Hallo,
Ich habe lange gesucht, wo das sonst hinpassen könnte, aber die meisten Themen zu den Maßnahmen haben sich auf eine ganz bestimmte Maßnahme versteift.
Die NZZ hat in einem ausführlichen Artikel verschiedene Studien zusammen gefasst, bei denen es sowohl um das Risiko geht, an Corona zu versterben, als auch um die Folgen in der Gesellschaft. Der gesamte Artikel ist hier: Die Alten sind in ihrem Leben bedroht – die gesellschaftlichen Folgen tragen vor allem die Jungen | NZZ
Einige der zitierten Studienergebnisse fand ich besonders bemerkenswert:
a) Jüngere haben mehr Kontakte, v.a. aus beruflichen Gründen, deswegen treffen sie die Einschränkungen härter:
„Für Ältere kann es sehr belastend sein, sich ständig mit den Risiken einer Infektion auseinandersetzen zu müssen. Auch die Trennung von Enkeln oder abgesagte Vereinsveranstaltungen können für Kummer sorgen. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Jüngeren in ihren Freiheiten wesentlich drastischer eingeschränkt sind, da Jüngere in normalen Zeiten aus beruflichen und Ausbildungsgründen viel unterwegs sind. Ausserdem treffen sie in ihrer Freizeit wesentlich mehr Menschen als Ältere, deren Kontakte sich oft auf jahrzehntealte Beziehungen beschränken.“
b) Jüngere haben sich mehrfach proaktiv beschränkt, bevor es politisch vorgegeben war:
Ende September stiegen die Fallzahlen bereits stark, aber die Politik zögerte, neue Massnahmen einzuführen. Dennoch reduzierte die jüngste Altersgruppe ihre tägliche Distanz von Ende September bis Ende Oktober freiwillig um rund 7 Kilometer, die Senioren lediglich um 3. […] Auch die Zahl der nahen Kontakte reduzierten die 15- bis 34-Jährigen, bereits unmittelbar bevor der Bundesrat neue Massnahmen einführte, um ungefähr drei Kontakte (danach um weitere zwei Kontakte), bei den Senioren fand hingegen keine ausgeprägte Kontaktreduktion mehr statt.
c) Dies trotz einer deutlich stärkeren Betroffenheit von den psychischen Folgen. Vor Corona lag der Anteil der Schweizer Bevölkerung mit schweren depressiven Symptomen bei 3%, bis November 2020 hat er sich bei den 65+ auf 6% erhöht, „bei den 14- bis 24-Jährigen lag der Anteil bei 29 Prozent, bei den 25- bis 29-Jährigen bei 21 Prozent.“
Zu den Haupttreibern von psychischem Stress und depressiven Symptomen zählen laut den Psychologen die Belastung durch eine veränderte Situation bei der Arbeit, an der Schule oder in der Ausbildung. Weitere Faktoren seien die Belastung durch finanzielle Einbussen, die Belastung durch die Zunahme von Konflikten zu Hause sowie Zukunftsängste.
d) Trotzdem hat die Schweizer Politik keine differenzierten Maßnahmen je nach Risiko getroffen.
Sie wurden jedoch kaum umgesetzt – zu gross war wohl die Angst vieler Politiker, dass sich Senioren diskriminiert fühlen könnten. Dabei hätten ja auch besonders Schutzbedürftige davon profitiert, und man hätte eine «Win-win-Situation» mit weniger Toten und Einschränkungen realisieren können.
Insgesamt ergibt sich ein Bild, das den häufigen Vorwürfen gegenüber den ‚Millenials‘, sie würden in der Corona-Krise unsolidarisch handeln, widerspricht.
Persönlich würde ich mir wünschen, wenn besonders die psychischen Folgen der Maßnahmen nicht immer so leicht vom Tisch gewischt würden. Die Probleme eines Viertels der Bevölkerung unter 30 lächerlich zu machen (siehe die Diskussion über die Aussage von Armin Laschet zu den NachkriegsGENERATIONEN) riskiert, die noch vorhandene Solidarität weiter zu erodieren.