Ist das persönliche Erfahrung/Einschätzung oder irgendwie belegt? Meine anekdotische Erfahrung ist anders und außerdem ist nach den Auswertung von u.a. Mobiltelefondaten die Mobilität im Herbst/Winter erheblich weniger zurückgegangen ist als im Frühjahr. Heißt, dass die Compliance erheblich geringer ist. Wie groß der Teil der Bevölkerung ist, die sich uneinsichtig oder egoistisch verhalte, weiß ich nicht. Vielleicht sind es auch sehr viele, die manchmal in einem „Moment der Versuchung“ die Regeln nicht beachten, die ansonsten aber relativ diszipliniert sind.
Ich kenne den Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis zum Thema Gesetze und Compliance nicht und kann nur aus meiner eigenen Lebenserfahrung schließen: Ja, der überwiegende Teil der Gesellschaft ist so erwachsen und vernünftig ist, sich an Regeln zu halten. Allerdings gibt es eben eine Minderheit, die das nicht so sieht. Für diese (und für Momente von Disziplin-Versagen der anderen Gruppe) muss es es Verkehrskontrollen, Steuerfahnder, etc. geben. Denn wir können ja unseren Mitbürgern nicht die Entscheidung darüber überlassen, an welche Regeln sie sich zu halten gedenken und an welche nicht.
Allein sich darauf verlassen, dass sich alle Menschen an Regeln halten, die sie einsehen können, wird nicht funktionieren, denn es wird immer einen nicht unerheblichen Anteil geben, die die Regeln nicht verstehen, nicht verstehen wollen oder schlicht zu egoistisch sind. So gibt es immer wieder Menschen, die z.B. den Sinn von Steuern grundsätzlich in Frage stellen, aber ganz selbstverständlich kostenlos öffentliche Infrastruktur und Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Gerade in Pandemiezeiten halte ich es für fatal, sich auf die Vernunft und Reife zu verlassen.
Das gilt für die Mehrheit der Menschen, aber leider nicht für eine Minderheit, die aber dann doch so groß ist, dass die Mobilität in der 2. Welle signifikant höher war (s.o.). Querdenken und Covidioten kann ich nicht als erwachsen, reif und verantwortungsbewusst anerkennen - ich würde aber Kleinkinder beleidigen, wenn ich sie mit denen vergleichen würde.
Davon unbenommen stimmt es natürlich: Je besser begründet und nachvollziehbar auferlegte Regeln sind, umso mehr Menschen halten sich daran. Und je unverständlicher und/oder widersprüchlicher Regeln sind, umso mehr Menschen neigen dazu.
Ja, klar, wir brauchen auf keinen Fall eine andauernde und flächendeckende Totalkontrolle, sondern es reicht eine Stichprobenkontrolle. Aber der von Ihnen beschriebene psychologische Effekt, dass Regeln dann eingehalten werde, wenn es ein Risiko gibt, „erwischt“ zu werden, funktioniert nur, wenn das Risiko, „erwischt“ zu werden, nicht verschwindend gering ist. Das allerdings ist mein Eindruck: In wie vielen Restaurants war ich schon, bei denen die vorgeschriebenen Hygienevorschriften ganz offensichtlich und in nicht vernachlässigterem Umfang nicht eingehalten wurden! Wie viele „Corona-Parties“ habe ich in Parks gesehen! Wie viele Unternehmen und v.a. Behörden drücken sich bis heute vor dem Home-Office? Wie viele Leute tragen in Bahnhöfen, Haltestellen, etc. keine Masken oder unter der Nase)! Wie viele Menschen treffen sich mehr oder regelmäßig privat mit ständig wechselnden Kontakten! All das passiert vor allem, weil die Menschen inzwischen gute Erfahrungswerte haben, dass das Risiko, erwischt und sankioniert zu werden, gering ist. (Und nein, ich bin kein Verfechter von Kontrollen in Privatwohnungen. Aber ich kenne einige Fälle, in denen die Polizei wegen Ruhestörungen gerufen wurden und eine „Corona-Party“ vorfanden … und es bei einer Ermahnung beließen).
Daher: Kontrolle ist notwendig. Und wird mit zunehmenden „Ausnahmen“ oder „Privilegien“ immer schwieriger bis unmöglich.