Containern - Feedback: Lebensmittelrechtliche Einordnung des Haftungsarguments des BVerfG

Beim Thema Containern disqualifiziert ihr das Argument des BVerfG zum Haftungs- und Ansehensinteresse des Unternehmers zu schnell und undifferenziert:

Das Problem des Haftungsrisikos seitens der Lebensmittelunternehmer ist vor allem eines, das in der Eigenart des (doch etwas spezielleren) Lebensmittelrechts gründet (dazu gleich).

Meines Erachtens ist die BVerfG-Entscheidung daher zwar aus meiner Sicht nicht das gewünschte Ergebnis, aber strafrechtlich sauber abgewogen. Zur Lösung des Problems gleich am Ende.

Zuerst ordne ich aber die Haftungsrisiken einmal in mein Schwerpunktgebiet des Lebensmittelrechts ein:

Lebensmittelunternehmer sind für die Sicherheit ihrer Lebensmittel verantwortlich, Art. 17 I BasisVO. Wenn ein Lebensmittel nicht sicher iSv. Art 14 II BasisVO ist (was sich bei weggeworfenen Lebensmitteln gut hierunter subsumieren lässt), folgt darauf ein Verbot des Inverkehrbringens (Art. 14 I BasisVO).

Der Begriff des Inverkehrbringens ist in Art. 3 Nr. 8 BasisVO definiert:

„Inverkehrbringen“ (ist) das Bereithalten von Lebensmitteln (…) für Verkaufszwecke einschließlich des Anbietens zum Verkauf oder jeder anderen Form der Weitergabe, gleichgültig, ob unentgeltlich oder nicht, sowie den Verkauf, den Vertrieb oder andere Formen der Weitergabe selbst

Diese Definition ist sehr weit und kann durchaus das Containern erfassen („Bereithalten“ - „unentgeltlich“ - „andere Formen der Weitergabe“ ). Folge eines Verstoßes gegen die Lebensmittelsicherheit sind behördliche Maßnahmen nach Art. 137 f KontrollVO iVm. § 39 II LFGB (einschl. der Anordnung einer Rückrufaktion) sowie die bedeutend gefürchtere Information über Lebensmittel, insb. aufgrund des umstrittenen, fast schon repressiv wirkenden § 40 Ia LFGB. Dieser muss zwar verfassungskonform angewendet werden, verpflichtet die Behörde aber zur Information, wenn die Tatbestandsmerkmale vorliegen.

D.h. der Lebensmittelunternehmer hat durchaus ein Interesse daran, das Containern bei Strafe zu verhindern, um in jedem Fall solchen Maßnahmen oder gar einer ansehensschädigenden hoheitlichen Warnung aus dem Weg zu gehen.

Nun zur Lösung: Das Problem liegt in der Systematik des Lebensmittelrechts. Am Einfachsten wäre es, die (noch übergreifende) Verantwortlichkeit des Unternehmers gezielt bei Fällen des Containerns auszuschalten. Alternativ könnte man „aufgegebene“ Lebensmittel vom Begriff des Inverkehrsbringens ausnehmen - wobei hier jedoch auch noch andere lebensmittelrechtliche Schutznormen angepasst werden müssten, um den Unternehmer vor irgendeiner Haftung zu schützen.

In diesem Fall würde das Argument des BverfG bzgl. der Unternehmerhaftung nicht mehr greifen und eine Unverhältnismäßigkeit der Bestrafung des Containerns ist leichter zu begründen.

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Ich finde auch mit dem Haftungsargument wurde sowohl in der Lage als auch im FAZ - Einspruch podcast sehr grob umgegangen.
Schließlich wäre der Supermarkt in einem möglichen zivilrechtlichen Verfahren in der Situation darlegen und ggf. beweisen zu müssen, seinen Verkehrssicherungspflichten nachgekommen zu sein. Das kann halt im Zivilprozess auch mal doof laufen. Und dieses Risiko komplett abzusprechen, wäre ein bisschen anmaßend vom BVerfG. Wenn der Supermarktbetreiber also davon ausgeht, dass ein solches Risiko besteht (ob unbegründet oder nicht) dürfte das jedenfalls Grund genug für ihn sein, das Eigentum nicht aufgeben zu wollen.

Das „Ansehensargument“, auf dem ja auch ziemlich rumgehackt wurde, habe ich in dem Beschluss garnicht gelesen. Kann mir jemand die Randnummer geben?

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/08/rk20200805_2bvr198519.html;jsessionid=688005EC9D9991FBD06B0D2600DF3A39.2_cid383