China ZERO Covid | Treffen Autokraten die schlechteren Entscheidungen?

Vor dem Ukrainekrieg hatte ich teilweise den Eindruck gewonnen, dass Autokraten wie Putin (Krim-Annektion, Syrien-Krieg, Putin galt als rationaler Stratege) oder Xi Jinping (5-Jahres-Pläne, 5G, KI-Investitionen, schneller Bau von Großprojekten etc.) schneller Entscheidungen treffen können als „der Westen“ und dieser dadurch ins Hintertreffen geraten kann. Gleichzeitig haben Autokraten mehr Planungssicherheit und Durchsetzungsmacht, da es keine Opposition im demokratischen Sinne gibt.

In den letzten Monaten erkennt man immer mehr, was jedoch passiert, wenn falsche Entscheidungen getroffen wurden. Diese werden dann oft nicht wieder revidiert.

Ich fände es spannend, wenn ihr diesen Themenkomplex beleuchten könntet. Wie kann es sein, dass China z.b. ökonomisch viele rationale Entscheidungen getroffen hat, sich nun aber mit Zero Covid unfassbar zu verrennen scheint.

Noch ein paar Gedanken dazu:

  • Setzt sich Meinungs- und Ideenpluralität langfristig durch, weil „die beste Idee gewinnt?“
  • Treffen Autokraten früher oder später zwangsläufig schlechte Entscheidungen, weil sie keine Widerrede mehr erfahren?

Zu China hier noch zwei spannende Quellen:

https://www.zeit.de/kultur/2022-05/corona-china-lockdown-shanghai-null-covid

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Würde mal rein intuitiv beide Fragen mit Ja beantworten.

Ich persönlich würde immernoch ein System aus beidem relativ gut finden.

Ein gewählter Autokrat (im deutschen System der Präsident) regiert per Dekret - gibt sofort schnelle Entscheidungen
Die Regierung und das Parlament machen weiter wie bisher nur mit dem Unterschied, dass sie per Beschluss jedes Dekret des Präsi direkt annulieren können ohne das der Präsi das nochmal erlassen kann.

Dazu dem Präsi noch einen Expertenstab an die Hand und schon geht es 1. schnell und vielleicht falsch, 2. Mit einem gesicherten Korrektiv, dass die Fehlentscheidungen sauber aufgefangen werden.

Meine Antwort auf Frage 1 lautet
Ja, in einer idealen Welt setzt sich bei Meinungspluralität die beste Idee durch.

Das gilt aber nicht in einer Welt, in der systembedingt einige Interessen viel Geld hinter sich haben und es nutzen um am lautesten zu schreien. In einer Welt von Lobbyismus, Filterblasen und Micro-Targeting.

Klar, ist die Chance hier höher als in China, dass sich die beste Idee durchsetzt, aber verlassen kann man sich darauf nicht.

Uff und wenn eine rechtsextreme Partei die meisten Stimmen hat, sich aber im Parlament keine geschlossene Opposition findet, regiert diese Regierung durch.

Und es muss nichtmal so schlimm sein, aber die Dekretmacht hat dann immer nur die eine Partei, die die meisten Stimmen hat, während alle anderen untendurchfallen (In dieser Legislaturperiode SPD mit 25% der Stimmen vs. 75% Nichtrepräsentierte). Klingt für mich nach Mehrheitswahlrecht a la GB und USA und damit nach Populismusfarm.

Nein Danke.

Ich glaube, unser System ist zwar nicht perfekt, aber im internationalen Vergleich sehr gut wenn nicht das Beste

Spannende Frage. Aber deine Einschätzung ist auch teilweise durch unseren deutschen bzw. westlichen Blickwinkel beeinflusst, was ich nicht als Kritik meine. Beim ZDF gibt es eine sehr gute Zusammenfassung der Zero-Covid-Strategie und der Gründe dafür:

Die Chinesen haben demzufolge in der Tat „auf das falsche Pferd gesetzt“, aber schon vor Monaten, als sie nämlich beschlossen, die Pandemie komplett auszurotten, also Zero-Covid zu fahren. Die harten Maßnahmen jetzt sind also tatsächlich nur die logische Konsequenz daraus.

Aber zum Thema:
Die Frage, ob Autokratien besser oder schlechter als pluralistische Gesellschaftsformen sind, ist ungeheuer Komplex.

Ich hatte ebenfalls den Eindruck, dass China mit der Corona-Pandemie besser klar kommt, als andere Ländern, weil es bei seinen Maßnahmen weniger Rücksicht auf die Bevölkerung setzt.

Und ich bin von dieser Meinung auch noch nicht 100% weg, den wie oben in dem ZDF-Beitrag beschrieben, hat sich China für einen Weg entschieden und dieser ist durch die Omikron-Variante nun gescheitert, da die notwendige Eindämmung nun extrem aufwendig ist, wie wir in China ja gerade sehen. Wäre aber Omikron nicht gekommen, dann hätte Chinas Strategie ja durchaus erfolgreich sein können.

Aber diese Sicht beschreibt nur die Wirkung auf die gesamte Gesellschaft. Für den einzelnen Staatsbürger ist es natürlich generell viel besser, wenn er in einem pluralistischen und liberalen System lebt. Nicht das mich da jemand falsch versteht.

Ja könnte zum Problem werden, gehe ich voll mit.

Grundlegend wäre aber auch eine Direktwahl des Präsidenten und ich würde sogar meinen außer den Juristen sogar den Expertenstab per Direktwahl.

Dass das System perfekt wäre hab ich auch nicht behauptet, ich würde nur einen Geschwinigkeitsvorteil sehen ohne die parlamentarische Arbeit komplett abzuschaffen.

