Cannabis und Bundeswehr

Bereitschaftszeit ist Dienstzeit, da darfst du dich auch nicht besaufen, denn wie der Name schon sagt musst du dich jederzeit bereit halten.

Wie du schon richtig sagst haben wir die gleichen Probleme auch beim Alkohol. Selbstverständlich darf der Soldat sich nicht morgens um 6 erstmal noch ne Pulle Vodka reinzwitschern, weil der Dienst ja erst um 8 beginnt. Und ebenso wie es beim Alkohol hier keine „messerscharfe“ Regel braucht, braucht’s die beim Cannabis auch nicht.

Wie verschiedene Regelungen den Praxistest bestehen ist immer die Frage. Aber klar sollte sein, dass das generelle Cannabis-Verbot für Soldaten bei gleichzeitiger Legalisierung im zivilen Bereich ebenso schwer durchzusetzen sein wird. Die Frage ist letztlich, wie man sich eine Gesellschaft idealerweise vorstellt:

a) Sollte es strikte Regelungen geben („generelles Verbot“), die in der Praxis dann oft ignoriert werden, weil bei einer konsequenten Anwendung zu viele offensichtlich sinnlose Strafen ausgesprochen werden müssten? Die Willkür liegt dann in der Auswahl der Fälle, in denen die strikte Regelung zur Anwendung kommt.

b) Oder sollten die Regeln eher weit gefasst sein, also viel Ermessen erlauben (z.B. auf die „konkrete Dienstunfähigkeit“ abzielen). Die Willkür liegt dann in der Frage, ab wann beim Konsum von Cannabis eine Dienstunfähigkeit angenommen wird. So lange es im Urin nachweisbar ist? So lange es im Blut nachweisbar ist? So lange theoretisch Flashbacks möglich sind?

Im letzten Fall kann man zumindest über konkrete Festlegung von Positiv-Tatbeständen die Willkür zumindest zum Teil ausschließen, daher bevorzuge ich diesen Weg. Gerade zu Zeiten, zu denen die Bundeswehr immer mehr über Nachwuchssorgen klagt, halte ich ein vollständiges Cannabis-Verbot für kontraproduktiv. Vor allem natürlich in den Bereichen, in denen nicht geschossen oder schweres Gerät geführt wird (IT, Verwaltung usw.). Da macht sich die Bundeswehr einfach auch wieder sehr unattraktiv als Arbeitgeber, etwas mehr Flexibilität wäre da sinnvoll.

Erstmal vielen Dank für die vielfältigen Argumente in dieser Diskussion.

Den Ansatz, die Cannabis-Legalisierung auch für die Bundeswehr als Benefit der Nachwuchsgewinnung zu sehen, finde ich zumindest, sagen wir mal, sehr kreativ.

Wir stehen hier aber wohl vor einem grundsätzlichen gesellschaftlichen Problem.
Rauschmittel wie Alkohol oder künftig dann auch Cannabis sind gesellschaftlich als „normal“ akzeptiert.
Aus meiner Sicht handelt es sich, inklusive auch Tabak, nicht um den Genuss von Substanzen, die einen positiven Effekt auf unsere Gesellschaft haben oder förderungswürdig wären.

Zwei Beispiele: meine Jüngste macht grad Praktikum auf einer Intensivstation.
Fall 1 letzte Woche: ein 13jähriger wird morgens um 10 Uhr mit Alkoholvergiftung eingeliefert.
Fall 2: ein Erwachsener wird mit 4,6 Promille (!) ins Krankenhaus zum Ausnüchtern gebracht, morgens soll er mit 2,5 Promille Restalkohol entlassen werden. Auf den Hinweis sich abholen zu lassen entgegnet er:“Warum, mein Auto steht doch in der Nähe.“

Wahrscheinlich nur krasse Ausnahmen in einer Gesellschaft, die ja grundsätzlich sehr verantwortungsvoll und gesundheitsbewusst mit diesen Substanzen umgeht. :wink:

Wenn die Bundeswehr Cannabis ausschließt, sogar per Gesetz, ist das jedem soweit bekannt. Wer den Cannabis Konsum so hoch hängt, das die Bundeswehr mit ihren Restriktionen nicht in Frage kommt, geht da halt nicht hin. Ob die Bundeswehr dadurch einen Verlust hätte, muss die Truppe beurteilen.

