Buchempfehlung/Vertiefung "Gegen Wahlen - Warum Abstimmen nicht demokratisch ist"

Ich habe vor ein paar Jahren mal das im Titel erwähnte Buch von David Van Reybrouck gelesen, das u.a. genau so etwas wie die in der letzten Lage angesprochenen Bürger:innenräte behandelt. Ich habe leider das meiste eh schon wieder vergessen, aber es hat durchaus meinen Blick auf Wahlen und was, bzw. wie Demokratie eigentlich sein kann geändert. Bis dahin dachte ich, dass eine Demokratie unbedingt auf ganzer Linie mit Wahlen verbunden sein muss, seitdem bin ich mir da nicht mehr so sicher.
Die historischen Beispiele von Auslosungsverfahren als beständiges Mittel finden sich ja z.B. im antiken Athen, oder Venedig und Florenz während der Renaissance. Also vor allem auch von der Einwohnerzahl her in einem überschaubaren Umfeld. Glaubt ihr denn das so etwas generell auf der Skala von heutigen Ländern funktionieren könnte (mal losgelöst davon ob, oder wie z.B. Deutschland dort überhaupt politisch/juristisch/gesellschaftlich hin kommen könnte)?
Ich finde es auf jeden Fall sehr spannend dass es Initiativen gibt die da etwas auf die Beine stellen und auch schön das ein Beispiel davon in der Lage beleuchtet wurde :slight_smile:

Ich denke, dass Größte Problem von randomisierten Verfahren ist der Zufall :wink: . Dadurch können wir nicht mehr Nachvollziehen wie eine Ergebnis zu Stande kommt. Ich denke nicht, dass es ein verifizierendes Verfahren gibt, mit dem wir zufällig was bestimmen können.
Aber wer weiß, vielleicht gibt es ja doch so ein Verfahren, dann wäre zumindest der so gebildete Rat/Regierung mathematisch repräsentativ.

Bei den florentiner und den Venezianern ist aber m.E. Wichtig zu erwähnen, dass da nicht zwischen den Bürger:innen gelost wurde, sondern nur zwischen Mitgliedern gewisser Reicher KaufmannsFamilien ( also irgendwie ne Mischung aus oligarchie(Wegen reich) Adel (weil nicht nur reich sondern auch alteingesessene familie)und Zufall (wegen los)).
Mich spricht das ehrlich gesagt als role model nicht so an

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Grundsätzlich ja, denn die Anzahl der politischen Ämter skaliert ja mit. Neben Bundestag, Bundesrat und Landtagen gibt es ja noch Kreis-, Stadt- und Gemeinderäte. Also auch wie bisher, alles eine Frage der Arbeitsteilung.

Aber werden wir doch mal konkret. Wie kann eine losbasierte Demokratie aussehen? Ich würde hier mal kurz das Demokratie-Modell von Terrill Bouricius aus dem Buch „gegen Wahlen“ skizzieren.
Im Wesentlichen besteht das Modell aus 6 Organen. Die ersten Vier behandeln den Gesetzgebungsprozess. Die letzten Beiden dienen der Kontrolle

  1. Agenda Council
    Aufgabe: Themensetzung für die Gesetzgebung
    Größe: 150-400 Personen
    Zusammensetzung: ausgelost unter Freiwilligen
    Amtszeit: 3 Jahre Vollzeit, höchstens einmal, 1/3 der Mandate wird jedes Jahr neu bestimmt
    Vergütung: Gehalt

  2. Interest Panels
    Aufgabe: Vorschläge an die Gesetzgebung zu den Themen, die der Agenda Council bestimmt hat.
    Größe: 12 Leute pro Panel, die Anzahl der Panels ist unbegrenzt.
    Zusammensetzung: Freiwillige die sich bewerben.
    Dauer: bis Ende des Panels. Man kann so oft teilnehmen, wie man möchte.
    Vergütung: Keine

  3. Review Panels
    Aufgabe: Erarbeitung von Gesetzesvorschlägen aus den Vorschlägen der Interest Panels und aus dem Input von Experten.
    Größe: 150 Personen unterteilt in einzelne Panels. Jedes Panel ist zuständig für ein Thema/Bereich. Die Teilnehmer werden den Panels zugelost
    Zusammensetzung: ausgelost unter Freiwilligen
    Amtszeit: 3 Jahre Vollzeit, höchstens einmal, 1/3 der Mandate wird jedes Jahr neu bestimmt
    Vergütung: Gehalt

  4. Policy Jury
    Aufgabe: Abstimmung über Gesetze (geheime Abstimmung nach öffentlicher Präsentation)
    Größe: 400 Personen
    Zusammensetzung: ausgelost unter allen erwachsenen Bürger:innen. Teilnahme ist verpflichtend.
    Häufigkeit: für jedes einzelne Gesetz.
    Dauer: ein bis mehrere Tage
    Vergütung: Tagegeld und Reisekosten.

  5. Rules Council
    Festlegung der Regeln für das Gesetzgebungsverfahren
    Größe: ca. 50 Personen
    Zusammensetzung: ausgelost unter Freiwilligen (oder unter Ex-Teilnehmern vom Agenda Council und dem Review Panels)
    Amtszeit: 3 Jahre Vollzeit, höchstens einmal, 1/3 der Mandate wird jedes Jahr neu bestimmt
    Vergütung: Gehalt

  6. Oversight Council
    Aufgabe: Kontrolliert die Einhaltung der Regeln im Gesetzgebungsprozess und behandelt Beschwerden.
    Größe: ca. 20 Personen
    Zusammensetzung: ausgelost unter Freiwilligen
    Amtszeit: 3 Jahre Vollzeit, höchstens einmal, 1/3 der Mandate wird jedes Jahr neu bestimmt
    Vergütung: Gehalt

Hinweis: bei dem Modell geht es nur um die Legislative. Die Exekutive ist nochmal ein ganz anderes Thema.