Blitzerwarnungen - Sinn und Beihilfe?

In unserer Lokalzeitung gibt es täglich die Infobox, wo heute ‚kontrolliert‘ wird. Im Radio sind ‚Flitzerblitzer & Co‘ ein fester Bestandteil vieler Verkehrsnachrichten, Blitzerapps sind massig verfügbar (wenn auch teils illegal). Selbst viele Navigationssyteme von Automobilherstellern bieten die Funktion (ein Geräusch oder „Achtung Gefahrenstelle“).

Ich frage mich, ob das moralisch aber auch rechtlich in Ordnung ist? Was bewirke ich mit diesen Meldungen? Ich ermögliche es jemandem straffrei zu schnell zu fahren indem das Tempo lokal und zeitlich begrenzt dort angepasst werden kann, wo kontrolliert wird. Da ohne Geschwindigkeitsübertretung niemand geblitzt wird (somit keinen Nutzen aus der Info zieht) bedeutet das doch im Umkehrschluss, dass ich Verkehrsteilnehmern gezielt dabei helfe eine Geschwindigkeitsübertretung zu begehen.

Somit frage ich mich einerseits: Warum fördern Medien, die gleichzeitig Aktionen wie „runter vom Gas“ oder „Kopf hoch, das Handy kann warten“ (und andere) unterstützen, gleichzeitig eine Geschwindigkeitsübertretung?

Und weiter: Warum ist es keine Beihilfe zur Ordnungswidrigkeit/Straftat, wenn meine einzige Intention darin besteht Leuten zu helfen, straffrei die Geschwindigkeit übertreten zu können?

Ein etwas provokativer Vergleich: Wenn ich jemandem die Orte der Kameras in einer Bank mitteile, kann ich sagen dass dies einfache Sachinformationen sind. Dennoch wäre mir bewusst dass die einzig wahrscheinliche Verwertung der Infos ein Banküberfall wäre…

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Also in Schweden steht vor jedem Blitzer ein Warnschild, dass da ein Blitzer kommt. Wenn sie einen mobilen Blitzer aufstellen stellen sie ein mobiles Verkehrsschild davor.

Die Frage ist halt was man mit dem Blitzer erreichen will.
Hier in Schweden geht es um die Entschärfung von Unfallschwerpunkten und nicht um die Durchsetzung von Geschwindigkeitsbegrenzung, von daher macht es keinen Sinn vor dem Blitzer nicht zu warnen, denn dann bleibt ja der Unfallschwerpunkt bei Ortunkundigen bestehen.

Zur Durchsetzung von Geschwindigkeitsbegrenzungen wird hier gelasert.

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Diese Infos werden auch von staatlicher Seite geteilt, s. z. B. hier.

Man warnt ja nicht vor einem Bitzer sondern von einer Gefahrenstelle.
Weil Blitzer werden ja nur an Gefahrenstellen aufgebaut. :smiley:

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Hallo zusammen,

Ziel solcher Aktionen ist es nicht, den Fahrerinnen und Fahrern das Geld aus der Tasche zu ziehen, sondern diese für die Geschwindigkeitsbegrenzungen zu sensibilisieren und aufzuzeigen, dass die Geschwindigkeit kontrolliert wird.

Dass es egal ist, ob ein Blitzer bekannt ist, zeigen ja die stationären Blitzer, an denen trotzdem genug Raser erwischt werden.

Moralisch halte ich das für fragwürdig, rechtlich ist das vermutlich in Ordnung. Denn es wird so oft gemacht, dass da schon längt eine Klage erfolgreich gewesen sein sollte, wenn dem nicht so wäre. Das Auto hat in Deutschland einen sehr hohen Stellenwert. Das „schnell Fahren“ gehört zu diesem Symbolbild mit dazu. Der Anteil an Autofahrern, die bei Geschwindigkeitsbegrenzungen zu schnell fahren, ist auch extrem hoch, fast die Hälfte meine ich. So Sprüche wie „Ja so 10-20 km/h drüber sollte man schon fahren.“ sind auch weit verbreitet.

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Danke für die Meinungen! Auch dass staatliche Stellen die Infos bereitstellen war mir nicht bewusst. Allerdings macht es die Sache noch verrückter, wenn ich die Menschen ‚sensibilisiere‘, damit sie speziell in der Zeit und am Ort der Kontrolle langsam fahren. Entweder ich habe die Meinung dass eine Geschwindigkeit zu jeder Zeit eingehalten werden muss - dann ergibt eine Warnung bei zeitlich begrenzten Kontrollen keinen Sinn. Oder ich bin nicht der Meinung - dann habe ich das falsche Schild aufgestellt.