Es ging überhaupt nicht darum, ob es sinnvoll ist, im Dienst oder überhaupt Drogen zu nehmen.
Es geht darum, ob man eine Berufsgruppe mit so schwachen Argumenten herausgreifen darf.
Dann hat es nämlich doch Auswirkungen auf zB die Nachwuchsgewinnung , da Soldaten auch sonst mit Leib und Leben dem Staat gehören und man doch gerne nicht noch mehr Großzügig aus reiner Bequemlichkeit hätte

Mal polemisch: Unter Alkohol werden meiner Erfahrung nach Leute eher aggressiv, während Kiffer auf mich oft eher lethargisch wirkten. Im Friedensfall wäre also Cannabis geeigneter und im Krieg ggf. Alkohol.

Ernsthaft gesagt halte ich darum Alkohol für problematischer.

Absolute Zustimmung, ich habe auch ein riesiges Problem mit der Normalisierung von Alkohol, vor allem in den Medien. Gerade schauen wir „Suits“ und es ist faszinierend, dass quasi in jeder Szene Alkohol getrunken wird. Etwas schlimmes passiert: Alkohol. Etwas gutes passiert: Alkohol. Nichts passiert: Trotzdem Alkohol. Diese Darstellung in diversen Medien finde ich problematisch, genau so wie das Reden vom „Feierabendbierchen“ oder andere „Verniedlichungen“ von Drogenkonsum.

Trotzdem ist ein Verbot - auch speziell für Soldaten - eben nicht sinnvoll, weil nicht durchsetzbar. Das sieht man aktuell ja schon daran, wie normal Cannabis-Konsum trotz des Verbotes ist. Es ist quasi überall jederzeit verfügbar, trotz Verbot, dafür mit mangelnder Qualitätssicherung, Steuerhinterziehung und mit Stärkung der Kriminalität inklusive. Das funktioniert einfach nicht.

Ich bin völlig bei dir, dass wir gesellschaftlich stärker gegen Drogenkonsum vorgehen müssen. Wir müssen aber die Ambiguitätstoleranz besitzen, Alkohol/Cannabis einerseits zu erlauben, aber andererseits sehr deutlich zu machen, dass Drogenkonsum nicht der erwünschte Zustand ist - über Steuern, Werbeverbote, strikte Fahrverbote (Null Promille sollte der Standard sein!) und idealerweise auch eine krasse Reduktion der Verfügbarkeit nach skandinavischem Modell (dh. Drogen, einschließlich Alkohol und Tabak, nicht mehr an jedem Kiosk und jeder Tankstelle!). Das sind letztlich die sinnvollen Stellschrauben.

Das halte ich immer für ein sehr problematisches Argument. Gerade als Sozialarbeiter kenne ich das Argument aus dem Kontext „religiöser Arbeitgeber“, wenn mir gesagt wird: „Wenn das Thema Religion für dich so wichtig ist, arbeite halt nicht bei denen!“. Dumm nur, wenn die den Großteil der Sozialarbeiterstellen verwalten, vor allem, wenn es vor Ort alle Stellen in dem Bereich sind, in dem man arbeiten will. Das Argument zieht einfach nicht. Vor allem nicht bei staatlichen Akteuren wie der Bundeswehr. Es gibt Menschen, die Soldat werden wollen, aber eben auch am Freitagabend mit ihren Freunden kiffen wollen - halte ich auch für eine falsche Entscheidung, aber es ist nicht an mir, darüber zu richten. Ich sehe keinen Grund, ihnen den Soldatenberuf zu versperren.

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Sind wir im Grundsatz nah beieinander. Den Freiheitsbegriff legen wir unterschiedlich weit aus, was aber auch mit der subjektiven Einschätzung zu tun hat, für wie mündig man den Menschen hält im Sinne der individuellen Freiheit.

Aber ja, Verbote zu erlassen, die man nicht kontrollieren kann, ist unsinnig.
Ob man es deswegen dann ganz offen lässt, darüber kann man sicher noch lang diskutieren.