Daher auch wichtig für mich, dass Regierung/Parlament grundsätzlich über dem „Autokraten“ stehen und dieser nicht die Macht hat Dekrete gegen Regierungs-/Parlamentsbeschlüsse zu erlassen.

Aber gerade in Krisen wäre eine solch schnelle Instanz wünschenswert.

Man sollte aber natürlich auch vorher festlegen, was überhaupt per Dekret geregelt werden kann und welche Entscheidungen nicht so dringend sind und daher dem aktuellen Verlauf folgen können.

Direktwahl ist wieder Mehrheitswahlrecht ist wieder Populistenfarm. Ich denke, die Schnelligkeit haben wir mit der Richtlinienkompetenz und den Rechtsverordnungen gut bei der Bundesregierung. Beim Rest ist es denke ich ganz sinnvoll, eine seriöse Debatte im Bundestag zu haben und keine Schnellschüsse zu brauchen. Ich sehe bei sowas deutlich mehr Gefahren durch Populismus und Machtmissbrauch als Sinn für ein bisschen Geschwindigkeit (die auch wiederum nur dann etwas beingt, wenn die Entscheidungen richtig sind, was ich bei Populisten bezweifeln würde).

Zum Expertenrat: Wenn der gewählt wird, sollen Wissenschaftler dann Wahlkampf machen? Gewählt werden da doch dann auch nur Schaumschläger

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Aus deiner Beschreibung wird eigentlich sofort deutlich, wo die Vor- und Nachteile autoritäter Systeme (bspw. auch Unternehmen) liegen: Entscheidungen können schnell getroffen und umgesetzt werden. Diese Vorteile sollte man auch nicht kleinreden.

Allerdings sagen die von dir genannten Merkmale nichts über die Qualität der Entscheidung an sich aus. Und das ist der entscheidende Mangel. Autoritäre Systeme können lange gut funktionieren, wenn die getroffenen Entscheidungen eine gute Qualität haben („richtig waren“). Man könnte es klassisch mit dem Bild des „guten/benevolenten Herrschers“ beschreiben. Das ist aber natürlich stark abhängig von der Weitsicht und Arbeitsweise der Machthaber.

Es gibt einige Haken an der Sache. Es stellt sich beispielsweise die Frage, welcher Mechanismus die Qualität von Entscheidungen auf einem guten Niveau halten kann. Autoritäre Systeme sind nicht für meritokratische Prozesse bekannt, da Loyalität zur Stabilisierung des Systems (bzw. der persönlichen Machtposition) oft wichtiger ist als Expertise. Weiter entsteht schnell auch ein Erwartungsdruck seitens der Bevölkerung. Diese möchte Entscheidungen schnell getroffen sehen, was ja gerade einer der Vorteile des Autoritarismus sein sollte. Das wiederum führt aber zu weniger Zeit, um die richtige Entscheidung zu identifizieren.

Das Festhalten an schlechten Entscheidungen ist ein weiterer Aspekt den du direkt ansprichst. Machthaber in autoritären Systemen beanspruchen für sich aus unterschiedlichen Gründen oft eine Art Unfehlbarkeit. Aus dem System heraus kann damit eine Fehlentscheidung kaum mehr revidiert werden, ohne einen größeren Gesichtsverlust zu erleiden und damit die innere Stabilität des Systems infragezustellen.

Zu 1): Es fällt mir schwer einzuschätzen, ob sich Meinungs- und Ideenpluralität langfristig durchsetzen. Auf dem Papier ist ein Wettbewerb der Ideen sicher eine gute Möglichkeit, um verschiedene Handlungsoptionen zumindest zu diskutieren. Inwieweit dies ein „freier Wettbewerb“ ist, hängt sehr von gesellschaftlichen Gegebenheiten ab.

Zu 2): ja definitiv. Das ganze System ist letztlich nicht darauf ausgelegt, gute Entscheidungen zu treffen, sondern eher Stabilität zu schaffen.

Also mal ganz grundlegend: ich weiß selbst dass die Idee völlig unausgegoren ist und viel in Ausformung braucht.

Das sehe ich wiederum nicht als Problem, da ja alles was per Dekret umgesetzt wird, anschließend vom Parlament abgesegnet werden soll, oder eben kassiert und in die entgegen gesetzte Richtung.
Es geht mir mit meiner Idee darum einen Weg zu schaffen wie man am parlamentarischen System vorbei in akuten Situationen schnell eine Entscheidung treffen kann die halt erstmal gilt.
Um die Qualität dieser Entscheidung positiv zu Beeinflussen ja der Expertenrat.

Naja, nur so richtig funktionieren Brut das ja im Krisenfall auch nicht.

Natürlich die Debatte soll ja auch nicht ersetzt werden und die Beschlüsse nach der Debatte um das für und wieder sollen ja auch grundsätzlich das Dekret wieder außer Kraft setzen.

Irgend so ein hoher Pandemie Bekämpfen auf UN Ebene hatte ja gesagt: „Man kann bei der Bekämpfung einer Pandemie nur einen Fehler machen: nichts tun“ (oder so ähnlich, aus dem Gedächtnis „zitiert“)

Und für genau solche Situationen wo der größte oder einzigste Fehler gar keine Entscheidung zu treffen ist meine Idee.

Möglich, ließe sich aber dafür h eingrenzen, dass man das Ganze so aufzieht, dass man nur festlegt welche Expertise vertreten sein soll und dann die zugehörigen Fakultäten des Fachbereichs wählen.

Bei allgemeiner Direktwahl mit großem TamTam hast du natürlich Recht.

Aber ich fände es grundlegend wichtig auch dem Expertenteam eine demokratische Legitimation zu verpassen, statt einfach nur durch Berufung.

Könnte man davon ab auch für die bereits befindlichen Expertengruppen überdenken.