Ich möchte doch eigentlich eher erreichen, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen überall dort wo ich sie (hoffentlich aus gutem Grund) eingeführt habe, grundsätzlich eingehalten werden? Das erreiche ich doch eher durch ein Gefühl, dass jederzeit kontrolliert werden könnte (wie etwa bei der sporadischen Ticketkontrolle in Zügen).

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Ist das so?

Lässt sich ohne Studie sicher nicht abschließend klären, aber Fakt ist doch, es könnte jeder Zeit überall kontrolliert werden, dieses Gefühl sollte also sowieso schon immer präsent sein. Das Verhalten der Autofahrer scheint aber so zu sein, dass sie das einpreisen und eine Geschwindigkeit wählen, die ein gutes „Preis-Leistungs-Verhältnis“ gewährleistet. Also zB genau so viel zu schnell, dass man keine Punkte bekommt, aber natürlich dadurch trotzdem schneller an seinem Ziel ist. Ein gefahrenspezifisches Verhalten entsteht dadurch aber nicht.

Auf der anderen Seite ist es aber gar nicht so selten, dass meine Freundin zum Beispiel sagt, „fahr mal langsamer, hier wird häufig geblitzt“. Wenn man die entsprechende Wahrnehmung an einer Gefahrenstelle aufbauen kann, dann wird die Gefahrenstelle damit entschärft und das verkehrspolitische Ziel erreicht.

Ob das, was sie in Schweden machen, so sinnvoll ist, weiß ich nicht. Wenn man mit der Erwartungshaltung „kein Blitzer, keine Kontrolle“ fahren kann, dann kann man die Geschwindigkeitsbegrenzungen schon sehr konsequent ignorieren. Dann stellen sich wieder andere Fragen: Haben die Bürger Vertrauen darin, dass der Staat sinnvolle Regeln aufstellt und halten sich üblicherweise auch daran, wenn keine Kontrolle droht?

Noch eine andere Anmerkung zu dem Thema, unser neues Auto hat so einen Tempomat light, genaugenommen ist das nur ein Geschwindigkeitsbegrenzer. Man drückt einen Knopf und dann wird die aktuelle Geschwindigkeit (aber min. 30) als maximal fahrbare Geschwindigkeit eingestellt. Sowas kann auch ne Menge helfen, glaub ich. Wenn ich in einer 30-Zone unterwegs bin, drücke ich einen Knopf und halte mich automatisch an die Geschwindigkeitsbegrenzung, habe also nicht mehr das Problem, dass ich aus Unachtsamkeit zu schnell fahre. Der Tempomat auf der Autobahn hat eine ähnliche Wirkung, die psychologisch etwas anders funktioniert, glaube ich, aber worauf ich hinaus will, solche komplett freiwilligen technischen Lösungen können auch einen Unterschied machen, man muss nicht alles über die Regel-Durchsetzungsseite lösen.

Ich stimme dir zu; man stelle sich vor, Ticketkontrollen würden im Radio angekündigt werden. „Achtung, heute Ticketkontrollen in der S1 und S9.“

Bußgelder werden von vielen Autofahrern „einberechnet“. Zumindest beim Falschparken kenne ich eine eine wissenschaftliche Studie aus München/Freiburg. Aus der Pressemitteilung:

Hierfür haben die Forscher das Freiburger Stadtgebiet in geografische Sechsecke unterteilt. Im Anschluss wurden die zeitlich-räumlichen Wahrscheinlichkeiten berechnet, wie hoch das Risiko pro Sechseckstunde ist, beim Falschparken mit einem Bußgeld belegt zu werden. Die Ergebnisse der Freiburger Studie bestätigen: In 61,3 Prozent der im Zentrum gelegenen Sechseckstunden und in 94,4 Prozent der außerhalb gelegenen Sechseckstunden ist es wirtschaftlich vorteilhaft, keine Parkgebühren zu zahlen. „Ökonomisch gesehen rechnet es sich also häufig falsch zu parken“, bestätigt Humpe.

Ich gehe davon aus, dass das bei Geschwindigkeiten ähnlich ist: Die Bekanntgabe von Tempokontrollen senkt die erwartbaren Kosten (weil das Risiko, erwischt zu werden, sinkt). Daher „lohnt“ sich Rasen mehr. Das sollte definitiv nicht so sein, weil jedes km/h die Gefahr für Verletzungen steigert und die Lebensqualität in der Stadt mindert.

Eine lesenswerte Studie zur Umsetzung von z.B. Tempo 30 kommt vom Umweltbundesamt: Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen

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Ja, nicht alles, Straßenverkehrsrecht aber schon, da m. E. die rechtlich verbindlichen Regeln immer mehr als „Verkehrsknigge“ angesehen werden, den man netterweise einhalten sollte, wenn nicht ist aber auch nicht schlimm. Lange Zeit waren auch die Bußgelder so ausgelegt, dass Verkehrssündern nicht der Eindruck vermittelt wurde, sie hätten was Schlimmes getan.

