolleg*innen fühlen uns da schon sehr verheizt.
Ach so. Noch eins: Wir arbeiten natürlich als Ganztagessschule und dürfen dann zum gemeinsamen Mittagessen im Klassenzimmer die Masken abnehmen.
Vielleicht könntet ihr das Thema „Sonderschulen und Corona“ auch nochmal kurz als „Nachklapp“ anreissen. Es bekommt ja sonst auch niemand mit, was alles so entschieden wird.

Im Anhang noch ein Link zu einem Artikel der GEW in Ba-Wü für Interessierte.