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Passend dazu schreibt der MDR, dass traditionell zwischen Weihnachten und Neujahr die Blitzer ausgeschaltet werden. Von Weihnachten bis Neujahr: Spree-Neiße-Kreis nimmt Blitzer außer Betrieb

Der Landkreis Spree-Neiße nimmt über die Weihnachtsfeiertage bis zum neuen Jahr sämtliche Blitzer außer Betrieb. Das sagte der Amtsdirektor […] Dieter Perko dem rbb auf Nachfrage. […]
„Wir haben schon seit Jahren den sogenannten Weihnachtsfrieden“, so Perko.

In der Regel ortsunkundige. Wer dort jeden Tag zur Arbeit fährt, bremst kurz vorher scharf ab – was wiederum eine ganz neue Unfallgefahrenquelle schafft – und beschleunigt unmittelbar nach dem Blitzer wieder rasant.

Man könnte ja noch weiter gehen: Einbrecher werden gewarnt, wo die Polizei gerade unterwegs ist, Hausdurchsuchungen bei Terrorverdächtigen werden 24 Stunden vorher im Radio angekündigt, usw.

Die Verkehrsregelverachter sind halt deren Publikum. Und die wissen diesen Service zu schätzen.

Der Landkreis Spree-Neiße so: Hold my beer! Kommende Woche Straßenrennen bei uns!

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Das Problem wäre sehr einfach zu lösen.
Zu schnelles Fahren ist in Deutschland viel zu billig!
Die Schweiz hat die sichersten Straßen Europas. Zu schnelles Fahren ist hier eine Straftat und keine Ordnungswidrigkeit und wird in Tagessätzen berechnet. Grossverdiener zahlen hier auch 5- oder 6-stellige Summen, je nach Gehalt!
Das Auto wird als Waffe eingezogen und versteigert!
2 km/h zuviel kosten hier 40 CHF!
Noch schneller kostet exponentiell mehr.
Auch Blitzerwarner sind verboten und deshalb auch nur von sehr vereinzelten Firmen überhaupt erhältlich. Sich mit so einer Software erwischen zu lassen ist nicht zu empfehlen! Die Schweizer Polizei ist stets extrem freundlich, aber völlig humorbefreit!
Ein Kumpel der sich noch nie etwas zu Schulden kommen ließ, fuhr auf der Landstraße im Rahmen eines Überholvorgangs für einige Sekunden 126 km/h. Das kostete ihn 12.000 CHF, 4 Monate Führerscheinentzug, und für 5 Jahre die Möglichkeit sich einbürgern zu lassen.
Unter diesen Umständen wird man vorsichtig. Ich selbst bin in meiner Jugend in Deutschland nicht gerade vorbildlich gefahren. Seitdem ich in der Schweiz lebe fahre ich ausschließlich mit Tempomat und bin stets sehr wachsam!
So geht’s den meisten Menschen in der Schweiz! Deshalb die sichersten Straßen in Europa!

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Genau das! So milde wie auf keinem anderen Gebiet geht man in DE mit Autos und Autobesitzern um.
Gerade war ein Prozess zu einem Autobahnunfall in der Lokalzeitung. Ein Porschefahrer mit 0,35 Promille wurde von einer nachfolgenden Zivilstreife dabei beobachtet, als er mit 200 km/h (von der Streife geschätzt) auf der rechten Spur plötzlich auf die linke Spur wechselte wegen eines 80km/h fahrenden Gespanns vor ihm, und dabei eine auf der rechten Spur fahrende Frau rammte und tötete.
Urteil: 2500 Euro Geldstrafe, 6 Monate auf Bewährung, 3 Monate Führerscheinentzug. Der Angeklagte zeigte grosse Reue und bestritt nichts, das war anscheinend ausschlaggebend. Unglaublich, ein glattes Fehlurteil mE.

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Es ist einfach zu tief im Denken drin. Deswegen ja auch meine in Beitrag 10 zum Ausdruck gebrachte Einstellung. Es läuft wohl eine Studie am IASS Potsdam dazu, wie Unfallberichte die Verantwortung von Autofahrenden immer wieder ausblenden. Gestern funktionierte der Link noch, heute nicht, die Seite ist insgesamt down. Ich lass es trotzdem mal hier:
https://www.iass-potsdam.de/de/blog/2021/04/wir-brauchen-eine-neue-sprache-fuer-die-verkehrsberichterstattung